Wirtschaftsnachrichten für Zahnärzte | DENTAL & WIRTSCHAFT
Zahnmedizin

Die Corona-Pandemie hat die Weltbevölkerung die letzten Jahre intensiv beschäftigt. Schätzungen gehen davon aus, dass über 670 Millionen Menschen mit dem Coronavirus infiziert waren. Einige, insbesondere ältere Patienten mit entsprechenden Vorerkrankungen, sind an der Infektion und den damit verbundenen
Begleiterkrankungen, wie Multiorganversagen, Sepsis, Thrombose oder schweren pulmonalen Komplikationen verstorben.

Proinflammatorische Zytokine: Auswirkungen auf Osseointegration?

Gemein ist diesen Erkrankungen die Ausschüttung zahlreicher proinflammatorischer Zytokine. Aus pathophysiologischer Sicht ist bekannt, dass hierdurch auch der Knochenstoffwechsel und das Gleichgewicht zwischen katabolen und anabolen Umbauprozessen zugunsten Knochen abbauender Vorgänge verschoben wird. Einige Kollegen äußerten zudem die Vermutung, dass möglicherweise
mehr dentale Implantate zur Zeit der Corona-Pandemie durch eine Störung der frühen Osseointegration verlorengegangen sein könnten.

Es liegt nun eine erste retrospektive Untersuchung, die sich dieser relevanten Frage angenommen hat, vor [1]. Dafür wurden die Unterlagen der implantatprothetisch versorgten Patienten der zahnmedizinischen Fakultät der Erciyes University in der Türkei durchgeschaut.

[1] Sezer T, Soylu E. COVID-19 as a factor associated with early dental implant failures: A retrospective analysis. Clin Implant Dent Relat Res. 2023 Oct;25(5):960-966.

Methodik der Studie zum Implantatverlust bei COVID-19

Insgesamt konnten 1.228 Patienten mit 4.841 dentalen Implantaten eingeschlossen werden. Die bis dato diskutierten Einfluss-/Risikofaktoren, wie Rauchen, Kiefer, Diabetes, Osteoporose, Bestrahlung, Chemotherapie, Implantatlänge und -durchmesser sowie Implantatposition wurden erfasst und in die Auswertung mit einbezogen. Ein positiver PCR-Test für Covid-19 wurde als mit Coronavirus infiziert bewertet.

Früher Implantatverlust, das heißt die notwendige Entfernung des Implantates vor der Insertion der Suprakonstruktion aufgrund radiologischer oder klinischer Befunde, war die primäre Zielgröße. Die Daten
wurden mittels univariater und multivariater statischer Methoden analysiert.

Vorerst keine Assoziation zwischen positivem PCR-Test und Implantatverlust

151 Implantate bei 128 Patienten gingen vor der Insertion der Suprakonstruktion verloren oder mussten entfernt werden. Das entspricht einem frühen Implantatverlust von 3,1 % auf Implantatniveau und 10,8 % auf Patientenniveau. Das bedeutet: Bei einigen Patienten ging mehr als ein Implantat verloren. Insgesamt wurden 51 Implantate bei Corona-positiven Patienten entfernt.

Von den oben genannten Faktoren waren im univariaten Modell Alter, Rauchen und Implantatlänge statistisch signifikant mit einem frühen Implantatverlust assoziiert. In einem multivariaten Modell konnte gezeigt werden, dass Raucher ein signifikant erhöhtes Risiko (p < 0,001) für einen Frühverlust aufwiesen. Darüber hinaus zeigte die Statistik, dass kurze Implantate (≤ 8 mm) gegenüber längeren (≥ 12 mm) ein höheres Risiko für einen Implantatfrühverlust aufwiesen (p = 0,003).

Ein positiver PCR-Test war demgegenüber nicht mit Implantatfrühverlusten assoziiert.

Weitere Studien zur Relevanz einer COVID-19-Infektion sinnvoll

Diese erste retrospektive Studie zur Frage des Einflusses einer Corona-Infektion auf implantologische Misserfolge konnte keine Assoziation zwischen einer COVID-19-Infektion und Implantatfrühverlusten
zeigen.

Das kann bedeuten, dass die pathophysiologischen Effekte einer COVID-19-Infektion auf den Knochenstoffwechsel für Implantatkomplikationen offenbar weniger relevant sind. Interessant wird dennoch sein, ob sich dies in zu erwartenden weiteren klinischen und experimentellen Studien aus anderen Populationen und mit anderen Methoden noch weiter bestätigen wird.

Bis dahin ist es möglicherweise dennoch ratsam, die anamnestischen Abklärungen hinsichtlich etwaiger Risikofaktoren auch um eine COVID-19-Anamnese zu ergänzen. Einmal mehr zeigte diese Studie, dass bei Rauchern oder bei längenreduzierten Implantaten vermehrt mit implantologischen Komplikationen zu rechnen ist.

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(c) Clemens Walter

* Prof. Dr. Clemens Walter erhielt seine Approbation im Jahr 2000. Von 2001 bis 2003 absolvierte er das Postgraduiertenprogramm in Parodontologie und Implantologie an der Charité Berlin. Die Promotion erfolgte 2005.

Von 2010 bis 2021 war er Leiter des Weiterbildungsprogrammes Parodontologie an der Universität Basel, wo er 2012 habilitierte. 2016 wurde er Außerordentlicher Professor an der Universität Basel, 2021 übernahm er den Lehrstuhl für Zahnerhaltung, Parodontologie, Endodontologie, Präventive Zahnmedizin und Kinderzahnheilkunde, Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Universitätsmedizin Greifswald.

Seit 2023 ist er an der Abteilung für Parodontologie, Orale Medizin und Orale Chirurgie, Charité-Universitätsmedizin Berlin, tätig.