Offene Immobilienfonds in der Krise
Alexander HeintzeOffene Immobilienfonds stecken in der Krise. Doch dieses Mal kommt ein weiterer Nackenschlag für die Branche hinzu. Ein Gericht versagt einem Fonds die Einstufung als sichere Geldanlage. Anleger sind verunsichert, wie es weitergeht.
Offene Immobilienfonds sind keine sichere Geldanlage. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hält zumindest den in die Krise geratenen offenen Immobilienfonds „UniImmo: Wohnen ZBI“ für risikoreicher als von der Fondsgesellschaft angegeben. Für die Fondsbranche und Banken war das Urteil ein Schock. Sie werben gerne mit dem geringen Risiko der Immobilienanlage um Investorengelder. Meist werden die Fonds mit den Risikostufen 1 oder 2 von 7 möglichen angegeben. „Das führte in der Vergangenheit dazu, dass viele Anleger die Fonds als Alternative für ein Sparkonto sahen“, sagt Claus Walter, Geschäftsführer der Freiburger Vermögensmanagement. Diese Sicherheit stellt das Urteil nun infrage.
Der UniImmo Wohnen ZBI investiert ausschließlich in Wohnimmobilien. Diese verloren nach den massiven Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank in den vergangenen Jahren deutlich an Wert. Der Fonds musste Mitte vergangenen Jahres sein Portfolio innerhalb eines Tages um knapp 17 Prozent abwerteten. Es war der höchste Tagesverlust, den Anleger bisher bei offenen Immobilienfonds hinnehmen mussten.
In der Folge zogen Anleger nach der Statistik des Fondsverbands BVI mehr als sechs Milliarden Euro aus offenen Immobilienpublikumsfonds ab. Allein die Schwergewichte DWS und Union Investment mussten jeweils mehr als zwei Milliarden Euro an die Investoren zurückzahlen. Aus dem Hausinvest der Commerzbank-Tochter Commerz Real floss eine weitere Milliarde ab. Einzig die Fonds der Sparkassentochter Deka bekamen mehr Geld von den Anlegern. Unter dem Strich wurden fast 200 Millionen Euro mehr angelegt. Die Marktbeobachter des Analysehauses Barkow Consulting gehen davon aus, dass das weniger an der Attraktivität der Fonds liegt als an der hohen Zahl von Sparplänen und automatischen Wiederanlagen bei den Deka-Fonds. Erste Fonds wie der vor allem in Österreich vertriebene LLB Semper Real Estate mussten bereits schließen und nehmen seit Ende 2023 keine Fondsanteile mehr zurück.
Das Problem der Fonds: Um die Gelder in dieser Höhe auszahlen zu können, müssen sie Immobilien verkaufen. Das ist derzeit alles andere als einfach. „Einer der Hauptgründe für die jetzigen Situation am Immobilienmarkt ist das gestiegene Zinsniveau. Die Nachfrage am Immobilienmarkt ist schwächer und das drückt auf die Preise, erklärt Walter. „Wenn viele Anteilsbesitzer gleichzeitig ihr Geld wieder zurückbekommen wollen, müssen Immobilien unter Druck verkauft werden. Man braucht kein Makler zu sein, um zu wissen, dass Zeitdruck für die Preise nicht vorteilhaft ist“, weiß der Vermögensfachmann.
Trotz fallender Preise auf den Immobilienmärkten haben manche Fonds in den vergangenen Jahren ihre Immobilien sogar noch aufgewertet. „Spätestens, wenn die Fonds die Immobilien verkaufen, müssen sie die Preise korrigieren. Das dürfte derzeit meist zu Abwertungen führen“, meint Walter.
Michael Thaler, Vorstand der Münchner TOP Vermögen rät Anlegern deshalb, sich eher von ihren Fonds zu trennen. „Die Börsenkurse der Fonds liegen teilweise deutlich unter den Immobilienwerten, die die Fondsgesellschaften angeben. Der Markt geht also von weiteren Abwertungen aus“, resümiert er. Zudem seien die Renditen gering. Seit der Finanzkrise 2008 lagen die jährlichen Renditen von offenen Immobilienfonds nach Kosten bei durchschnittlich 2,5 bis 3 Prozent. Im vergangenen Jahr waren sie laut BVI-Statistik über alle Fonds hinweg sogar negativ. „Für das Risiko ist das zu wenig“, findet Thaler.
Zumal die Herausforderungen blieben. „Der Immobilienmarkt ist mit steigender Regulatorik, Kosten für die energetische Sanierung, sinkender Nachfrage und steigenden Baukosten konfrontiert“, fasst Thaler zusammen.
Dass sich die Fonds jahrelang gut verkauft haben, hat für ihn vor allem einen Grund: „Für Sparkassen und Banken ist das Geschäft lukrativ. Sie verdienen an den hohen Provisionen“, sagt Thaler. Jetzt könne ein Verkauf über die Börse, notfalls mit Verlust, der bessere Weg sein.
Für die Vermögensexperten sind liquide Immobilienanlagen wie Immobilienaktien, börsengehandelte Immobilienfonds (Reits) oder Indexfonds (ETFs) die bessere Wahl. „Aktien von großen Wohnungsgesellschaften können angesichts der hohen Nachfrage nach Wohnraum eine spannende Alternative sein“, sagt Thaler. ETFs und Reits, die globale Immobilienmärkte und verschiedene Immobilienarten abdeckten, seien zudem deutlich günstiger als offene Immobilienfonds. „Für uns sind offene Immobilienfonds auf jeden Fall keine gute alleinige Anlageform für sicherheitsorientierte Anleger“, resümiert Walter.
