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Zahnmedizin

Parodontitis und Karies sind weit verbreitete Infektionserkrankungen. Trotz der multifaktoriellen Pathogenese beider Erkrankungen gilt eine opportunistische Infektion mit Mikroorganismen des oralen Biofilms als „die“ Voraussetzung zur Krankheitsentstehung. In Prävention und Therapie haben antimikrobielle Mundspüllösungen ihren festen wissenschaftlich abgestützten Stellenwert. Sie wirken als effektives chemisches Adjuvans zur Reduktion der Bakterien der Mundhöhle. Lösungen auf Chlorhexidin-Basis sind dabei heute aufgrund der hohen und breiten antimikrobiellen Wirksamkeit weit verbreitet und werden vielfach verschrieben oder empfohlen. Diese enorme antimikrobielle Potenz verführt auch oft zu einer Empfehlung für den Langzeitgebrauch bei der Behandlung unterschiedlicher und insbesondere parodontaler Erkrankungen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage etwaiger relevanter Nebenwirkungen einer prolongierten Chlorhexidin-Anwendung.

Resistenz von mit Karies oder Parodontitis assoziierten Bakterien gegenüber Mundspülungen getestet

Das Ziel der Laborstudie war eine Evaluation der Entwicklung einer erhöhten Widerstandsfähigkeit oder gar Resistenz bestimmter Mikroorganismen gegenüber zwei gebräuchlichen Mundspüllösungen auf Chlorhexidin- oder Amin-/Zinnfluorid-Basis. Es wurden jeweils unterschiedliche Stämme des mit Parodontitis assoziierten Bakteriums Porphyromonas gingivalis beziehungsweise des mit Karies assoziierten Bakteriums Streptokokkus mutans getestet. Zunächst wurde die minimale Hemmkonzentration (MIC), das heißt die minimale Konzentration der jeweiligen Mundspüllösung, die das Wachstum der beiden Bakterien verhindert, bestimmt. Anschließend wurden die Bakterien in einer Nährstofflösung einer Konzentration der Mundspüllösung die gerade sichtbares bakterielles Wachstum auf Agarplatten noch zulässt, das ist also eine subinhibitorische Konzentration, exponiert. Nach jeder erneuten Exposition (Passage) wurde die MIC erneut bestimmt und die Bakterien wiederum einer Konzentration der jeweiligen Mundspüllösung, welches das Wachstum gerade noch zulässt, ausgesetzt. Es wurde geschaut, ob die MIC im Laufe des Experimentes Veränderungen – in dem Fall Steigerungen – unterliegt. Das würde bedeuten, dass die so „trainierten“ Bakterien widerstandfähiger gegenüber der Mundspüllösung werden. Die jeweiligen Stämme der Bakterien wurden bis zu 30 Passagen in einem sogenannten Makrodillution-Assay unterzogen.

Welche Bakterienstämme zeigten eine erhöhte Widerstandsfähigkeit oder Resistenz?

Die wiederholte Exposition der vier Streptokokkus mutans Stämme gegenüber subinhibitorischen Konzentrationen von Amin-/Zinnfluorid- oder Chlorhexidin-haltigen Mundspüllösungen zeigte keine wesentlichen Veränderungen der minimalen Hemmkonzentration. Ein differenziertes Ergebnis zeigte sich für die Porphyromonas gingivalis Stämme. Während keine relevanten Veränderungen der minimalen Hemmkonzentration nach Exposition gegenüber Amin-/Zinnfluorid haltigen Lösungen auftraten, konnte bei zwei Stämmen eine deutliche Zunahme (bis zu vierfach) der minimalen Chlorhexidin-Hemmkonzentration nach 20 bzw. 30 Passagen festgestellt werden.

Bedeutung für die Praxis: kontrollierte und zeitlich begrenzte Empfehlung zur Anwendung von Chlorhexidin

Die Entwicklungen und Gefahren durch multiresistente Erreger, hervorgerufen durch den erhöhten Antibiotikagebrauch, sind bekannt. Diese Untersuchungen zeigen nun auch die grundsätzliche Möglichkeit der Entstehung einer erhöhten Widerstandsfähigkeit bzw. Resistenz des pathogenetisch wichtigen Bakteriums Porphyromonas gingivalis gegenüber Chlorhexidin-haltigen Mundspüllösungen. Wenngleich Chlorhexidin nach wie vor den Goldstandard der chemischen Plaquekontrolle darstellt, so ist in der täglichen Praxis doch darauf zu achten, dass dies auch noch lange so bleibt. Eine kontrollierte und vor allem zeitlich begrenzte Empfehlung zur Anwendung ist daher unerlässlich. Indikationen für Chlorhexidin-haltige Produkte sind u. a. die Vermeidung oder Reduktion einer Bakteriämie oder postoperativer Infektionen des Atmungs- und Verdauungssystems, die Unterstützung der Plaquekontrolle bei körperlich eingeschränkten, systemisch erkrankten oder bei Patienten nach oral-/parodontal-chirurgischen Eingriffen. Aus diesen Überlegungen heraus sind ferner insbesondere Langzeitanwendungen niedrig konzentrierter Chlorhexidin-Produkte kritisch zu hinterfragen. Diesen Untersuchungen zufolge traten Resistenzentwicklungen bei dem getesteten Amin-/Zinnfluorid haltigen Produkt nicht auf, insofern wäre hier eine Alternative für den eher längeren Gebrauch.

Quelle:

Kulik EM, Waltimo T, Weiger R, Schweizer I, Lenkeit K, Fili-puzzi-Jenny E, Walter C. Development of resistance of mutans streptococci and Porphyromonas gingivalis to chlorhexidine digluconate and amine fluoride/stannous fluoride-containing mouthrinses, in vitro. Clin Oral Investig. 2015 Jul;19(6):1547-53.

Prof. Dr. Clemens Walter

Prof. Dr. med. dent. Clemens Walter

Abteilung für Parodontologie, Oralmedizin und Oralchirurgie Charité Centrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde

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