Wirtschaftsnachrichten für Zahnärzte | DENTAL & WIRTSCHAFT
Praxis

Es ist ein neuer Rekord: Nach Zahlen von Statista lag der durchschnittliche Krankenstand in der gesetzlichen Krankenversicherung im vergangenen Jahr bei rund 5,62 %. Das bedeutet, dass an einem Kalendertag fast sechs Prozent der Arbeitnehmer aus gesundheitlichem Gründen zu Hause geblieben sind. Im Vergleich zum Vorjahr mit seinen bereits hohen 4,3 % ist das noch einmal ein deutliches Plus.

Besonders dramatisch waren die Personalausfälle im Gesundheitswesen. Viele Zahnarztpraxen stehen daher regelmäßig vor ernsthaften Problemen bei der Versorgung der Patienten – von den Kosten für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie etwaigen Umsatzausfällen ganz zu schweigen. Doch wie lassen sich Ausfallzeiten in der Praxis reduzieren?

Anwesenheitsprämie: Geld spielt (k)eine Rolle

Elementar, um die eigene Belegschaft gesund zu halten, sind sicherlich ein gutes Betriebsklima und angemessene Arbeitszeiten. Auch ein maßgeschneidertes betriebliches Gesundheitsmanagement kann dazu beitragen, die Belastungen des Praxisalltags abzufedern.

Gerade in Zeiten, in denen die Inflation vielen Menschen zu schaffen macht, setzen Praxischefs allerdings auch auf finanzielle Anreize, um den Krankenstand aktiv zu senken. Das Konzept: ZFA und angestellte Zahnärzte, die ohne oder mit besonders wenig Fehltagen auskommen, erhalten am Ende des Jahres eine sogenannte Anwesenheitsprämie – zusätzlich zum regulären Gehalt.

Wirksam, aber umstritten

Erfahrungen aus anderen Branchen belegen, dass sich die Ausfallzeiten mit einem solchen Modell um bis zu sechs Tage pro Jahr und Mitarbeiter senken lassen. Dennoch ist ein solches Vorgehen umstritten.  

Kritiker monieren vor allem, dass Anwesenheitsprämien einen Anreiz dafür setzen, sich krank in die Arbeit zu schleppen. Zudem sei es unfair, eine Belohnung für etwa zu zahlen, was außerhalb des Einflussbereichs der Arbeitnehmer liege.

Vorgaben für die Anwesenheitsprämie

Unabhängig von solchen Gerechtigkeitserwägungen müssen Zahnärzte, die Fehlzeiten in ihrer Praxis begrenzen wollen, mit Augenmaß agieren und Anwesenheitsprämien so strukturieren, dass sie juristisch keine Angriffsfläche bieten. Dabei sind im Wesentlichen die folgenden Vorgaben zu beachten:

  • Regelungen, die eine Belohnung für wenig Krankheitstage enthalten, sollten schriftlich im Arbeitsvertrag niedergelegt sein und idealerweise von einem Anwalt überprüft werden.
  • Besonders wichtig ist die wasserdichte Ausgestaltung der Frage, wann und um welchen Betrag der Zahnarzt die Prämie im Krankheitsfall kürzen darf. Dreh- und Angelpunkt ist dabei Paragraf 4 a Satz 2 des Entgeltfortzahlungsgesetzes. Er schreibt vor, dass Extraleistungen des Arbeitgebers maximal um ein Viertel des durchschnittlichen Tagesverdiensts gekürzt werden dürfen. Das klingt erst einmal machbar. In der Praxis lässt sich allerdings trefflich darüber streiten, wie der „durchschnittliche Tagesverdienst“ zu ermitteln ist. „Schon kleine Ungenauigkeiten in der Formulierung können dazu führen, dass ein Gericht die gesamte Klausel kippt“, sagt Randhir K. Dindoyal, Rechtsanwalt in München. „Im schlimmsten Fall kann das dazu führen, dass der Zahnarzt die volle Prämie zahlen muss, selbst wenn ein Arbeitnehmer über Wochen oder Monate hinweg ausgefallen ist.“
  • Ein Urteil des Landgerichts Düsseldorf (AZ 17 Sa 1797/97) erlaubt es Arbeitgebern, die Anwesenheitsprämie auch dann zu kürzen, wenn der oder die Betreffende infolge eines Arbeitsunfalls ausfallen. Für die Moral und das Betriebsklima ist ein solches Vorgehen allerdings nicht zu empfehlen.
  • Rechtlich unzulässig ist es überdies, rückwirkende Prämien-Zusagen zu machen. Der Grund: Anwesenheitsprämien sollen Arbeitnehmer dazu motivieren, möglichst selten in der Praxis zu fehlen. Das kann aber nur gelingen, wenn Zahnärzte dabei auf künftige Fehltage abstellen. Eine Regelung, die auf vor dem Bekanntwerden der Regelung liegende Fehltage abstellt, ist daher grundsätzlich unwirksam (BAG, Az. 10 AZR 482/93).
  • Beachten sollten Zahnärzte zudem, dass Anwesenheitsprämien steuerlich meist behandelt werden wie Boni – und daher den üblichen Steuern und Sozialabgaben unterliegen. Das macht das Instrument für die Belegschaft nicht unbedingt attraktiver.

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