Fonds | ISIN | Fondsvermögen in Mio. Euro | Rücknahmepreis in Euro | Börsenkurs in Euro | Abschlag | Performance 3 Jahre |
Deka-ImmobilienEuropa | DE0009809566 | 18.440 | 47,6 | 45,1 | 5,25 % | 2,93 % |
Deka-ImmobilienGlobal | DE0007483612 | 7130 | 54,47 | 51,65 | 5,18 % | 1,98 % |
WestInvest InterSelect | DE0009801423 | 10892 | 48,6 | 45,75 | 5, 86 % | 0,76 % |
UniImmo: Deutschland | DE0009805507 | 12.500 | 96,2 | 89,92 | 6, 53% | 2,48 % |
UniImmo: Europa | DE0009805515 | 13.778 | 53,16 | 47,63 | 10,40 % | 1,31 % |
UniImmo: Global | DE0009805556 | 3246 | 47,09 | 41,26 | 12,38 % | 0,32 % |
UniImmo: ZBI Wohnen | DE000A2DMVS1 | 3770 | 42,29 | 37,39 | 11,59 % | -7,09 % |
Hausinvest | DE0009807016 | 16.300 | 43,99 | 40,55 | 7,82 % | 4,20 % |
DWS Grundbesitz Europa | DE0009807008 | 6377 | 36,67 | 32,29 | 11,94 % | -2,19 % |
DWS Grundbesitz D | DE0009807081 | 680 | 51,61 | 45,71 | 11,43 % | -0,42 % |
DWS Grundbesitz global | DE0009807057 | 2916 | 47,34 | 40,66 | 14,11 % | -4,87 % |
Stand: 28.2 /aktuelle Geschäftsberichte der Fondsgesellschaften
Interview mit Michael Thaler, Vorstand der TOP Vermögen AG in München.
Offene Immobilienfonds sind kein risikoloses Produkt
Herr Thaler, offene Immobilienfonds wurden lange Zeit als sichere Anlage verkauft. Nun hat ein Gericht den Immobilienfonds Uni Immo Wohnen ZBI als gar nicht so risikolos eingestuft. Was bedeutet das für Anleger?
Michael Thaler: Ganz vorsichtig gesprochen, könnte in manchen Fällen eine Falschberatung vorliegen. Wenn der Fonds den Anlegern als sichere Anlage verkauft wurde, wären Schadenersatzansprüche möglich. Aber so weit ist es noch nicht. Die Fondsgesellschaft wird wahrscheinlich in Berufung gehen.
Was bedeutet das Urteil für andere Offene Immobilienfonds?
Michael Thaler: Auch das lässt sich noch nicht mit Sicherheit sagen. Natürlich könnte ein weiteres Urteil, das die Auffassung des Gerichts bestätigt, weitreichende Konsequenzen für andere offene Immobilienfonds haben. Generell sehen wir unsere Auffassung bestätigt, die wir schon seit Jahren haben: Offene Immobilienfonds sind kein risikoloses Produkt.
Warum nicht?
Michael Thaler: Die Fonds haben ein Grundproblem, sozusagen einen Konstruktionsfehler. Es wird versucht, aus einem illiquiden Investment wie Immobilien ein liquides Investment in Form eines Publikumsfonds zu machen. Die schnellen Zinserhöhungen haben den Wert von Immobilien in viel stärkerem Maße beeinflusst als erwartet. Wenn die Zinsen steigen und die Preise fallen, müssten die Fonds eigentlich ihre Immobilien abwerten. Das passiert aber vielfach nicht. Die Anleger glauben, dass die Fonds mehr wert sind. Diese Situation ist nicht neu. Die Finanzkrise 2008 führte zu erheblichen Problemen bei offenen Immobilienfonds. Nach der Abwertung des Immobilienbestandes zogen viele Anleger Gelder aus den Fonds ab, was bei einigen schwere Liquiditätsprobleme verursachte.
2008 wurden einige Fonds sogar abgewickelt. Mit hohen Verlusten für die Anleger. Wie sieht es dieses Mal aus?
Michael Thaler: Das droht den aktuellen Fonds noch nicht. Allerdings steht es um einige Fonds nicht sonderlich gut. Auszuschließen ist es nicht.
Wie können Anleger erkennen, ob der eigene Immobilienfonds Probleme hat?
Michael Thaler: Als erste Einschätzung reicht ein Blick auf die Börsenkurse der Fonds. Sie spiegeln die aktuellen Markterwartungen der Anleger wider. Wenn die Kurse für Immobilienfonds fallen, könnte dies darauf hindeuten, dass die Anleger besorgt sind. Sind die Börsenkurse deutlich niedriger als der von den Sachverständigen ermittelte Nettoinventarwert des Fonds, kann dies ein Warnsignal sein.
Betrifft das alle Fonds?
Michael Thaler: Nein. Einige offene Immobilienfonds erzielen weiterhin positive Renditen. Es kommt darauf an, wie gut der Bestand vermietet ist und wie viel Fremdkapital im Einsatz ist.
Was sollten Anleger jetzt tun?
Michael Thaler: Das Problem für viele Anleger sind die Kündigungsfristen, die nach der Finanzkrise eingeführt wurden. Wer seine Anteile zurückgeben will, muss grundsätzlich zwölf Monate auf sein Geld warten. Eine Alternative ist der Verkauf über die Börse. Allerdings werden die Fonds da mit einem Abschlag gehandelt. Wer langfristig plant und in soliden Fonds investiert ist, kann die Krise auch aussitzen und hoffen, dass die Immobilienpreise wieder steigen. Eine Gewähr dafür gibt es nicht.