Wirtschaftsnachrichten für Zahnärzte | DENTAL & WIRTSCHAFT
Recht & Steuern

Das deutsche Kündigungsschutzrecht gehört zu den arbeitnehmerfreundlichsten der Welt. Unternehmen, und damit auch Zahnarztpraxen, die mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigen, brauchen stets einen triftigen Grund, um einen Arbeitnehmer vor die Tür zu setzen. Zudem gewährt das Gesetz besonders schützenswerten Personengruppen – etwa Schwangeren, Schwerbehinderten und Mitarbeitern in Elternzeit – zusätzliche Sicherheiten. Wohl auch deshalb hält sich hartnäckig das Gerücht, dass Arbeitnehmer mit gesundheitlichen Problemen vor einem Rauswurf gefeit sind. Tatsächlich ist die Rechtslage allerdings deutlich komplizierter.

Kann man während einer Krankheit gekündigt werden?

Klare Antwort: Ja. Die Möglichkeit besteht unabhängig davon, ob der oder die Betreffende nur eine schwere Erkältung auskuriert oder gerade eine Chemotherapie durchleiden muss. Doch auch wenn es keine Kündigungssperre qua Krankheit gibt: Die allgemeinen Regeln des Kündigungsschutzgesetzes gelten trotzdem weiter. Der Chef muss also bestimmte Voraussetzungen erfüllen, wenn er sich von kranken Mitarbeitern trennen will.

Wann ist eine Krankheit ein Kündigungsgrund?

Im Wesentlichen sind zwei Konstellationen denkbar. Die Erste: häufige Kurz-Erkrankungen. Die Zweite: besonders langwieriges Gebrechen. Damit ein krankheitsbedingter Rauswurf vor Gericht Bestand hat, sind allerdings mehrere Voraussetzungen zu erfüllen.

  • Der Chef muss Grund zu der Annahme haben, dass sich der Gesundheitszustand des fraglichen Mitarbeiters auch in Zukunft nicht bessern wird. Diese „negative Gesundheitsprognose“ muss er zudem vor Gericht belegen können.
  • Die Abwesenheit des oder der Betreffenden muss die Arbeitgeberinteressen erheblich beeinträchtigen. Und:
  • Die Weiterbeschäftigung muss eine unzumutbare Belastung für den Arbeitgeber darstellen.

Bei häufigen Kurzerkrankungen lassen sich diese Nachweise noch vergleichsweise leicht erbringen. In einer Praxis, in der immer wieder unerwartet ein Teammitglied fehlt, müssen wahlweise die Kollegen Überstunden machen oder Patienten umbestellt werden.

Fällt ein angestellter Kollege oder eine ZFA hingegen länger aus, müssen Praxischef einen deutlich höheren Aufwand betreiben: Denn wer wegen eines Bandscheibenleidens oder psychischer Probleme für mehrere Monate ausfällt, lässt sich nicht nur leichter ersetzen.  Er kostet den Arbeitgeber auch kein Geld mehr, da dieser nur in den ersten sechs Wochen einer Krankheit den Lohn weiterbezahlen muss.

Warum Kündigung immer nur das letzte Mittel sein darf

Schließlich muss der krankheitsbedingte Rauswurf das letzte verbleibende Mittel zur Auflösung des Konflikts darstellen. Bevor Arbeitgeber sich von gesundheitlich angeschlagenen Mitarbeitern trennen dürfen,müssen sie erst einmal einen leidensgerechten Arbeitsplatz anbieten. Versäumt es der Praxischef, ein solches Gespräch anzuregen, bevor er krankheitsbedingt kündigt, haben angestellte Zahnärzte und ZFA gute Chancen, den Rauswurf vor Gericht zu Fall zu bringen (vgl. BAG, Az.  2 AZR 755/13).

Wann muss der Chef vor der Kündigung eine Abmahnung aussprechen?

Um diese Frage zu beantworten, lohnt es sich, den Sinn der Abmahnung etwas genauer zu beleuchten. Sie gilt gemeinhin als „gelbe Karte“ für den betreffenden Arbeitnehmer. Dabei hat sie vor allem zwei Funktionen.

  • Ersten macht der Chef durch die Abmahnung deutlich klar, dass er mit dem Verhalten oder den Leistungen eines Mitarbeiters nicht einverstanden ist (Missbilligung).
  • Zudem muss die Abmahnung selbst klar machen, dass der Arbeitnehmer dieses Fehlverhalten abstellen muss, wenn er seinen Job behalten will. Der Arbeitgeber warnt als vor einer bevorstehenden Kündigung. Er gibt dem betreffenden Kollegen aber die Möglichkeit, sich zu bessern.

Eine solche Möglichkeit zur Besserung besteht aber nur in Fällen, in denen der Delinquent sein Verhalten bewusst beeinflussen kann – also bei verhaltensbedingten Kündigungen.

Eine krankheitsbedingte Kündigung ist dagegen personenbedingt. Schließlich ist eine Krankheit nichts, was sich mit ausreichender Mühe abstellen lässt. Eine Abmahnung ist im Vorfeld einer krankheitsbedingten Kündigung daher sinnlos – und entbehrlich.