Wirtschaftsnachrichten für Zahnärzte | DENTAL & WIRTSCHAFT
Praxis

Teil 1 des Beitrags zur allgemeinen Entwicklung der künstlichen Intelligenz finden Sie hier.

KI wird die Art und Weise, wie Zahnmediziner eine Praxis führen, verändern. Im Folgenden finden Sie Beispiele dafür, wie künstliche Intelligenz in den Alltag und in die Zahnarztpraxis integriert werden kann.

Das Internet der Dinge: Geräte mit künstlicher Intelligenz online schalten

Das Internet der Dinge (IoT) ist ein Begriff, der Mitte der 1990er Jahre geprägt wurde. Er beschreibt den Vorgang, intelligente Technologie in „Dinge“, häufig in Alltagsgegenstände, zu integrieren und sie mit dem Internet zu verbinden. Viele von uns nutzen das Internet der Dinge bereits im Alltag. Beispiele dafür sind:

  • Navigationssysteme in Fahrzeugen
  • Systeme zur Verarbeitung natürlicher Sprache (z. B. Amazon Alexa, Google Home, Apple Siri)
  • Intelligente/smarte Lampen in unseren Wohnungen, die sich auf Befehl oder abhängig von der Tageszeit ein- und ausschalten.
  • Kühlschränke, die den Stromverbrauch, die Frische von Lebensmitteln usw. überwachen.
  • Türschlösser, die unsere Türen in Abhängigkeit von der Tageszeit oder davon, ob wir uns ihnen nähern oder Räume verlassen, automatisch ver- und entriegeln.
  • Fernsehgeräte und viele andere Dinge, die mit dem Internet verbunden sind und intelligente Funktionen ausführen können.

Das IoT wird auch in der Zahnmedizin immer allgegenwärtiger, wie die folgenden Beispiele zeigen.

Zahnbürsten – mit KI von der Putzkontrolle zum Diagnose-Tool

Zahnbürsten können mit internetfähigen Sensoren ausgestattet werden, die mithilfe von KI zum Beispiel die Vollständigkeit und die Dauer des Putzens, die richtige Winkelung und den richtigen Druck analysieren. Früher oder später werden diese Sensoren in der Lage sein, bestimmte Krankheiten zu diagnostizieren, indem sie Biomarker im Speichel erfassen oder Plaque mithilfe von Computer Vision erkennen (siehe Kapitel weiter unten).

Die Daten können mit Erlaubnis des Anwenders auch in die Kartei der Zahnarztpraxis gelangen oder eine Verbindung zwischen den Mundhygienegewohnheiten und der allgemeinen Gesundheit herstellen. Zahnärzte können auf Grundlage dieser Daten Gespräche mit den Patienten führen und mit ihnen an der Gesundheitsoptimierung arbeiten. Außerdem können die Kostenträger sowohl Patienten als auch Leistungserbringer dafür belohnen, dass sie auf Grundlage objektiver Daten bessere Ergebnisse erzielen.

Geräteüberwachung und Frühwarnsysteme in der Praxis sparen Kosten

Eine Anwendung des IoT in der Praxis ist, vernetzte Sensoren an oder in der Nähe von kritischen Geräten wie Kompressoren und Vakuumpumpen zu platzieren. Sie analysieren den Zustand der Geräte und melden ihn an die Praxis- und Wartungsteams. Diese Systeme helfen, teure Reparaturen und Ausfallzeiten zu vermeiden. Sie fangen Geräteausfälle ab, bevor sie auftreten. So lassen sich prophylaktisch Komponenten austauschen.

Überzeugend für Zahnärzte: diagnostische Bildgebung mit Computer Vision

Computer Vision ist der Einsatz von KI zur präzisen Erkennung von Objekten in einem Bild. Meiner Meinung nach ist dies die unmittelbarste und überzeugendste Anwendung von KI für Zahnärzte. Das Beispiel mit den Schafen in Teil 1 dieses Beitrags ist z.B. Computer Vision.

Entscheidungsunterstützung für die Behandlung

Computer Vision bei medizinischen und zahnmedizinischen Bildern hilft dabei, echte Krankheitsbilder von gutartigen Schatten zu unterscheiden.

In der Medizin wird Computer Vision bereits seit einigen Jahren eingesetzt, in der Zahnmedizin kommt diese Technologie nun vermehrt zum Zuge: Einer durch maschinelles Lernen geschulten Software wird eine digitale Zahnröntgenaufnahme oder ein anderes zahnmedizinisches Bild vorgelegt. Daraufhin identifiziert sie schnell und präzise Orientierungspunkte und Krankheitsbilder, wie beispielsweise Karies. In der Regel befindet sich die KI-Software auf einem cloudbasierten Server. Das in der Zahnarztpraxis lokal gespeicherte Röntgenbild wird verschlüsselt, auf den KI-Server hochgeladen und analysiert. Die KI-Analysen kommen zurück und erscheinen als Kommentare auf der Röntgenaufnahme. Der Vorgang läuft im Hintergrund ab und dauert nur wenige Sekunden.

Jedes Bild, das an die KI-Engine geschickt wird, dient deren weiteren Schulung. So nimmt die Genauigkeit laufend zu. Auf Grundlage ihrer Erkenntnisse kann die KI-Software der Fachkraft auch mitteilen, wie sicher sie sich bei ihrer Empfehlung ist (Konfidenzniveau) [8].

Zahnmediziner können diese Technologien zwar als Hilfsmittel nutzen, doch die Fähigkeiten dieser KI-Systeme reicht noch lange nicht an jene der Fachleute heran. Vergleichbar mit den derzeit verfügbaren KI-gestützten Fahrzeugen: Die KI unterstützt beim Fahren, fährt aber nicht selbst.

