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ICD-10 in der Zahnarztpraxis
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Seit mehr als 25 Jahren ist die ICD-10 das weltweit genutzte System zur Klassifikation medizinischer Diagnosen – auch in der Zahnmedizin. Doch die nächste Generation steht bereit: Mit der ICD-11 hat die WHO eine vollständig überarbeitete Version veröffentlicht, die international bereits in der Einführung ist. In Deutschland ist der Rollout noch in Planung, aber niedergelassene Zahnärztinnen und Zahnärzte tun gut daran, sich frühzeitig mit den grundlegenden Änderungen vertraut zu machen.

Was ist die ICD-11 – und warum wurde sie entwickelt?

Die ICD-11 ist die elfte Revision der International Classification of Diseases, herausgegeben von der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Sie wurde vollständig digital konzipiert, ist mehrsprachig angelegt und basiert auf einer deutlich erweiterten, flexibleren Klassifikationslogik.

Ziele der ICD-11:

  • Bessere klinische Relevanz

  • Digitale Interoperabilität (FHIR-kompatibel)

  • Höhere Spezifität der Diagnosen

  • Flexiblere Kodierlogik (multiple Elternschaft, postkoordiniert)

  • Einheitliche Nutzung in Klinik, Praxis, Forschung und Public Health

Im Gegensatz zur ICD-10 ist die ICD-11 kein reines Hierarchiesystem mehr, sondern erlaubt modular aufgebaute Diagnosen mit Zusatzinformationen – z. B. zu Lokalisation, Ursache, Verlauf oder Schweregrad.

Zeitplan: Wann kommt die ICD-11 nach Deutschland?

Obwohl die ICD-11 von der WHO bereits 2022 zur Nutzung freigegeben wurde, ist die Einführung in Deutschland noch nicht erfolgt. Zuständig ist hier das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), das derzeit die nationale Adaption vorbereitet.

Aktueller Stand (2025):

  • Die ICD-11 soll ab ca. 2028 die ICD-10-GM ablösen.

  • Vorher sind Testläufe, Schulungen und Systemanpassungen notwendig.

  • Die Nutzung wird auch für Zahnärzte verbindlich, sobald die ICD-10-GM ersetzt wird.

Es ist davon auszugehen, dass in der zahnärztlichen Praxisverwaltung schrittweise Umstellungen erfolgen – ähnlich wie bei früheren Versionen, jedoch mit größerem Anpassungsaufwand aufgrund der neuen Struktur.

Was ändert sich mit ICD-11 für die Zahnmediziner?

Die ICD-11 bringt insbesondere in folgenden Bereichen relevante Neuerungen für Zahnärzte:

  1. Mehr zahnmedizinische Diagnosen: Erkrankungen der Mundhöhle, des Zahnhalteapparates und des Kausystems sind deutlich detaillierter abgebildet – einschließlich eigenständiger Kodierung für Periimplantitis, Zahnanomalien, Zahndurchbruchsstörungen u.v.m.

  2. Mehrdimensionale Kodierung: Diagnosen können mit sogenannten „extension codes“ erweitert werden – z. B. um Lokalisation, Verlauf, Auslöser oder späterale Seite. Das erlaubt differenziertere Dokumentation bei z. B. Karies an Zahn 36 mesial.

  3. Digitale Kodierplattform: Die ICD-11 ist über eine Online Coding Tool-Plattform der WHO verfügbar und soll vollständig in digitale Systeme integriert werden (inkl. ePA, KIM, eVerordnung etc.).

  4. Harmonisierung mit SNOMED CT und anderen Systemen: Die ICD-11 ist so konzipiert, dass sie sich besser mit klinischen Begriffssystemen und internationalen Standards (z. B. HL7 FHIR) verknüpfen lässt.

Vorbereitung auf ICD-11: Was können Praxen schon jetzt tun?

Auch wenn die Einführung in Deutschland noch bevorsteht, können sich Zahnärzte strategisch vorbereiten:

  • Grundverständnis aufbauen: Die WHO bietet kostenfrei Zugriff auf das Coding Tool und Schulungsmaterialien.

  • Praxissoftware beobachten: Prüfen, ob der Anbieter langfristig ICD-11-kompatibel arbeitet.

  • Dokumentationsstruktur schärfen: Wer heute schon systematisch nach ICD-10 kodiert, wird sich in der ICD-11 leichter zurechtfinden.

  • Team schulen: Frühzeitige Fortbildungen zu digitaler Kodierung und Interoperabilität lohnen sich – gerade für größere Praxen oder MVZs.

  • Testsysteme nutzen (sobald verfügbar): In Pilotphasen werden Demosysteme für Fachgruppen bereitgestellt – eine ideale Chance zum Einstieg.

ICD-10 und ICD-11: Was ist der wichtigste Unterschied?

Mit der ICD-11 beginnt auch für die Zahnmedizin ein neues Kapitel: weg von starren Klassifikationen, hin zu dynamischen, digitalen Kodiersystemen, die klinische Realität besser abbilden und die Praxis mit dem vernetzten Gesundheitssystem verbinden.

Quelle:

BfArM, WHO

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