Eine unverzichtbare Disziplin: Bewertungsmanagement in der Zahnarztpraxis
D&W RedaktionDigitale Sichtbarkeit wird immer mehr zur Überlebensfrage für Zahnarztpraxen. Alles spielt sich heute online ab – von der Zahnarztsuche bis zur finalen Terminbuchung. Besonders Google nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein. Entscheidend ist, wie gut eine Zahnarztpraxis lokal auffindbar ist – also, an welcher Position sie in den „Orte“-Einträgen der Suchergebnisse erscheint. Doch Sichtbarkeit allein reicht nicht: Auch der Ruf zählt. Patientenbewertungen beeinflussen maßgeblich das Vertrauen und die Entscheidung potenzieller Neupatientinnen und Neupatienten. Wie Zahnarztpraxen ein effektives Bewertungsmanagement aufbauen können, darüber haben wir mit dem Experten Emmanuel Croué gesprochen.
Was genau bedeutet Bewertungsmanagement?
Es geht darum, Patienten-Bewertungen proaktiv zu überwachen, darauf zu antworten und immer wieder neue Rezensionen zu generieren.
Welches Portal soll in den Fokus rücken?
Mittlerweile sehen wir denselben Trend wie bei der Nutzung von Suchmaschinen: Google hat sozusagen auch das Monopol im Bereich der Bewertungsportale. Hätten Sie mir die Frage vor zehn Jahren gestellt, wäre Jameda als wichtiges Portal genannt worden. Google hat allerdings den Markt auf den Kopf gestellt und Konkurrenten in den Hintergrund verdrängt. Das bedeutet aber nicht, dass die damals geleistete Arbeit heute wertlos ist. Alle gesammelten Bewertungen bei Jameda, Sanego & Co. lassen sich nach wie vor wunderbar aggregieren und z. B. auf der jeweiligen Praxis-Website abbilden.
Warum sind Patienten-Bewertungen so wichtig?
Ich gebe Ihnen gerne ein Beispiel. Nach dem Joggen am vergangenen Wochenende haben Sie Schmerzen in der Wade und fragen Ihre beste Freundin nach einem guten Orthopäden. Was machen Sie als Erstes? Richtig: Sie googeln. Obwohl Sie Ihrer Freundin vollkommen vertrauen, möchten Sie zusätzliche Informationen einholen –sogenannte „weiche Faktoren“ zur Praxis. Wie wirkt der Online-Auftritt? Was sagt mein Bauchgefühl?
Das Google-Profil und die dort hinterlegten Bewertungen liefern genau diese Eindrücke. Eine deutlich negative Bewertung kann dabei schnell Zweifel wecken, selbst bei einer persönlichen Empfehlung. Im Grunde sucht der Patient nach einer emotionalen Bestätigung für die Empfehlung.
Welche ist die ideale Google-Note? Ist eine glatte Fünf wirklich das Ziel?
Nicht zwingend. Eine Bewertung von 5,0 schadet zwar nicht, doch Patienten wissen: Zufriedenheit und Servicequalität sind subjektiv und werden individuell wahrgenommen. Was für den einen überzeugend ist, reicht dem anderen womöglich nicht aus. Kritisch wird es jedoch, wenn sichtbare Google-Bewertungen dauerhaft im Bereich von etwa 3,0 liegen. Solche Durchschnittswerte wirken schnell wie ein selbst bestätigtes Urteil der Praxis: „Wir sind mittelmäßig“. Laut einer Studie liegt die ideale Note zwischen 4,2-4,5 Sternen.
Und wie viele Bewertungen sind erforderlich?
