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VZB bestätigt ernste finanzielle Lage

Im August 2025 erhielten die Mitglieder des Versorgungswerks der Zahnärztekammer Berlin Rundschreiben, die es in sich hatten: Darin wurde offen von einer „ernsten finanziellen Lage“ des Versorgungswerks gesprochen. Als Ursachen nannte die Versorgungseinrichtung „für Rentenkassen unübliche, hochriskante und überproportionale Investments in Unternehmensbeteiligungen“ sowie „unzureichend oder gar nicht besicherte Darlehen an diese Beteiligungen und andere Unternehmen“. Die Botschaft an die Mitglieder soll unmissverständlich gewesen sein: „Wir können zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausschließen, dass es zu spürbaren Einschnitten bei Ihren Rentenansprüchen und zu höheren Beiträgen kommt.“ Für viele der rund 10.000 betroffenen Zahnärzte aus Berlin, Brandenburg und Bremen geht es damit um die Grundlage ihrer Altersvorsorge.

Schadenshöhe noch unklar – Prüfungen laufen

Wie hoch die tatsächlichen Verluste ausfallen, steht derzeit allerdings noch nicht fest. Das VZB selbst rechnet nach den bisher kommunizierten Angaben mit einem Schaden im hohen Millionenbereich. Der neu besetzte Verwaltungsausschuss des VZB und mehrere Anwaltskanzleien prüfen derzeit die tatsächlichen Verluste. Das abschließende Ergebnis wird voraussichtlich im ersten Quartal 2026 feststehen.

Das Wirtschaftsmagazin Capital berichtet unter Berufung auf eigene Recherchen allerdings von deutlich dramatischeren Zahlen: Der Abwertungsbedarf bei den Beteiligungen des VZB könnte demnach am Ende sogar bis zu einer Milliarde Euro betragen. Dies würde fast der Hälfte des Anlagevermögens von 2,2 Milliarden Euro entsprechen, aus dem das VZB die Renten seiner Mitglieder finanziert. Diese Zahl ist jedoch nicht offiziell vom VZB bestätigt.

Was über die problematischen Investments bekannt ist

Laut Medienberichten von Focus, Capital und ntv soll das VZB ab 2013 – in der Phase niedriger Zinsen – in rund zwei Dutzend Start-ups aus verschiedenen Branchen investiert haben. Dazu seien noch Beteiligungen an Immobiliengesellschaften, Fonds und Projektentwicklungen sowie Hotels und Resorts, unter anderem auf Ibiza, Sardinien und in Schottland dazugekommen sowie die Beteiligung an einem inzwischen insolventen Versicherungsunternehmen. Auch andere Firmen, an denen das VZB beteiligt gewesen sein soll, sollen inzwischen insolvent oder in finanziellen Schwierigkeiten sein. Das VZB selbst bestätigt riskante Investments. Konkrete Details hat das Versorgungswerk bislang aber nicht öffentlich gemacht.

Konkrete Folgen für die Mitglieder

Das VZB soll den Mitgliedern inzwischen auch mitgeteilt haben, dass Einschnitte bei Rentenansprüchen und höhere Beiträge „nicht auszuschließen“ seien. Bis zum Vorliegen des Jahresabschlusses 2024 werden deshalb keine Rentenanwartschaftsmitteilungen an die Mitglieder verschickt. Thomas Schieritz, Vorsitzender des VZB-Verwaltungsausschusses, bittet die Mitglieder, sich über die Website und das VZB-Mitgliederportal über die weiteren Entwicklungen zu informieren.

Bereits 2003 musste das VZB seine Renten um 16 Prozent kürzen. Die Geschichte wiederholt sich also möglicherweise, nur in deutlich größerem Ausmaß. Das genaue Ausmaß der Rentenkürzungen, die Höhe möglicher Beitragserhöhungen und der Zeitpunkt, ab dem Änderungen wirksam werden, bleiben vorerst jedoch unklar.

Um Peanuts geht es sicherlich nicht: Im Jahr 2023 betrug die durchschnittliche monatliche Rente aus berufsständischen Versorgungswerken laut ABV 2.222 Euro und war damit mehr als doppelt so hoch wie die durchschnittliche gesetzliche Rente von 1.099 Euro.

