Wirtschaftsnachrichten für Zahnärzte | DENTAL & WIRTSCHAFT
Praxisübergabe
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Warum der Praxiswert oft für Unsicherheit sorgt

Die Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen wirft immer wieder Fragen auf. Es gibt keine gesetzlich verbindliche Methode, was sowohl bei Verkäufern als auch Käufern Unsicherheiten schürt. Gerichte wie der Bundesgerichtshof (BGH) und das Bundessozialgericht (BSG) favorisieren jedoch das modifizierte Ertragswertverfahren, das als marktüblicher Standard gilt.

Dieses Verfahren betrachtet nicht nur Umsätze, sondern auch schwer fassbare Faktoren wie den ideellen Praxiswert („Goodwill“) und den Substanzwert. Ziel ist es, einen realistischen, zukunftsgerichteten Praxiswert zu bestimmen, der beiden Parteien gerecht wird.

Das modifizierte Ertragswertverfahren kurz erklärt

Das modifizierte Ertragswertverfahren basiert auf dem IDWS 1-Standard des Instituts der Deutschen Wirtschaftsprüfer. Es kombiniert betriebswirtschaftliche Analysen mit branchenspezifischen Anpassungen. Anders als herkömmliche Ertragswertmethoden berücksichtigt es:

  • Kapitalisierungszeiträume: Die zeitliche Reichweite des „Goodwill“, also wie lange der neue Inhaber die Patientenbindung nutzen kann.

  • Substanzwert: Der Wert der materiellen Ausstattung wie Inventar und Geräte wird zusätzlich integriert.

Durch diese Erweiterungen entsteht eine praxisnahe Bewertung, die die tatsächlichen Marktbedingungen besser abbildet.

Die zwei Ansätze der Bewertung

1. Praxis-Rekonstruktion: Hier wird analysiert, wie lange und mit welchem Aufwand es dauern würde, eine vergleichbare Praxis aufzubauen. Für Hausarzt- und Zahnarztpraxen rechnet man mit zwei bis vier Jahren, bei Facharztpraxen mit drei bis fünf Jahren.

2. Goodwill-Verflüchtigung: Der Zeitraum, in dem der Käufer die bestehenden Patientenbeziehungen auf sich übertragen und einen eigenen „Goodwill“ entwickeln kann, ist entscheidend.

Diese beiden Faktoren helfen, den ideellen Wert der Praxis zu quantifizieren und in die Bewertung einfließen zu lassen.

Der Prozess der Bewertung im Detail

Das modifizierte Ertragswertverfahren folgt einem klaren Ablauf:

  • Analyse vergangener Umsätze und Gewinne

  • Bereinigung individueller, nicht übertragbarer Posten

  • Erstellung einer Prognose für künftige Erträge

  • Einbezug von kalkulatorischen Kosten wie Unternehmerlohn und Zinsen

  • Bestimmung des Kapitalisierungszeitraums und des Diskontierungszinses

  • Berechnung des ideellen Werts und des Substanzwerts

  • Zusammenführung der Werte zu einem Gesamtwert

Anschließend wird der ermittelte Wert durch Vergleich mit Markt- und Erfahrungswerten auf Plausibilität geprüft.

Gutachter sind für die Praxisbewertung unverzichtbar

Trotz fundierter Methoden bleibt die Praxisbewertung eine Herausforderung. Besonders der ideelle Wert und die Inventarbewertung führen häufig zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Käufer und Verkäufer. Um nicht nur für Klarheit, sondern vor allem auch, um eine belastbare Basis für Verhandlungen zu schaffen, sollte man einen neutralen Gutachter mit ins Boot holen. Ein Gutachter bringt nicht nur Fachwissen mit, sondern auch die notwendige Neutralität, um die Interessen beider Seiten zu berücksichtigen. Dies minimiert Streitigkeiten und führt zu einem fairen, marktorientierten Ergebnis.

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