Wirtschaftsnachrichten für Zahnärzte | DENTAL & WIRTSCHAFT
Wettbewerbsrecht

Private Krankenversicherer, die versuchen, einen Patienten durch finanzielle Anreize zum Wechsel des Zahnarztes zu bewegen, handeln wettbewerbswidrig. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Dresden entscheiden (Az.: 14 U 807/20).

Konkret ging es um den Fall einer Privatpatientin, die in einer zahnärztlichen Gemeinschaftspraxis in Behandlung war. Nachdem die Frau bei Krankenversicherungen einen Heil- und Kostenplan eingereicht hatte, erhielt sie einen Brief, dessen Inhalt sie überraschte. Nicht nur verlangte die Gesellschaft weitere Kostenvoranschläge, sie schrieb der Frau auch Folgendes:

„Als Ihr Krankenversicherer möchten wir Ihnen gerne anbieten, Ihre Behandlungskosten im vollen tariflichen Umfang zu zahlen. Aus diesem Grund haben wir uns mit verschiedenen Gesundheitspartnern, welche unsere Qualitätsansprüche erfüllen, zusammengeschlossen.“

Anschließend listete die Versicherung auf, welche Vorteile der Patientin entstünden, wenn sie ihrer Stammpraxis den Rücken kehrte und ihre zahnmedizinischen Geschicke stattdessen in die Hände eines der „Gesundheitspartner“ der Versicherung legte. Von der qualitativ hochwertige Versorgung über „preiswerter Zahnersatz zu 100 % aus Deutschland“ und „schnelle Terminvereinbarung“ wurde fast alles genannt, was eine klassische Zahnarztpraxis ohnehin leistet.

Geld als Lockmittel

Einen echten Pluspunkt aber nannte die Gesellschaft doch: Wenn sich die Patientin gegen die Behandlung bei ihrem ursprünglichen Zahnarzt entscheide und stattdessen zu einem Arzt aus dem Versicherungsnetzwerk wechsle, erhöhe sich der Erstattungsanspruch für zahntechnische Leistungen um fünf Prozent.

Abschließend hieß es in dem Schreiben: „Bitte beachten Sie: Die Wahl Ihres Zahnarztes sowie die des Labors steht Ihnen selbstverständlich frei. Der Hinweis auf unseren Gesundheitspartner ist lediglich ein Tipp von uns an Sie, Ihren Geldbeutel zu entlasten. …“

Abfangen von Patienten ist verboten

Als die Zahnärzte der Gemeinschaftspraxis von dem Schreiben erfuhren, beschlossen sie, dagegen vorzugehen und verklagten die Versicherung auf Unterlassen. In der ersten Instanz blieben sie zwar erfolglos. In der zweiten Instanz aber wendete sich das Blatt.

Das OLG Dresden folgte ihrer Argumentation und wertete das Verhalten der Krankenversicherung als wettbewerbswidriges Abfangen von Kunden, das zu unterlassen sei. Zwar bestehe zwischen der Praxis und dem Versicherungsunternehmen kein unmittelbares Wettbewerbsverhältnis, mittelbar stünden die Prozessgegner aber im Wettbewerb zueinander, denn die Gemeinschaftspraxis sei auf demselben Markt tätig, wie die Gesundheitspartner der Assekuranz.Auch sie biete zahnärztliche und labortechnische Dienstleistungen und Waren an und versuche, diese beim selben Endverbraucherkreis abzusetzen. Wird ein Patient, der bereits einen Heil- und Kostenplan von der Gemeinschaftspraxis hat erstellen lassen, durch das Schreiben der Krankenversicherung angeregt, einen anderen Zahnarzt auszuwählen, so berühre das die wettbewerbsrechtlich geschützten Interessen der Gemeinschaftspraxis, so das OLG Dresden.

Versicherung darf ihre Machtposition nicht ausnutzen

Gegenüber dem Versicherungsnehmer befinde sich die Assekuranz zudem in einer als „stärker empfundenen Position“, da sie über Kostenübernahme und damit die finanzielle Belastung des Versicherungsnehmers entscheide. Diese Position habe die Krankenversicherung ausgenutzt, um die Nachfrage der Patientin auf ihre Gesundheitspartner umzulenken. Dadurch habe sie unzulässig in die freie Arztwahl des Patienten eingegriffen.