Wirtschaftsnachrichten für Zahnärzte | DENTAL & WIRTSCHAFT
Praxis

Am Puls dieser Brennpunkte sind auch die beiden Geschäftsführerinnen der KlapdorKollegen Academy. Ihr Institut bildet Führungskräfte für Zahnarztpraxen aus. Wir haben mit Jovita Bilajac und Maike Klapdor über Fallstricke beim Praxiswachstum gesprochen.

Gleich zu Beginn des Gesprächs beschreiben Jovita Bilajac und Maike Klapdor die derzeit größten Herausforderungen, denen sich Zahnärzte gegenüber sehen:

Unbesetzte Stellen, allgemeine Kostensteigerungen, Budgetierung und der Wunsch vieler Praxisinhaber, die eigenen Leute ordentlich zu bezahlen – bei gleichzeitigem Zweifel, ob man sich das überhaupt leisten kann. Auch die persönliche Orientierung sei eine Herausforderung. Auch beim Thema Praxisvergrößerung.

Was genau kann bei der Vergrößerung der Zahnarztpraxis anders herauskommen als erwartet?

Maike Klapdor: Das Level der täglichen Anstrengung. Die Fülle an Themen rund um Personal und notwendigem Strukturausbau. Team und Patienten zufrieden stellen. Alles Wichtige mitbekommen. Die viele Zeit, die es braucht, das Rad mit mehr Menschen zu drehen, jedem und jeder gerecht zu werden. Und dabei auch noch angemessen Geld zu verdienen.

Warum ist Geldverdienen in der Mehrbehandlerpraxis schwieriger?

Maike Klapdor: Zunächst einmal, weil sich Praxisinhaber die Mehrbehandlerpraxis mit angestellten Zahnärztinnen und Zahnärzten oft anders vorstellen. Die große Praxis ist nicht die kleine mal drei oder fünf, sondern ein hochkomplexes System, das eine grundlegend andere Steuerung braucht, um
funktionieren zu können. Weg von der Inhaberzentrierung und „Management by Kontoauszug“ hin zu professionellen Standards in Führung, Praxismanagement und Betriebswirtschaft.

Praxiswachstum hört sich anstrengend an…

Jovita Bilajac: Ist es auch, zumal die Ebene der Selbstreflexion noch dazu kommt. Es gibt aber auch die gute Nachricht: Alles lässt sich lernen. Profitables Praxiswachstum ist kein Zufall, sondern das Ergebnis planvollen Handelns. Mich verblüfft immer, dass niemand einen Zweifel daran hat, dass es viele Jahre Ausbildung braucht, um anständige Zahnmedizin zu machen. Gleichzeitig wird geglaubt, Management- und Führungsaufgaben lassen sich ohne spezifische Fortbildung locker solide erledigen. Das kann bei einer kleinen Praxis mit menschlichem Gespür und Strukturbewusstsein gelingen. Für Mehrbehandlerpraxen ist das Anforderungslevel höher. Wer es versäumt, rechtzeitig in das Führungskonzept und die Qualifizierung der Schlüsselpersonen zu investieren, bewegt sich auf dünnem Eis.

Das klingt, als ob Praxisinhabern manchmal der Überblick für das Praxiswachstum fehlt?

Jovita Bilajac: Weniger der Überblick. Eher das tiefe Verstehen von Wechselwirkungen und das Erkennen des eigenen Beitrags an der Situation. Wenn ich der festen Überzeugung bin, meine Personalkostenquote
ist viel zu hoch, dann passe ich Gehälter tendenziell nicht eigeninitiativ an, sondern warte darauf, dass MitarbeiterInnen eine Erhöhung fordern. Damit erfülle ich aber notwendige Faktoren für ein zukunftsfähiges Teamklima nicht, riskiere das Entstehen von Unzufriedenheiten und auf lange Sicht auch Kündigungen. Durch Fluktuation wiederum kommen die alltäglichen Abläufe aus der Routine. Geld wird allerdings in der Zahnarztpraxis in der Routine verdient. Das Denken über die Personalkostenquote und die Praxisrendite der Zukunft stehen insofern in einem anderen Zusammenhang als landläufig geglaubt
wird.

Das klingt kompliziert. Oder ist das jetzt eher komplex?

Maike Klapdor: Komplexität ist die Herausforderung. In diesem konkreten Fall das Verstehen der Wirkungskaskaden zwischen dem Verhalten von Führungskräften und Euros auf dem Praxiskonto. Mitarbeiterwechsel, unbesetzte Stellen und teamkulturbedingte Krankenstände kosten extrem viel Geld,
weil sie dazu führen, dass beispielsweise nur auf einem Zimmer, anstatt auf zwei, behandelt werden kann oder Abformungen und Röntgenbilder nicht an die Assistenz delegiert werden können. Die Effizienz sinkt und der oberste Anteil der Honorarstundensätze, aus dem die Praxisrendite maßgeblich entsteht, fällt weg. Das ist natürlich nur ein Beispiel aus einer Fülle von Alltagssituationen.