Rechtliche Aufarbeitung auf mehreren Ebenen

Das Ganze hat wohl auch ein juristisches Nachspiel. Wie die Berliner Morgenpost berichtet, ermittelt die Berliner Generalstaatsanwaltschaft wegen des Anfangsverdachts der Vorteilsnahme und Bestechlichkeit gegen ehemalige Gremienmitglieder des VZB. Parallel dazu laufen zivilrechtliche Prüfungen. Das VZB teilte auf Anfrage von Capital mit, es würden vor allem Ansprüche gegen seine früheren Amtsträger geprüft. Nach Medienberichten prüfen Anwälte zudem Haftungsansprüche gegen frühere Vorstände und für die Veranlagung Verantwortliche, mögliche Ansprüche gegen Wirtschaftsprüfer, die Jahresabschlüsse testiert haben, sowie Staatshaftungsansprüche gegen die Berliner Senatsverwaltung gemäß § 839 BGB.

Was können betroffene Zahnärztinnen und Zahnärzte tun?

Die Berliner Kanzlei Dr. Späth & Partner Rechtsanwälte, die sich nach eigenen Angaben seit rund 23 Jahren schwerpunktmäßig im Bank- und Kapitalmarktrecht engagiert, empfiehlt betroffenen Zahnärztinnen und Zahnärzten mehrere Schritte: Sie sollten alle Unterlagen zu Beitragszahlungen und Rentenanwartschaften aufbewahren und ihre Rechtsschutzversicherung prüfen, ob diese Kosten für rechtliche Schritte übernimmt. Zudem rät die Kanzlei, mögliche Schadensersatzansprüche durch Fachanwälte prüfen zu lassen, das VZB-Mitgliederportal und offizielle Statements zu verfolgen und an Vertreterversammlungen teilzunehmen.

Nicht das einzige Versorgungswerk mit Verlusten

Der Fall ist extrem, aber nicht einzigartig: Auch andere Versorgungswerke haben Verluste zu verzeichnen. Der Vorsitzende des Altersversorgungswerks der Zahnärztekammer Niedersachsen (AZN), Reinhard Urbach, gab bei der vergangenen Mitgliederversammlung bekannt, dass das AZN im Jahr 2023 Verluste von 45 Millionen Euro erlitten habe. Davon entfielen laut dieser Angabe 13,8 Millionen Euro auf die Pleite des Signa-Konzerns des österreichischen Investors René Benko.

Die Medizinjournalistin Alina Durach (DocCheck) kommentiert die Entwicklung entsprechend kritisch und vor allem treffend: Die Krise zeige, dass das Modell der Versorgungswerke nicht automatisch sicherer sei als die gesetzliche Rente. Sie weist auch darauf hin, dass „Ehrenamtliche ohne professionelle Finanzexpertise in Gremien sitzen, die über hochkomplexe Anlageentscheidungen bestimmen“. Dies sei ein „Nährboden für Fehlentscheidungen“.

Mögliche Ursachen: Niedrigzinspolitik als Treiber?

Von etwa 2015 bis 2022 herrschte in Europa eine Phase historisch niedriger Zinsen. Die Rendite deutscher Bundesanleihen sank zeitweise in den Negativbereich. Sichere Anlagen warfen kaum noch Erträge ab. Focus und Capital führen diese Niedrigzinsphase als einen Haupttreiber für riskantere Investments an. Um die Rentenansprüche ihrer Mitglieder weiter bedienen zu können, hätten Versorgungswerke nach renditestärkeren, aber auch riskanteren Alternativen gesucht. Dies ist jedoch eine Interpretation von Medien – nicht eine offizielle Begründung des VZB.

Fazit: Unsicherheit bleibt

Für die rund 10.000 betroffenen Zahnärztinnen und Zahnärzte bedeutet die Situation vor allem eines: Unsicherheit. Gesichert ist: Es wird zu Einschnitten kommen – das VZB selbst schließt Rentenkürzungen und Beitragserhöhungen nicht aus. Das genaue Ausmaß wird sich erst 2026 zeigen. Die Krise wirft grundsätzliche Fragen zur Kontrolle, Transparenz und Anlagepraxis berufsständischer Versorgungswerke auf – Fragen, die über den Einzelfall Berlin hinaus für die gesamte Branche relevant werden könnten.

Quellen:

Capital

Focus

ntv

Berliner Morgenpost

ABV

Dr. Späth & Partner Rechtsanwälte

DocCeck

IUZB