Wirtschaftsnachrichten für Zahnärzte | DENTAL & WIRTSCHAFT
Praxis

Inhabergeführte Praxen. Zahnärzte, die sich als Freiberufler verstehen. Das Wohl der Patienten als oberste Priorität. Dieses Idealbild des zahnärztlichen Berufes gilt in Deutschland noch immer. Die Kommerzialisierung des Berufsstandes schreitet jedoch voran – auch im vertragszahnärztlichen Bereich.

Bereits Ende 2020 war laut einem Gutachten des IGES Instituts für die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung jedes fünfte zahnärztliche Medizinische Versorgungszentrum von Finanzinvestoren betrieben. Die Sondersituation während der Corona-Krise, die vielen Praxen auch wirtschaftliche Probleme beschert hat, dürfte diesen Trend weiter vorangetrieben haben. Einzelpraxen tragen damit deutlich weniger zu einer flächendeckenden zahnmedizinischen Versorgung bei, als in der Vergangenheit.

Die Einzelpraxis – ein Auslaufmodell?

Diese Entwicklung schürt die Sorge, dass das Wohl der Patienten durch wirtschaftliche Strukturen und Interessen gefährdet werden könnte. Patientenschützer, wie Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz, warnen davor seit Langem. Und auch Eckhard Nagel, Medizin-Ethiker an der Universität Bayreuth, hat angesichts des wachsenden Interesses klassischer Finanzinvestoren an Praxen, Kliniken und MVZ auf eine „alarmierende“ Lage hingewiesen. Das unentbehrliche Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient drohe hier verletzt zu werden.

Mit Erleichterung haben Zahnärztevertreter daher die jüngsten Äußerungen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu Investoren in der Zahnheilkunde zur Kenntnis genommen. Dieser sagte in einem Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“ unter anderem „Bislang beobachten wir, dass internationale Firmen zum Beispiel Praxen (…) von Zahnärzten (…) übernehmen, um damit Geld zu machen. Das müssen wir dringend unterbinden.“  Lauterbach betonte, man wolle in Deutschland keine Investoren-Medizin. Medizin sei keine Ware des Kapitalismus, sondern Fürsorge auf Grundlage der Wissenschaft.  „Wir haben in allen Bereichen zu viel Ökonomie und zu wenig Medizin“, auch bei Arztpraxen, wo nun billige Massenabfertigung drohe. „Das muss aufhören“, so der Minister. „Wir sind zu weit gegangen.“

„Heuschrecken“ in der Zahnmedizin unerwünscht

Wolfgang Eßer, Vorsitzender des Vorstands der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, begrüßte diese Aussagen. Zugleich forderte er aber, dass den Worten jetzt auch Taten  folgen müssten. Der Zustrom großer Finanzinvestoren und Private Equity über den Aufkauf von meist kleinen und maroden Krankenhäusern und der damit einhergehenden Möglichkeit zur Gründung von iMVZ müsse gestoppt werden. Wenn überhaupt sollten Krankenhäuser künftig innerhalb eines bestimmten räumlichen Einzugsbereiches um das Krankenhaus berechtigt sein, zahnärztliche MVZ zu gründen. Und dass auch nur, wenn sie schon vorher an der zahnärztlichen Versorgung beteiligt waren.

Ähnlich äußerte sich Bundeszahnärztekammer-Präsident, Christoph Benz. Auch er forderte, „die völlige Vergewerblichung der Zahnmedizin“ zu beenden. In der Zahnheilkunde dürfe nicht der betriebswirtschaftliche Geschäftsführer über Therapien entscheiden, sondern allein der Zahnmediziner. Und zwar frei von wirtschaftlichem Druck und Optimierungstendenzen.

Benz monierte wörtlich, dass „Fonds aus aller Welt den deutschen Medizinmarkt als Renditeobjekt für sich entdeckt und ihre zahnmedizinischen Investoren-MVZ (iMVZ) zu mehr als 80 Prozent in den kaufkräftigen Großstädten gegründet hätten. Zur Versorgung in unterversorgten ländlichen Bereichen oder von vulnerablen Gruppen trügen sie mangels Renditeerwartung hingegen kaum etwas bei.

Die Kammer hat daher bereits Vorschläge zur Regulierung der ungebremsten Ausbreitung der iMVZ gemacht und stehe dem BMG für Gespräche dazu jederzeit zur Verfügung.

Lesen Sie dazu auch den Beitrag zur Pressemeldung der KZBV: Neue iMVZ-Analyse: Zustrom von Investoren zeigt hohe Dynamik