Wirtschaftsnachrichten für Zahnärzte | DENTAL & WIRTSCHAFT
Recht & Steuern

Eigentlich sind die Regelungen des Paragrafen 630 g des Bürgerlichen Gesetzbuches eindeutig. Dort heißt es in Absatz 1, Satz 1: „Dem Patienten ist auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die vollständige, ihn betreffende Patientenakte zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen.“
Absatz 2 legt fest, dass Patienten von ihren Ärzten auch elektronische Abschriften ihrer Patientenakte verlangen dürfen. Dafür allerdings haben sie „dem Behandelnden die entstandenen Kosten zu erstatten.“

Diese Regelungen sind nun allerdings überholt – dank eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).

Luxemburg schafft Fakten: Kopie der Akte weit gefasst

Am 4. Mai 2023 haben die Luxemburger Richter nicht nur bestätigt, dass Patienten ein Recht auf eine Fotokopie ihrer Akte haben. Sie befanden auch: „Wenn es zum Verständnis der Daten unerlässlich ist, kann der Bürger auch die Fotokopie sämtlicher Daten verlangen“ (EuGH, Rs. C-487/21). Zudem ist diese Auskunft nach der Rechtsauffassung des Gerichtes kostenlos zu erteilen.

Im konkreten Fall ging es zwar nicht um einen Sachverhalt aus dem Gesundheitswesen. Die Grundsätze des Urteils lassen sich aber eins zu eins auf das Verhältnis zwischen Patienten und Zahnarzt übertragen – und haben weitreichende Folgen.

Patientenakte: Im Zweifel alles – und alles kostenlos

Besonders wissbegierige Patienten können in Zukunft nicht nur viel zusätzliche Verwaltungsarbeit für das Praxispersonal verursachen, sondern auch die Kosten in die Höhe treiben. Denn eine „Kopie“ umfasst laut EuGH alle personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung in der Praxis sind. Für das Verhältnis von in Deutschland praktizierenden Zahnärzten und ihren Patienten bedeutet das, dass Zahnärzte auf Wunsch sehr umfassende Informationen zusammenstellen und übermitteln müssen.

Das liegt daran, dass die Daten, die ein Zahnarzt über seine Patienten erhebt, oft nur in ihrem gesamten Kontext verständlich sind. Es reicht daher nicht, wenn der Patient lediglich eine Abschrift seines Anamnese-Bogens erhält, aus dem seine Beschwerden hervorgehen. Er muss auch wissen, welche Daten sein Zahnarzt nicht erhoben hat (zum Beispiel über etwaige Unverträglichkeiten oder die Einnahme von Gerinnungshemmern etc.).

Im Zweifel muss ein Zahnarzt einem Patienten, der dies wünscht, also die gesamte Behandlungsakte in Form einer Fotokopie oder durch Übersendung eines verschlüsselten PDF-Dokuments zur Verfügung stellen – und zwar gratis. Tut er das nicht, oder lässt er sich mit der Versendung zu lange Zeit, läuft er Gefahr, dass sich der Patient bei der Datenschutzbehörde beschwert. Eine solche Beschwerde kann im schlimmsten Fall zu einem Bußgeld für den Zahnarzt führen.