Kreidezähne (MIH): Neue Erkenntnisse zur Pathogenese und Konsequenzen für die Praxis
Judith MeisterDie Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH), besser bekannt als „Kreidezähne“, betrifft inzwischen jedes fünfte Kind. Die damit verbundenen Probleme – Überempfindlichkeit, Karies, sogar Abszesse – stellen Praxisteams zunehmend vor Herausforderungen. Lange war unklar, was die Störung verursacht. Jetzt liefern Forscher konkrete Antworten.
Jedes fünfte Kind leidet nach aktuellen Schätzungen unter Kreidezähnen und den damit einhergehenden schweren Begleiterscheinungen: Überempfindlichkeiten, Karies und sogar Abszesse werden durch sie begünstigt.Und obwohl Wissenschaftler aus aller Welt seit Jahrzehnten intensiv danach forschen, waren die Ursachen für Kreidezähne lange unklar.
Ein Team der Universitäten Melbourne und Talca hat herausgefunden: Das Protein Albumin, das normalerweise im Blut und in der Gewebsflüssigkeit vorkommt, kann den Zahnschmelz während seiner Entwicklung stören. Kommt der Zahn mit Albumin in Kontakt, bindet dieses die Mineralkristalle und verhindert so deren Einlagerung in den Schmelz. Die Wissenschaftler der Universitäten Melbourne und Talca gehören der sogenannten 3D-Gruppe an und deckten den Mechanismus auf . Ihre Erkenntnisse sind bereits in der Zeitschrift Frontiers in Physiology veröffentlicht worden.
Kinderkrankheiten und Albumin: Verantwortlich für die Entwicklung von Kreidezähnen?
„Das Ergebnis ist eine Art Mineralisierungsblockade, die sehr lokal auf die einzelnen Zähne konzentriert ist und die zu kreideartigen Schmelzflecken führt“, erläutert Mike Hubbard, Forschungsprofessor an der Uni Melbourne und Hauptautor der Studie. Auslöser dieser Albumin-Kontamination könnten Kinderkrankheiten oder Fieber sein. Die Erkenntnis widerlegt das bisherige Dogma, wonach defekte Schmelzbildnerzellen ursächlich seien. „Wir haben nun gezeigt, dass Albumin gelegentlich an schwachen Stellen eindringt, sich an Schmelz-Mineral-Kristalle bindet und deren Wachstum blockiert. Es handelt sich nicht um ein systemweites Problem, sondern ein sehr lokales.“
Ausblick auf Prävention und Forschung zu Kreidezähnen
Noch lässt sich MIH nicht verhindern – doch die frühe Diagnose kann die Prognose deutlich verbessern. „Wir können zwar noch nicht verhindern, dass Kreidezähne entstehen, aber wenn wir sie frühzeitig erkennen, lassen sie sich in der Regel retten“, sagt auch Vidal Perez, ein Kinderzahnarzt an der Universität von Talca und Mitautor der Studie. Die Forscher planen weitere Studien, etwa zur Rolle von Umweltfaktoren und Krankheitserregern. „Diese neue Forschungsrichtung könnte eines Tages etwa die Hälfte der Kariesfälle bei Kindern beseitigen“, hofft Hubbard.
Patienteninformation: Was Eltern über Kreidezähne wissen sollten
Kreidezähne entstehen nicht durch mangelnde Zahnpflege. Sie entwickeln sich bereits während der Zahnbildung – oft als Folge von Kinderkrankheiten oder Fieber. Sichtbar werden sie erst beim Zahndurchbruch, z. B. durch:
weiße, gelbliche oder bräunliche Flecken,
empfindliche Kauflächen,
Absplitterungen oder schnelle Kariesbildung.
Wichtig für Eltern:
Kreidezähne sind behandelbar, besonders bei früher Erkennung.
Regelmäßige Kontrolluntersuchungen helfen, Zahnschäden zu vermeiden.
Sprechen Sie Ihre Zahnarztpraxis bei ersten Auffälligkeiten direkt an.
Vidal A Perez, Jonathan E Mangum , Michael J Hubbard: Pathogenesis of Molar Hypomineralisation: Aged Albumin Demarcates Chalky Regions of Hypomineralised Enamel; https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33101060/