So beraten Sie Ihre Patienten typgerecht
Christine Moser-FeldhegeProfessionelle Patientenberatung – sei es durch den Zahnarzt oder die Zahnärztin selbst, durch geschulte Patientenberater oder durch das Praxisteam – braucht eine klare Struktur. Dabei ist es wichtig, auf die unterschiedlichen Kommunikationsbedürfnisse der verschiedenen Patiententypen einzugehen. Beratungsgespräche sollten, um erfolgreich zu sein, verschiedene Gesprächsphasen umfassen – von der Gesprächsvorbereitung über den Service- und Beratungsteil bis hin zur Nachbereitung.
Strukturell hat jedes Beratungsgespräch acht Gesprächsphasen (siehe Infobox). Es ist wichtig, keine dieser Phasen zu vernachlässigen oder gar auszulassen. Das gilt besonders für die Bedarfsanalyse. Doch abgesehen von den Bedürfnissen hinsichtlich des Zahnersatzes, geht es vor allem auch darum, die kommunikativen Bedürfnisse zu beachten und zu „befriedigen“.
Um die kommunikativen Bedürfnisse zu erkennen und typgerecht mit den unterschiedlichen Patienten zu kommunizieren, eignet sich das DISG-Modell (siehe Grafik). Es ist das meistgenutzte Persönlichkeitsmodell in Deutschland, weil es Verhaltenstendenzen nicht wertend verdeutlicht. Es handelt sich vielmehr um beobachtbares Verhalten. Das DISG-Modell verdeutlicht die unterschiedlichen Verhaltensweisen der verschiedenen Charaktere und hilft somit, diese besser zu verstehen und sich kommunikativ darauf einzustellen. Das Resultat ist eine konflikt-ärmere Kommunikation, z. B. mit Mitarbeitenden, und eine effektivere Beratung. Im Folgenden wird dargestellt, wie sich die verschiedenen Verhaltenstendenzen der Patienten unterscheiden und welche Kommunikationsempfehlungen für die jeweiligen Verhaltenstendenzen D, I, S, G geeignet sind.
Gesprächsbausteine eines Beratungsgesprächs
1. Vorbereitung
2. Begrüßung
3. Beziehungsaufbau
4. Bedarfsanalyse
5. Fachlicher Service- und Beratungspart
6. Verbindlicher Gesprächsabschluss
7. Verabschiedung
8. Nachbereitung
Dominanz (D)
Kommunikationsstil: Verwenden Sie eine klare, zielgerichtete Sprache und bieten Sie kurze, prägnante Informationen. Betonen Sie den praktischen Nutzen der vorgeschlagenen Maßnahmen, um die intrinsische Motivation des Patienten zu aktivieren.
Behandlungsplan: Geben Sie dominanten Patienten zwei bis maximal drei klare Wahlmöglichkeiten. Sie sollten ihn oder sie auf keinen Fall versuchen in seiner/ihrer Entscheidung zu beeinflussen. Betonen Sie eher noch die Autonomie der Entscheidung. Patienten mit dominanten Verhaltenstendenzen schätzen es, wenn sie das Gefühl haben, die komplette Kontrolle über ihre Gesundheitsentscheidungen zu haben.
Reaktion auf Widerstand: Bei Widerstand oder Skepsis sollte der Fokus auf logische Argumente und den potenziellen Erfolg der Behandlung gelegt werden. Vermeiden Sie es, ihnen das Gefühl zu geben, dass sie „gezwungen“ werden.
Initiative (I)
Kommunikationsstil: Setzen Sie auf einen offenen, freundlichen Ton. Nutzen Sie eine positive und motivierende Sprache, um den Patienten zu ermutigen und zu inspirieren. Lassen Sie dem Patienten auch genügend Raum, um seine Gedanken zu formulieren.
Behandlungsplan: Integrieren Sie soziale Aspekte in den Behandlungsplan, wie etwa die Einbeziehung von Unterstützungsgruppen oder der Familie. Dies kann helfen, ihre Motivation zu stärken. Die initiative Verhaltenstendenz entscheidet meist schnell, achten Sie hierbei auf einen verbindlichen Abschluss.
