ICD-10 in der Zahnarztpraxis: Häufige Kodierfehler und wie man sie vermeidet
Marzena SickingWelche Fehler treten bei der ICD-10-Kodierung in Zahnarztpraxen häufig auf? Dieser Beitrag zeigt die typischen Probleme – und wie Sie und Ihre Mitarbeiter diese vermeiden können.
Obwohl die ICD-10-Kodierung auch in der Zahnmedizin längst vorgeschrieben und technisch in den meisten Praxisverwaltungssystemen hinterlegt ist, zeigt sich im Praxis-Alltag: Es wird oft falsch oder unvollständig kodiert. Die Ursachen sind vielfältig: von fehlender Schulung über Systemgrenzen bis hin zu Missverständnissen im Umgang mit der Klassifikation ist alles dabei. Viele dieser Fehler lassen sich allerdings vermeiden.
Fehlerquelle 1 bei Kodieren: Verwendung unvollständiger oder zu allgemeiner Codes
Ein weit verbreitetes Problem ist die Kodierung auf zu grober Ebene. Statt z. B. die spezifische Diagnose K02.1 (Karies des Dentins) zu wählen, wird oft lediglich der dreistellige Code K02 verwendet. Das mag in der Software als ausreichend gelten, ist aber medizinisch unscharf und dokumentiert den Befund nicht differenziert.
Auch sogenannte „Sammelcodes“ wie K08.9 (nicht näher bezeichnete Störung des Zahnersatzes) oder K05.6 (Parodontalerkrankung, nicht näher bezeichnet) sollten nur verwendet werden, wenn tatsächlich keine genauere Diagnose gestellt werden kann – etwa in Ausnahmefällen wie bei Neupatienten ohne vollständige Befunderhebung.
Fehlerquelle 2: Kodierung aus dem falschen Kapitel der ICD-10-Codes
Immer wieder finden sich in Behandlungsunterlagen ICD-10-Codes, die zwar formal existieren, aber nicht dem zahnmedizinischen Versorgungskontext entsprechen. Ein Beispiel: Die Kodierung eines zahnärztlichen Traumas mit S00.5 (Verletzung der Lippe) statt mit dem zahnmedizinisch korrekten Code S02.5 (Fraktur eines Zahns). Solche Fehlklassifikationen sind problematisch, weil sie bei Kassen oder Gutachtern Rückfragen auslösen und im schlimmsten Fall Leistungen in Frage stellen.
Zahnärzte sollten daher sicherstellen, dass die verwendeten Codes zu den Kapiteln K00–K14, K08, M26, S02 oder Z01.2 gehören – und nur in Ausnahmefällen auf andere Kapitel zurückgreifen, etwa bei systemischen Erkrankungen mit oraler Beteiligung.
Fehlerquelle 3 beim Kodieren: Widersprüche zwischen Diagnose und Leistung
Nicht selten passen kodierte Diagnosen und abgerechnete Leistungen inhaltlich nicht zusammen. Wird etwa eine akute Parodontitis (K05.2) kodiert, aber keine PAR-Maßnahme oder Therapie vermerkt, kann dies zu Unstimmigkeiten führen. Umgekehrt ist es problematisch, eine umfangreiche Parodontaltherapie durchzuführen, ohne eine eindeutige Diagnose (z. B. K05.3) zu hinterlegen.
Eine stimmige und medizinisch plausible Verbindung zwischen Diagnose, Behandlungsverlauf und dokumentierter Leistung ist daher nicht nur für die Abrechnungssicherheit, sondern auch für die forensische Absicherung essenziell.
Fehlerquelle 4: Fehlende Kodierung bei dokumentationspflichtigen Leistungen in der Zahnarztpraxis
In bestimmten Leistungsbereichen ist die ICD-10-Kodierung verpflichtend – zum Beispiel bei Zahnersatz mit Festzuschüssen, Parodontalbehandlungen (PAR) oder Kieferorthopädie (KFO). Dennoch findet sich in der Praxisdokumentation oft kein ICD-10-Code oder ein rein formaler Platzhalter. Das birgt nicht nur das Risiko formaler Beanstandungen durch die Krankenkassen, sondern kann auch zu Verzögerungen oder Ablehnungen von Heil- und Kostenplänen führen.
Zahnärzte sollten daher insbesondere bei genehmigungspflichtigen Leistungen darauf achten, dass die ICD-10-Kodierung vollständig und sachgerecht erfolgt – idealerweise abgestimmt mit dem PVS und regelmäßig überprüft.
Fehlerquelle 5: Unkritische Übernahme automatisierter Vorschläge für ICD-10-Codes aus dem Praxissystem
Viele Praxisverwaltungssysteme bieten Vorschlagslisten oder Auto-Vervollständigungsfunktionen für ICD-10-Codes. Diese sind hilfreich – können aber zu Fehlkodierungen führen, wenn der vorgeschlagene Code nicht manuell überprüft wird. Insbesondere bei ähnlichen Begriffen oder veralteten Codes ist Vorsicht geboten. Die Verantwortung für die Richtigkeit der Kodierung liegt stets beim behandelnden Zahnarzt – auch wenn die Software die Auswahl vorgibt.
ICD-10-Kodierung: So schaffen Sie Bewusstsein für Qualität der Kodierung
Die ICD-10-Kodierung ist keine Nebensache, das müssen Sie sich und Ihrem Team bewusst machen. Sie schafft die Grundlage für juristische Nachvollziehbarkeit, medizinische Qualitätssicherung und die kommunikative Anschlussfähigkeit zahnärztlicher Befunde im Gesundheitswesen. Wer typische Fehler kennt und systematisch vermeidet, stärkt somit nicht nur die eigene Dokumentation, sondern verbessert auch die Akzeptanz zahnärztlicher Leistungen im abrechnungs- und prüfungsrelevanten Kontext.
Quelle:ICD-10-GM 2025 – BfArM, KZBV