Warum betriebswirtschaftliche Klarheit für jede Praxis lebenswichtig ist
Sie führen eine Praxis. Sie tragen Verantwortung für Patientinnen und Patienten, Team, Qualität, Wirtschaftlichkeit – und manchmal auch für eine kaputte Kaffeemaschine. Ihr Alltag ist eng getaktet, Ihr Kalender voll. Und trotzdem fragen Sie sich: „Läuft das eigentlich alles richtig? Oder läuft es einfach nur?“ Willkommen an Bord. Sie sind nicht allein.
Viele Zahnarztpraxen in Deutschland arbeiten auf hoher See – aber ohne Kompass. Es gibt kein strukturiertes Controlling, keine regelmäßige wirtschaftliche Analyse, keinen klaren Kurs. Stattdessen wird viel aus der Routine und aus dem Bauchgefühl heraus gesteuert. Und manchmal nach dem Prinzip „Wird schon gutgehen“– was es auch erstaunlich oft tut!
Aber Hand aufs Herz: Wann haben Sie zuletzt überprüft, ob Ihre Praxis wirklich wirtschaftlich gesund ist? Nicht einfach nur der Blick auf die Tankanzeige (also in Ihre BWA), sondern tief in den Maschinenraum hinein zu den einzelnen Komponenten des Motors, die über den Spritverbrauch entscheiden? Lassen Sie uns doch einmal gemeinsam lossegeln.
Vorneweg: Dieser Artikel ist kein Plädoyer für Tabellen oder Zahlenfetischismus. Er ist eine Einladung zum Steuern statt zum Treibenlassen. Denn Klarheit ist kein Luxus – sie ist die Voraussetzung dafür, dass Ihre Praxis langfristig stark bleibt. Und dass Sie frühzeitig merken, wenn ihr Schiff Leck schlägt.
Der Alltag unter Deck – was Praxen heute wirklich steuern
Während Sie oben am Behandlungsstuhl Ihr Bestes geben, brodelt es unter Deck: Rechnungsstapel, E-Mails, neue Auflagen.
In vielen Praxen wachsen Verwaltungsaufwand und Frust oft schneller als der Gewinn. Und dann sind da noch Probleme mit dem vorhandenen Personal, Probleme mit dem nicht vorhandenen Personal... eigentlich wollten Sie Zahnmedizin machen – nicht Buchhaltung für Fortgeschrittene mit Hauptfach Personaldrama.
Zusätzlich kommt betriebswirtschaftlicher Druck von zwei Seiten: steigende Materialpreise oder Löhne treffen auf Honorare, die mit der Inflation nicht Schritt halten. Die Ausgaben steigen schneller als die Einnahmen. Plus immer neue Anforderungen: TI, E-Rechnung, ePA, Datenschutz, QM, Fortbildungspflichten. Alles wichtig – alles Zeitfresser. Wer heute eine Praxis führt, hat das Gefühl, gleichzeitig
Kapitän, Maschinist, Funker und Koch zu sein – und das bei steigendem Wellengang. Viele PraxisinhaberInnen merken, dass der wirtschaftliche Druck steigt, können ihn aber nicht klar benennen. Denn: Es fehlen die Instrumente. Oder sie liegen irgendwo unter Deck, ungenutzt, weil der Blick kaum über die nächste Welle hinausreicht.
Genau deshalb braucht es Systeme, die entlasten: keine Tabellenberge, sondern Orientierung. Eine Praxis braucht Kennzahlen. Sie müssen nachvollziehbar, aussagekräftig und valide sein. Und Kennzahlen sind kein verzichtbarer Luxus. Sie sind elementar für die Praxisführung. Sie sind die Seekarte, die vor Untiefen warnt, bevor es kracht.
Typische Denkfehler beim Praxis-Controlling
„Ich habe doch meine BWA“
Die BWA zeigt, was war, aber nicht, was ist oder wohin es geht.
„Mehr Patienten = mehr Umsatz“
Nicht unbedingt, denn durch weniger Zeit pro Patient, sinkt auch der Umsatz pro Patient. Damit steigt nur der Stress, nicht der Erfolg.
„Meine Praxis macht gute Gewinne.“
Gewinne sind nicht automatisch verfügbare Liquidität. Erst wenn Sie Abschreibungen addieren und Steuern, Versorgungswerk, Tilgungen und Lebenshaltungskosten abziehen, sehen Sie, was – wenn überhaupt – tatsächlich zur freien Verfügung steht.
„Wenn am Monatsende noch was übrig bleibt, passt's doch!“
Das ist kein Controlling, sondern Hoffnung!
Ohne Kurs kein Ziel – warum jede Praxis Kennzahlen braucht
Jede Praxis hat ein Ziel: wirtschaftlich stabil arbeiten, das Team halten, gut behandeln und gut leben. Nur: Wer sein Ziel erreichen will, braucht einen Kurs – und ein Navigationssystem. Und genau das sind Kennzahlen.
