Finanzlage bremst Zahnarztbehandlungen: Jeder dritte Patient muss abwägen
Marzena SickingRepräsentative Patientenbefragung zeigt: Steigende Lebenshaltungskosten beeinflussen Behandlungsentscheidungen massiv. Gleichzeitig findet KI-Unterstützung in der Zahnmedizin breite Akzeptanz – unter klaren Bedingungen.
Die finanzielle Situation von Patientinnen und Patienten entwickelt sich zunehmend zum entscheidenden Faktor bei Zahnarztbehandlungen. Das zeigt der aktuelle Praxisreport 2025 von Discover Dental, für den das unabhängige Befragungsinstitut Censuswide 2.001 Personen ab 16 Jahren in Deutschland repräsentativ befragt hat.
Budget entscheidet über Behandlung: 61 Prozent finanziell unter Druck
Die Zahlen sind eindeutig: Für 61 Prozent der Befragten beeinflusst das verfügbare Budget die Entscheidung für oder gegen eine zahnmedizinische Behandlung. Rund ein Drittel der Patientinnen und Patienten muss konkret abwägen, ob Leistungen mit Eigenanteil derzeit überhaupt finanzierbar sind.
Noch gravierender: Etwa jeder fünfte Patient (21 Prozent) hat eine notwendige Zahnbehandlung bereits aus Kostengründen vertagt oder komplett abgebrochen. „Die Botschaft ist eindeutig: Ohne Kostenklarheit stockt die Versorgung“, kommentiert Nathan Münnich, Geschäftsführer von Discover Dental, die Ergebnisse.
Ratenzahlung als Lösungsansatz gefragt
Als Konsequenz wünschen sich 20 Prozent der befragten Patienten die Option der Ratenzahlung – nicht um an Qualität zu sparen, sondern um notwendige Behandlungen finanzierbar zu machen. Neben langen Wartezeiten zählen unerwartete oder unklare Kostenposten zu den größten Frustfaktoren beim Zahnarztbesuch.
„Praxen sollten Planbarkeit statt Überraschung bieten“, empfiehlt Münnich. „Preisrahmen, Eigenanteile und Alternativen früh erklären – und, wenn möglich, Ratenzahlungen anbieten. So werden wichtige Behandlungen realisierbar und nicht vertagt.“
Künstliche Intelligenz: 59 Prozent Zustimmung unter Bedingungen
Überraschend positiv fällt die Bewertung zum Einsatz Künstlicher Intelligenz in der zahnmedizinischen Praxis aus. 59 Prozent der Befragten würden eine Untersuchung und/oder Diagnose durch KI-unterstützte Systeme zulassen – allerdings nur unter der klaren Voraussetzung, dass Sicherheit gewährleistet ist und ärztliche Supervision stattfindet.
KI als Assistenz, nicht als Autopilot
Die höchste Akzeptanz findet KI dort, wo sie als „Zweitblick“ und Assistenzsystem fungiert:
Bei der Auswertung von Röntgen- und Intraoralscans
Zur Priorisierung auffälliger Befunde
Für konsistente Dokumentation
In administrativen Bereichen wie Praxismanagement und Kostenplanerstellung (über 30 Prozent positive Bewertung)
Dennoch zeigen sich 41 Prozent der Befragten derzeit noch skeptisch gegenüber KI-Einsatz. „Entscheidend ist, dass Patientinnen und Patienten verstehen, wofür KI eingesetzt wird“, betont Münnich. „Assistenz ja – Autopilot nein. Das Vertrauen gilt weiterhin den Ärztinnen und Ärzten. Wer offen aufklärt, Datenschutz erklärt und die ärztliche Entscheidungshoheit betont, macht aus Skepsis Vertrauen.“
Service schlägt Ausstattung: Die wahren Wachstumstreiber
Der Praxisreport identifiziert klare Prioritäten bei der Praxiswahl:
Top-Faktoren für Patientenbindung:
Freundliches Team: 54 Prozent
Kurze Wartezeiten: 44 Prozent
Nähe zum Wohnort: 39 Prozent
Schnelle (Online-)Terminvergabe: 37 Prozent
Technische Ausstattung und digitale Angebote sind wichtig, verstärken aber nur die Entscheidung, wenn die Basis stimmt. Unsensibles Personal ärgert 39 Prozent der Patienten am meisten – deutlich mehr als fehlende technische Ausstattung.