Reaktion auf Widerstand: Hier ist es wichtig, empathisch und unterstützend zu reagieren. Verwenden Sie Geschichten oder Beispiele, um den Patienten zu überzeugen.
Stetigkeit (S)
Kommunikationsstil: Eine ruhige, beständige und geduldige Kommunikation ist entscheidend. Achten Sie darauf, dass der Patient sich sicher und verstanden fühlt. Stetige Patienten brauchen viel Empathie und Wertschätzung.
Behandlungsplan: Sie bevorzugen einen Schritt-für-Schritt-Plan mit nachvollziehbaren Behandlungsschritten. Vermitteln Sie unbedingt Sicherheit für jeden der Behandlungsschritte. Sollten Veränderungen oder Abweichungen notwendig werden, gehen Sie hier sehr behutsam vor und begründen die Veränderungen gut.
Reaktion auf Widerstand: Bei Widerstand sollten Sie ruhig und verständnisvoll vorgehen, Ängste ernst nehmen und dem Patienten Zeit geben, sich mit neuen Informationen auseinanderzusetzen.
Gewissenhaftigkeit (G)
Kommunikationsstil: Hier sollten Sie detaillierte, gut strukturierte Informationen bereitstellen. Seien Sie gut vorbereitet, Fragen im Detail zu beantworten und alle Aspekte gründlich zu erklären.
Behandlungsplan: Ein strukturierter Plan mit klaren Zielen und Maßnahmen ist hier entscheidend. Diese Patienten schätzen es, wenn sie wissen, was sie wann und wie zu tun haben.
Reaktion auf Widerstand: Bei Widerstand sollten Sie sachliche, evidenzbasierte Argumente verwenden und gegebenenfalls wissenschaftliche Studien oder Daten zur Unterstützung Ihrer Aussagen heranziehen.
Differenzierte Bedürfnisanalyse
Eine differenzierte Analyse der Bedürfnisse der Patienten ist essenziell, um das DISG-Modell effektiv einzusetzen:
Patienteninterviews: Verwenden Sie gezielte Fragen, um den Verhaltensstil des Patienten zu identifizieren. Fragen wie „Wie gehen Sie in der Regel mit Herausforderungen um?“ oder „Was ist Ihnen bei Ihrer Behandlung besonders wichtig?“ können Aufschluss über den Verhaltensstil geben.
Beobachtung und Reflexion: Beobachten Sie die nonverbale Kommunikation des Patienten sowie seine Reaktionen auf verschiedene Kommunikationsstile. Reflektieren Sie, wie der Patient auf direkte versus indirekte Kommunikation, auf detaillierte versus grobe Informationen und auf emotionales versus sachliches Feedback reagiert.
Feedback-Schleifen: Implementieren Sie regelmäßige Feedback-Schleifen, um zu überprüfen, ob die gewählte Kommunikationsstrategie effektiv ist und wie der Patient auf den Behandlungsplan reagiert. Dies kann durch Nachfragen oder standardisierte Zufriedenheitsbefragungen erfolgen.
Aufbau von Vertrauen und Empathie
Vertrauen und Empathie sind zentrale Elemente in der Patientenberatung und können durch den gezielten Einsatz des DISG-Modells gestärkt werden:
Individuelle Ansprache: Patienten fühlen sich verstanden und respektiert, wenn der Berater ihren bevorzugten Kommunikationsstil nutzt. Dies fördert das Vertrauen und die Bereitschaft, dem Behandlungsplan zu folgen.
Empathie: Zeigen Sie Empathie, indem Sie auf die emotionalen Bedürfnisse der Patienten eingehen. Ein dominanter Patient könnte Empathie darin sehen, dass seine Zeit respektiert wird und Entscheidungen direkt angesprochen werden, während ein stetiger Patient Wert auf eine warmherzige und geduldige Ansprache legt.