Wer denkt, das sei trockenes Controlling, der verwechselt Karte mit Kompass: Es geht nicht um Kontrolle, sondern um Überblick. Um die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, ohne ins Blaue zu steuern. Natürlich haben Sie Ihre BWA. Aber die zeigt oft nur, wie das Wetter vor sechs Monaten war. Kennzahlen dagegen zeigen Ihnen, ob der Kurs stimmt – heute. Sie sind live an Bord. Kennzahlen müssen nicht kompliziert sein. Einige wenige, gut gewählte reichen aus, um das Steuer zu übernehmen.
5 Kennzahlen, die jeder Praxisinhaber kennen sollte
Kosten je Öffnungsstunde
Umsatz je PatientIn
Zuzahlungsquote
Wochenumsatz je Behandler
Auslastungsgrad der Praxis
Kennzahlen sind keine Kontrolle – sie sind Entlastung
„Ich will mich nicht mit Zahlen befassen – ich will behandeln.“ Ein Satz, den man in Beratungen öfter hört. Dahinter steckt kein Mangel an Interesse, sondern oft der Wunsch, sich in Ruhe um das Wesentliche zu kümmern, also um seine Patienten. Das Problem ist nur: Ohne Kennzahlen wird es nicht ruhiger – nur unklarer.
Kennzahlen sind keine Kontrolle von außen, sondern Orientierung von innen. Sie trennen Fakten vom Gefühl, helfen bei Entscheidungen und schaffen Sicherheit im Alltagstrubel. Viele Kennzahlen müssen auch nicht täglich oder wöchentlich zur Verfügung stehen oder gecheckt werden. Oft reicht ein quartalsweises Update.
Beispielpraxis: Abgebildet ist der Zusammenhang zwischen Anzahl der Patienten und Umsatz je Patient über den Zeitverlauf. Der durchschnittliche Umsatz je Patient war bis Q4/2023 rückläufig. Ab Q1/2024 wurde die Anzahl der Patienten reduziert. Die Folge: der Umsatz je Patient ist wieder deutlich angestiegen, also gleicher Gesamtumsatz mit weniger Patienten und weniger Stress!
Was ist der Praxisscore®?
Der PraxisScore® ist ein von Flamingo Med Solutions entwickeltes, strukturiertes Kennzahlensystem für Zahnarztpraxen. PraxisScore® kombiniert verschiedenste Datenquellen der Praxis zu einem klar verständlichen Controlling-System. Das Online-Dashboard zeigt anhand eines Ampelsystems auf einen Blick alle wichtigen Kennzahlen der Praxis. Durch die quartalsweisen Auswertungen werden Veränderungen sofort sichtbar und ermöglichen sofortige Umsetzung der aus den Abweichungen resultierenden Handlungsempfehlungen.
Emotionen an Bord
Zahlen sind neutral – unser Umgang mit ihnen aber oft nicht. Viele ZahnärztInnen führen ihre Praxen mit viel Empathie, sozialer Intelligenz und Verantwortungsgefühl. Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben birgt zusätzliche Herausforderungen. Diese Kombination kann blockierend wirken, wenn es nicht durch wirtschaftliche Klarheit gestützt wird.
Kennzahlen helfen hier durch ihre Klarheit und ihre Abkoppelung von Emotionen, sie decken ineffiziente Strukturen auf und erleichtern dadurch die Praxisorganisation. Das stärkt das Selbstvertrauen und die Freude am Beruf und ermöglicht die gewünschte Work-Life-Balance.
Fazit: Wer segeln will, braucht Karten – und einen Plan
Ob Gründung, Wachstum oder Abgabe – wirtschaftlicher Erfolg passiert nicht zufällig. Er entsteht durch Klarheit. Und Klarheit entsteht durch Kennzahlen, die man versteht – und nutzt. Eine reine Zusammenstellung von Kennzahlen ist nutzlos. Nur wenn daraus die notwendigen Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, entfalten sie ihre Wirkung.
Das muss nicht kompliziert sein. Aber es muss bewusst geschehen. Denn wer heute noch „nach Gefühl“ steuert, riskiert morgen Schlagseite. Kennzahlen sind kein Fremdkörper, sondern Ihr Kompass. Sie machen Ihre Praxis stabiler, Entscheidungen leichter – und Ihr Leben entspannter. Damit sind sie unverzichtbar für eine gute Work-Life-Balance. Ein guter Kurs entsteht nicht durch Glück, sondern durch Planung und Über- blick. Nur dann können Sie vorausschauend steuern.