Terminvergabe: Same-Day bei Akutfällen gefragt
Bei akuten Beschwerden erwarten 37 Prozent der Befragten einen Termin am selben Tag. Besonders die Altersgruppe ab 55 Jahren zeigt sich ungeduldig: Jeder Zweite möchte bei akuten Problemen noch am selben Tag behandelt werden.
Für Kontrolltermine sind Patienten gelassener: Im Schnitt akzeptieren sie 28 Tage Wartezeit, wobei 17 Prozent höchstens eine Woche tolerieren. Die Investition in Online-Terminbuchungssysteme zahlt sich aus – viele Patienten wünschen sich diese Möglichkeit explizit.
Spezialisierung auf Angstpatienten: Klarer Wettbewerbsvorteil
Über 70 Prozent der Befragten würden eine auf Angstpatienten spezialisierte Praxis bevorzugen, für rund 40 Prozent ist dies sehr wichtig. Wer sein Verständnis für Angstpatienten bereits online sichtbar macht – etwa auf der Praxis-Website oder auf Ärzteportalen – senkt No-Show-Raten schon vor dem ersten Termin.
Zweitmeinung als Normalität
45 Prozent der Patienten haben bereits eine zahnmedizinische Zweitmeinung eingeholt. Dies ist kein Misstrauensvotum, sondern Teil informierter Behandlungsentscheidungen. Praxen, die „Zweitmeinung willkommen“ aktiv kommunizieren und Befunde verständlich erklären, wirken souverän und reduzieren spätere Zweifel.
Kommunikation: Telefon und E-Mail bleiben Standard
Bei der bevorzugten Kommunikation liegt das klassische Telefonat mit 38 Prozent vorn, gefolgt von E-Mail mit 30 Prozent. Messenger wie WhatsApp bevorzugen nur 15 Prozent. Telefon und E-Mail mit klaren Reaktionszeiten bilden das Fundament der Patientenkommunikation.
51 Prozent der Befragten beurteilen Nachhaltigkeitsmaßnahmen in der Praxis positiv, 46 Prozent neutral. Konkrete Maßnahmen wie die Reduktion von Einwegplastik oder papierlose Kommunikation wirken besser als bloße Versprechen. Nachhaltigkeit ist ein Sympathie-Booster, aber kein Haupttreiber der Praxiswahl.
Handlungsempfehlungen für Praxen
Der Praxisreport liefert klare Impulse für die Praxisführung:
Kostentransparenz schaffen: Eigenanteile, Preisrahmen und Alternativen frühzeitig kommunizieren
Ratenzahlung anbieten: Finanzielle Hürden für notwendige Behandlungen senken
Online-Terminvergabe ermöglichen: Patientenerwartungen erfüllen und Akquise sichern
Angstpatienten gezielt ansprechen: Verständnis online und vor Ort sichtbar machen
KI transparent einsetzen: Als Assistenzsystem mit ärztlicher Supervision und klarer Kommunikation
Service priorisieren: Freundlichkeit, Zeitmanagement und Erreichbarkeit vor technischer Ausstattung
Zur Methodik
Die Befragung wurde vom 11. bis 15. September 2025 durch das unabhängige Institut Censuswide im Auftrag der Discover DX GmbH durchgeführt. Die Stichprobe von 2.001 Personen ab 16 Jahren ist repräsentativ für die deutsche Allgemeinbevölkerung. Censuswide arbeitet nach den Standards der Market Research Society (MRS) und den ESOMAR-Prinzipien.
Den vollständigen Praxisreport finden Sie unter: Praxisreport 2025: Was Patienten bindet | Discover Dental