Ab etwa 40 Bewertungen wird die Google-Note von den meisten Nutzern als glaubwürdig angesehen. Doch heißt das, dass man danach mit dem Sammeln neuer Bewertungen aufhören sollte? Ganz klar: Nein. Denn Google entfernt regelmäßig Bewertungen, beispielsweise, wenn inaktive Nutzerkonten gelöscht werden. In solchen Fällen verschwinden auch die zugehörigen Bewertungen. Zudem besteht jederzeit das Risiko, dass neue, weniger positive Bewertungen hinzukommen. Wer kontinuierlich für frische und positive Rückmeldungen sorgt, schützt also nicht nur den Schnitt, sondern stärkt langfristig den Online-Ruf der Praxis.
Haben die Bewertungen Einfluss auf das Google-Ranking?
Wer mit seiner Praxis unter „Orte“ in den Google-Suchergebnissen besser gefunden werden möchte, sollte aktiv auf seine Bewertungen achten, denn Google bezieht Bewertungen in das Ranking für lokale Suchergebnisse mit ein. Eine hohe Anzahl positiver Bewertungen kann die Platzierung deutlich verbessern. Zudem analysiert Google das Nutzerverhalten, etwa, wie oft Bewertungen angeklickt werden oder wie lange Interessenten auf dem Profil verweilen. Gepflegte Bewertungen wirken also nicht nur vertrauensfördernd, sondern steigern auch die Sichtbarkeit im Netz.
Wie lässt sich ein Bewertungsmanagement sinnvoll strukturieren und in den Alltag integrieren?
Ein praxisnaher Ansatz ist das AGIR-Prinzip – vier Schritte, die Orientierung geben und den Handlungsrahmen setzen.
Wie funktioniert das AGIR-Prinzip?
A wie Aggregieren – alles auf einen Blick
In Zeiten, in denen Google klar im Mittelpunkt steht, lohnt es sich, alle Bewertungen zentral zu bündeln. Hierfür gibt es professionelle Tools, die Bewertungen aus unterschiedlichen Portalen zusammenführen und als Bewertungssiegel auf der Praxis-Website einbinden. Das schafft Transparenz für potenzielle Neupatienten, ohne dass sie mühsam mehrere Plattformen durchsuchen müssen. Gleichzeitig behalten Praxisteams ihre Online-Reputation an einem Ort im Blick und können gezielt darauf reagieren.
G wie Generieren – eine aktive Bewertungskultur aufbauen
Wie gelingt es, regelmäßig neue Bewertungen zu erhalten? Authentische Patientenmeinungen sind essenziell, um ein glaubwürdiges Bild der Praxis zu vermitteln. Dabei gilt: Nur echte, ehrlich abgegebene Bewertungen schaffen Vertrauen.
Besonders effektiv hat sich der Versand von Bewertungsanfragen per SMS erwiesen. Im Vergleich zur E-Mail ist die Mobilnummer meist verifiziert und SMS werden mit einer Öffnungsrate von bis zu 98 % deutlich häufiger gelesen als E-Mails, die im Schnitt nur etwa 20 % erreichen.
Studien zeigen: Rund 70 % der Patienten sind grundsätzlich bereit, eine Bewertung abzugeben – vor allem, wenn sie freundlich und direkt darauf angesprochen werden. Der ideale Moment ist unmittelbar nach der Behandlung. So entsteht eine nachhaltige Bewertungskultur, ganz ohne Druck oder unlautere Methoden.
I wie Informieren – den Überblick behalten
Ob aktiv gesteuert oder nicht: Ihre Praxis wird bewertet. Diese Tatsache ist unumgänglich, es sei denn, Sie löschen Ihr Google-Profil und verzichten damit auf wertvolle Online-Sichtbarkeit. Umso wichtiger ist es, über neue Bewertungen stets informiert zu bleiben.Zuverlässige Monitoring-Tools benachrichtigen Sie automatisch, sobald neue Bewertungen eingehen. Zusätzlich empfiehlt es sich, im Team eine zuständige Person für das Thema Online-Reputation zu benennen. Ohne klare Zuständigkeit gerät das Thema im Praxisalltag schnell in den Hintergrund und wertvolle Chancen zur Reaktion oder zur Optimierung bleiben ungenutzt.