Experten empfehlen, dass Computer die Entscheidungsfindung in der Medizin zwar unterstützen, die eigentliche Entscheidung jedoch vom Behandelnden getroffen werden sollte.

Künstliche Intelligenz im Praxismanagement

Eine spannende Nutzung von künstlicher Intelligenz ist die Anwendung auf die Datenbank der Praxis-Verwaltungssoftware, um Patienten zu analysieren und zu segmentieren. Diese Daten können über intelligente Marketing- und Planungstools die Produktivität der Praxis steigern. Die KI-Analyse identifiziert beispielsweise jene Patienten, die am ehesten bereit sind, eine bestimmte margenstarke Behandlung wie Aligner, Bleaching oder Implantate anzunehmen. Andere KI-Tools können etwa bei der Terminvergabe, beim Erstellen von Vorher-nachher-Simulationen oder mit Bots zur Beantwortung von Finanzierungsfragen helfen.

Natürliche Sprachverarbeitung (NLP) für die Steuerung von Vorgängen

KI-Software kann lernen, geschriebene oder gesprochene Sprache zu verstehen und zu analysieren. Sie kann Arbeitsabläufe automatisieren, Türen öffnen oder schließen, Klimaanlagen automatisch einstellen, Geräte, Beleuchtung und Mediensysteme ein- und ausschalten usw. Diese KI-gestützte Automatisierung basiert auf NLP-Befehlen oder auf Bewegungen oder der Tageszeit. Die sogenannte konversationelle KI ermöglicht es Patienten, mündlich oder schriftlich mit Bots zu kommunizieren und so selbst Termine zu vereinbaren, sich über Rechnungen zu informieren, diese zu bezahlen usw.

Metaversum: künstliche Intelligenz im Raum, auch in der Zahnmedizin

Ein weiteres wichtiges Thema ist das Metaversum. Aber was ist das eigentlich? Metaversum beschreibt eine immersive digitale Umgebung, die die Realität überlagert, sie ersetzt oder beide miteinander kombiniert. In der immersiven Welt interagieren die Menschen untereinander – oft in Form von Avataren. Sie erleben alternative Realitäten, als wären sie wirklich dort. Im Metaversum kann man an virtuellen Konferenzen teilnehmen und an weit entfernte Orte reisen. Oder Prozesse und Verfahren simulieren oder trainieren und vieles mehr.

Erweiterte Realität (Augmented Reality, AR)

Mit AR können digitale Bilder und Informationen in der physischen Umgebung dargestellt werden. Ein Beispiel ist die „Platzierung“ eines Artikels, den jemand kaufen möchte, in dessen Wohnung mithilfe der Smartphone-Kamera und einer KI-Software. Ein weiteres Beispiel sind die Head-up-Displays in Fahrzeugen. AR fügt virtuelle Informationen in Reales ein oder überlagert beides.

Virtuelle Realität (VR)

Von VR spricht man, wenn man sich vollständig in einer anderen Realität befindet. Es ist die immersivste Form der alternativen Realität. Um sie zu erleben, benötigt man so gut wie immer eine spezielle Brille wie etwa Meta Quest.

Das Metaversum in der Zahnmedizin

Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) ermöglichen es, Zahnärzte und Studenten auf neue und aufregende Weise zu schulen. Sie können beispielsweise einen Eingriff üben und ihre Technik perfektionieren, bevor sie am Patienten arbeiten.

Eine AR-Anwendung ist, mit einer Spezialbrille Bilder über die Zähne eines Patienten zu legen, um diese noch präziser zu präparieren, Brackets zu kleben, Operationen durchzuführen usw. Diese AR kann auch bei der Installation, Diagnose und Reparatur von Ausstattungsgegenständen unterstützen.

Fazit: Künstliche Intelligenz in der Zahnmedizin hat gerade erst begonnen

KI ist spannend und entwickelt sich im Bereich Zahnmedizin rasant. Sie wird zunehmend klinisch eingesetzt, um die Patientenversorgung zu verbessern und Zahnärzten bei der Optimierung und dem Ausbau ihrer Praxen zu helfen.

Teil 1 des Beitrags Künstliche Intelligenz in der Zahnmedizin finden Sie hier

(c) Bruce Lieberthal

Unser Autor:
* Bruce Lieberthal ist Chief Innovation Officer bei Henry Schein, Inc. In dieser Funktion evaluiert er Hunderte von innovativen Lösungen und Technologien, berät die medizinischen und zahnmedizinischen Geschäftsbereiche von Henry Schein zu bedeutenden neuen Entwicklungen und hilft dabei, die globalen Verkaufs-, Marketing- und Vertriebskapazitäten des Unternehmens mit wichtigen neuen Produkten zu verbinden, die den Kunden dabei helfen, ihre Praxisführung zu optimieren und eine hervorragende Patientenversorgung zu bieten.

Anmerkungen

[8] Das Konfidenzniveau wird anhand zweier Hauptindikatoren beschrieben:
1. Sensitivität: beschreibt die Wahrscheinlichkeit, dass die Software vorhandene Läsionen oder Objekte erkennt und korrekt identifiziert. Erwünscht ist ein hoher Wert, da dies eine geringe Anzahl von falsch negativen Ergebnissen signalisiert.
2. Spezifität: beschreibt die Konfidenz, dass die Software keine nicht vorhandenen Läsionen oder Objekte anzeigt. Auch hier ist ein hoher Wert wünschenswert und deutet auf eine geringe Anzahl von Fehlmeldungen hin.