Vertrauensaufbau durch Konsistenz: Besonders für stetige und gewissenhafte Patienten ist Konsistenz im Verhalten des Beraters wichtig. Konsistente Aussagen und Handlungen schaffen ein Gefühl von Sicherheit.
Schulung und Weiterbildung des medizinischen Personals
Das gesamte medizinische Personal sollte umfassend im Umgang mit dem DISG-Modell geschult werden, um eine konsistente Anwendung im gesamten Behandlungsteam zu gewährleisten:
Schulungsprogramme: Regelmäßige Schulungen und Workshops können das Verständnis für das DISG-Modell vertiefen und das Personal darin schulen, Verhaltensstile schnell zu erkennen und entsprechende Kommunikationsstrategien zu entwickeln.
Teamabstimmung: Stellen Sie sicher, dass das gesamte Team – von angestellten Zahnärzten über zahnmedizinisches Fachpersonal bis hin zu Verwaltungsmitarbeitern – eine gemeinsame Sprache und Vorgehensweise entwickelt. Dies ist besonders wichtig, um dem Patienten ein einheitliches und abgestimmtes Betreuungserlebnis zu bieten.
Fallbesprechungen: Nutzen Sie Fallbesprechungen, um herausfordernde Patientenfälle im Team zu diskutieren und gemeinsam zu überlegen, wie das DISG-Modell optimal angewendet werden kann.
Berücksichtigung kultureller und sozialer Unterschiede
Kulturelle und soziale Unterschiede können den Verhaltensstil beeinflussen und sollten in der Anwendung des DISG-Modells berücksichtigt werden:
Kulturelle Sensibilität: Verstehen Sie, dass bestimmte Verhaltensweisen kulturell geprägt sein können. Zum Beispiel könnten in einigen Kulturen dominantes Verhalten als unhöflich oder respektlos empfunden werden, während in anderen Kulturen eine zurückhaltende Stetigkeit als Schwäche angesehen werden könnte.
Soziale Kontexte: Der soziale Hintergrund des Patienten kann ebenfalls den bevorzugten Kommunikationsstil beeinflussen. Berücksichtigen Sie den Bildungshintergrund, berufliche Erfahrungen und den sozialen Status, um ein vollständigeres Bild des Patienten zu erhalten.
Langfristige Patientenbeziehung und Compliance
Eine langfristige Anwendung des DISG-Modells kann helfen, die Patientenbindung zu stärken und die Compliance zu verbessern:
Langfristige Betreuung: Nutzen Sie das DISG-Modell, um eine langfristige und stabile Beziehung zum Patienten aufzubauen. Indem Sie den Verhaltensstil im Verlauf der Behandlung immer wieder reflektieren und anpassen, können Sie die Zufriedenheit und das Vertrauen des Patienten langfristig sichern.
Compliance-Strategien: Entwickeln Sie auf Grundlage des Verhaltensstils spezifische Strategien zur Verbesserung der Compliance. Beispielsweise könnten dominanten Patienten klare Zielsetzungen und Fortschrittsmessungen helfen, während stetige Patienten durch kontinuierliche emotionale Unterstützung zur langfristigen Therapieanpassung motiviert werden.
Fazit: Das DISG-Modell in der Patientenberatung anwenden
Die tiefgehende Anwendung des DISG-Modells in der Patientenberatung ermöglicht eine sehr präzise und individualisierte Betreuung. Indem Sie das Modell nicht nur als Werkzeug zur Typisierung, sondern als dynamischen Ansatz zur kontinuierlichen Anpassung und Verbesserung der Beratung verstehen, können Sie das Vertrauen der Patienten stärken, ihre Bedürfnisse besser erfüllen und die Qualität der Betreuung nachhaltig verbessern. Schulungen, kulturelle Sensibilität und ein ganzheitlicher, empathischer Ansatz sind entscheidend, um die Stärken des Modells voll auszuschöpfen und gleichzeitig dessen Grenzen zu respektieren.