Apropos Glück: Beim Segeln gibt es den „Manöverschluck“, ein traditionelles Ritual, bei dem ein Schluck Alkohol aus der Flasche ins Meer geschüttet wird. Das symbolisiert Mut und Zuversicht bei Herausforderungen auf See, ist ein Zeichen des Zusammenhalts unter Seeleuten und Mannschaft und soll gleichzeitig als Opfergabe an die Götter des Meeres gute Segelbedingungen und Glück bringen. Das ist Brauch und Aberglaube, Kennzahlen dagegen harte Zahlen und Fakten. Halten Sie an dem Brauch ruhig fest, so etwas beruhigt - aber checken Sie immer regelmäßig die Wetterdaten.
Kennzahlen in unterschiedlichen Praxisphasen
Gründerinnen und Gründer: Volle Fahrt mit Nebel im Cockpit
Der Wind steht gut. Die Crew ist motiviert. Die Homepage ist frisch, das Wartezimmer stylish, die ersten PatientInnen sind begeistert. Doch wer die Segel setzt, sollte wissen, wohin er eigentlich will – und was es kostet, dort anzukommen.
Viele PraxisgründerInnen starten mit Energie, Fleiß und dem festen Willen, alles richtig zu machen. Und das gelingt ihnen – zahnme- dizinisch gesehen – auch oft. Was aber fehlt, ist der betriebswirtschaftliche Kurs:
■ Wie hoch ist mein notwendiger Mindestumsatz pro Woche?
■ Welches Stundenhonorar setze ich in HKPs an?
■ Was kostet meine Öffnungsstunde?
Die traurige Wahrheit: Die meisten wissen es nicht. Und wie auch? In der Assistenzzeit lernt man vieles – aber nicht, wie man eine Praxis steuert. Oft fehlt eine systematische Liquiditätsplanung, das Bewusstsein für Fixkosten und Rücklagen, und vor allem: eine einfache Struktur, um Klarheit zu gewinnen.
Etablierte Praxen: Der stille Kursverlust
Es ist alles da: ein treues Team, eingespielte Abläufe, die Praxis ist solide ausgelastet – manchmal sogar überlastet. Man hat sich eingerichtet, wirtschaftlich wie organisatorisch. Und das scheint zu funktionieren. Zumindest auf den ersten Blick. Doch genau hier liegt die Gefahr. Viele etablierte Praxen verlieren im Lauf der Jahre still und leise an wirtschaftlicher Substanz – ohne es zu merken. Der häufigste Grund? Routine! Arbeiten mit Routine ist schön, es funktioniert, ist bequem, aber gleichzeitig auch Gift, weil notwendige Korrekturen nicht erfolgen, für die man die Komfortzone verlassen müsste.
Ein Beispiel: Etablierte Praxen entwickeln mit der Zeit einen sehr breiten Patientenstamm. Unbemerkt steigt die Anzahl der Termine pro Woche kontinuierlich an. Was aber nicht auffällt: die steigende Zahl an Patienten führt ab einem gewissen Punkt zu sinkenden Umsätzen je Patient.
Das klingt paradox, ist aber logisch: Wenn es immer voller wird, bleibt immer weniger Zeit pro Fall. Schnellere Behandlungswechsel, kürzere Beratung, weniger Raum für Zuzahlungsleistungen. Die Praxis wird schneller – aber nicht besser bezahlt. Gleichzeitig steigt der Aufwand für das Team: mehr Patienten bedeuten mehr Arbeit in Zimmer, Steri, Verwaltung und Abrechnung.
Mit einer Kennzahlenreihe über mehrere Quartale werden solche negativen Trends sofort sichtbar.
Praxen vor der Abgabe: Kurskorrektur vor dem Hafen
Mit Anfang 60 blicken viele Praxisinhaber- Innen auf eine lange, erfüllte Karriere zurück. Die Übergabe rückt näher – zumindest gedanklich. Doch die nötige Vorbereitung wird oft zu lange hinausgezögert.
Nur rund ein Viertel aller abgabewilligen Praxen findet überhaupt einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin. Und selbst dann entscheidet nicht nur der Standort. Wichtig ist, ob die Praxis wirtschaftlich attraktiv und strukturiert aufgestellt ist. Für ÜbernehmerInnen zählt Planbarkeit: transparente Zahlen, effiziente Abläufe, eine klare Perspektive für die Zukunft.
Ein Controlling-System hilft, die Effizienz der Praxis zu erhöhen und die Wirtschaftlichkeit zu steigern. Das schafft Vertrauen - und erhöht nebenbei den Wert der Praxis.
Es lohnt sich daher doppelt, spätestens fünf Jahre vor der Abgabe Kurs zu setzen – nicht nur für NachfolgerInnen, sondern auch für die eigene Gelassenheit.
Wie gut kennen Sie sich aus?
Testen Sie Ihr Kennzahlen-Wissen in nur zwei Minuten. Hier Quick-Check starten.
Turhan Kurt
Finanzökonom (ebs) und unabhängiger Experte für die Beratung von ZahnärztInnen und Zahnärzten seit mehr als 20 Jahren.
turhan.kurt@flamingomedsolutions.de
Flamingo Med Solutions