Was ist denn beim Praxiswachstum die konkrete Aufgabe von Praxisinhabern?

Maike Klapdor: Die Größe der eigenen Praxis nicht dem Zufall oder dem Patientenzulauf zu überlassen. Eigene Stärken und Wünsche reflektieren. Sehr überlegt entscheiden, ob das eigene zahnärztliche Behandeln im Mittelpunkt stehen soll oder Management- und Führungsaufgaben. Erkennen, dass heutzutage für stabile Zukunftserfolge eine Intention gebraucht wird, die über das Ökonomische hinausgeht. Beziehungen und Kooperationen sind die zentralen Elemente jeder zukunftsfähigen
Arbeitskultur.

Wenn die Mehrbehandlerpraxis nach erfolgter Orientierungsphase tatsächlich das erklärte Ziel ist, startet systematisches Handeln: Eigene Datenlage ansehen, lernen, auf welche Kennzahlen es ankommt und wie
Performance-Management in der Zahnarztpraxis konkret funktioniert. Eigenes Führungswissen aufbauen, in kraftvolles Praxismanagement investieren, Einstieg in die Teamleiterstruktur planen.

Das hört sich an wie eine Bauanleitung von Ikea. Kann man eine funktionierende Mehrbehandlerpraxis tatsächlich mit Planungssicherheit aufbauen?

Jovita Bilajac: Zahnmedizin ist kein industrieller Vorgang. Hier arbeiten Menschen für Menschen. Wer in ausreichendem Maße bereit ist, sich mit sich selbst, der eigenen Wahrnehmung und der persönlichen
Grundhaltung auseinander zu setzen, hohe Freude hat an stetiger persönlicher Weiterentwicklung, den Fokus glasklar setzt und außerdem auf eine gewisse persönliche Robustheit vertrauen kann: Für diese Zahnärztinnen ist meine Antwort auf die Frage ein eindeutiges JA.

Spannend. Und wie findet man seine persönliche „Ausgangslage“ für eine Mehrbehandlerpraxis heraus?

Jovita Bilajac: Für die Datenlage der Praxis bieten wir Orientierungsanalysen und Workshops. Und für das Persönliche arbeiten wir seit Jahren mit Persolog-Analysen. Da nutzen wir einen digitalen Fragebogen als wissenschaftlich abgesichertes diagnostisches Instrument, jeweils zugeschnitten auf die konkrete Bedarfslage der Praxis. Die Auswertungen sind nicht nur sehr treffsicher, sondern auch spannende Augenöffner im Rahmen von Inhouse-Workshops. Die Erkenntnisse sind sowohl für grundlegende
Weichenstellungen auf InhaberInnen-Ebene als auch für die Bündelung der Kräfte von Führungsteams ideal.

Was unterscheidet Sie von anderen Fortbildungsanbietern?

Maike Klapdor: Wir agieren auf dem Fundament von 20 Jahren spezialisiertem Zahnarztpraxis-
Consulting. Jovita und ich sind beide betriebswirtschaftlich und sozialwissenschaftlich ausgebildet und gewährleisten zusammen mit unserem Referententeam, dass die beiden Ansätze in der Ausbildung von Führungskräften klug verkoppelt werden. Darüber hinaus haben wir über die Jahre unsere eigene Methode für erfolgreiches Performance-Management in der Zahnarztpraxis entwickelt. Konkret ist das ein ganzheitliches Konzept, welches die Bereiche Praxismanagement, Führung und dentale BWL umfasst. Unsere Methode vermitteln wir in unseren IHK-Praxisleitungslehrgängen, in IHK-Teamleitungslehrgängen,
in einigen offenen Tagesseminaren und in Inhouse-Workshops.

Jovita Bilajac: Entscheidend ist auch: Wir haben uns eigener stetiger Weiterentwicklung verpflichtet und agieren auf dem Fundament einer glasklaren menschlichen Wertehaltung. Wir wissen, wofür wir stehen.
Brennen für das, was wir tun. Und wir sind greifbar. Starke, zukunftsfähige Zahnarztpraxen können nach unserer Überzeugung nur durch starke Führungskräfte entstehen. Dafür stehen wir jeden Morgen auf.

Eine letzte Frage: Was ist Ihre tiefe innere Überzeugung?

Maike Klapdor: Die Humanisierung des Arbeitslebens ist dran. Gleichzeitig soll und muss Geld verdient werden. Das geht zusammen. Das kann in Balance gebracht werden.

Jovita Bilajac: Zahnarztpraxen können so viel bieten: Sinnstiftende Arbeit, Teamerleben, Mitsprachemöglichkeiten, gute Gehälter und vieles mehr. Qualifizierte Führungskräfte sind die Schlüsselpersonen, um diese Schätze zu heben. Sie sind auch sowas wie der Treibstoff der Praxiszukunft.

Danke für diesen spannenden Einblick.

Das Interview führte Carmen Bornfleth

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