R wie Reagieren – Haltung zeigen
Ob Lob oder Kritik – auf Bewertungen zu reagieren ist heute ein zentraler Bestandteil moderner Patientenkommunikation. Wer Rückmeldungen ernst nimmt und darauf eingeht, zeigt Wertschätzung, Offenheit und Verantwortungsbewusstsein. Das gilt besonders für negative Bewertungen. Hier kommt es auf eine sachliche, ruhige und respektvolle Antwort an. Emotionale oder abwehrende Reaktionen sind zu vermeiden. Ziel ist es, Verständnis zu zeigen und die eigene Sichtweise darzulegen, ohne dabei Behandlungsdetails zu nennen, um die ärztliche Schweigepflicht zu wahren.
Eine zeitnahe Reaktion sendet ein klares Signal: Diese Praxis nimmt Rückmeldungen ernst. Schweigen hingegen kann leicht als Desinteresse oder sogar als stille Zustimmung der Kritik interpretiert werden. Schon eine kurze Antwort wie „Wir bedauern Ihre Erfahrung und würden das Gespräch gerne persönlich suchen“, kann Vertrauen schaffen.
Dafür gibt es heute auch KI-gestützte Tools, die auf Basis des Bewertungstexts empathische und professionelle Antwortvorschläge liefern. Das spart Zeit und unterstützt das Team dabei, den richtigen Ton zu treffen.
Sollte man negative Bewertungen besser kommentieren oder ignorieren?
Sie können sich das ähnlich wie mit einer unbeantworteten Patientenanfrage vorstellen – wird nicht darauf eingegangen, vermittelt es nach außen ein falsches Bild. Eine klug formulierte Antwort hingegen bietet sogar die Chance, trotz Kritik die Praxisvorteile hervorzuheben. Ein Beispiel: „Wir arbeiten mit einem strukturierten Terminmanagement, um Wartezeiten zu minimieren.“ So wird eine Kritik im Idealfall zum Anlass, ein Alleinstellungsmerkmal sichtbar zu machen.
Können negative Bewertungen auch gelöscht werden?
Grundsätzlich ist das möglich. Seit einem BGH-Urteil vom 9. August 2022 können Bewertungen gelöscht werden, wenn sie gegen die Google-Richtlinien verstoßen – insbesondere dann, wenn keine echte Patientenbeziehung besteht oder falsche Tatsachen behauptet werden. Zwar kann über das Praxisprofil ein Löschantrag gestellt werden, doch dieser bleibt oft erfolglos. Der rechtlich fundierte Weg ist in der Regel effektiver: Google prüft dann, ob ein echter Behandlungskontakt stattgefunden hat. Reagiert der Verfasser nicht innerhalb der gesetzten Frist, wird die Bewertung gelöscht. Meldet er sich zurück, wird eine konkrete Kontakthistorie eingefordert.
Wie sieht ihre konkrete Handlungsempfehlung aus?
Jede Praxis sollte das Thema Bewertungsmanagement aktiv angehen. Es empfiehlt sich, eine zuständige Person im Team zu benennen, die zeitnah auf alle Bewertungen reagiert – sowohl auf positive als auch auf kritische Rückmeldungen. Auch das kontinuierliche Generieren neuer Bewertungen sollte als strategisches Ziel definiert werden. Denn Rezensionen sind nicht nur ein Vertrauenssignal, sondern auch ein relevanter Ranking-Faktor.
Nicht zuletzt gilt: Wie wir mit öffentlicher Kritik umgehen, sagt oft mehr über uns aus als die Kritik selbst.
Emmanuel Croué (Foto: praxiskom)
Emmanuel Croué ist Gründer der praxiskom GmbH mit über 20-jähriger Erfahrung in Patienten- und Mitarbeitergewinnung, Neugründung und Praxisübernahme.