Kündigung des Behandlungsvertrags durch Zahnärzte oder Patienten
Dr. jur. Alex JanzenWelche Besonderheiten es zu beachten gibt, wenn ein Behandlungsvertrags durch den Zahnarzt oder durch den Patienten gekündigt wird, erläutert Rechtsanwalt Dr. jur. Alex Janzen.
Was genau ist ein Behandlungsvertrag?
Nach einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung ist der zahnärztliche Behandlungsvertrag den Dienstverträgen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zuzurechnen. Seit dem Patientenrechtegesetz aus dem Jahr 2013 ist dies auch explizit gesetzlich geregelt: nach § 630b BGB finden auf das Behandlungsverhältnis die Vorschriften über das Dienstvertragsrecht nach §§ 611 ff. BGB Anwendung. Hieraus folgt, dass auch die gesetzlichen Regelungen zur Kündigung eines Dienstvertrages auf den zahnärztlichen Behandlungsvertrag anzuwenden sind.
Reguläre Kündigung eines zahnärztlichen Behandlungsvertrages
Nach dem Dienstvertragsrecht kann ein zahnärztlicher Behandlungsvertrag einerseits regulär, d. h. ordentlich, nach § 630b BGB in Verbindung mit § 620 Abs. 2 BGB, § 621 BGB gekündigt werden.
§ 621 BGB sieht für eine Kündigung eines Dienstvertrages abgestufte Kündigungsfristen vor. Das Gesetz bindet die Kündigungsfristen hier an die Bemessung der vereinbarten Vergütung. Die gesetzlichen Regelungen für vereinbarte Vergütungen nach Tagen, Wochen, Monaten oder Quartalen sowie nach längeren Zeitabschnitten gemäß § 621 Nr. 1 bis 4 BGB sind für zahnärztliche Behandlungsverträge in aller Regel von einer geringeren Relevanz.
Anders sieht es bei der Kündigungsfrist für einen Dienstvertrag aus, bei dem die Vergütung nicht nach Zeitabschnitten bemessen ist. Nach § 621 Nr. 5 BGB kann ein solcher Dienstvertrag und damit auch ein zahnärztlicher Behandlungsvertrag jederzeit von einer Vertragspartei gekündigt werden. In den seltenen Ausnahmefällen, in welchen die zahnärztliche Behandlung eines Patienten die Tätigkeit einer Zahnärztin oder eines Zahnarztes vollständig oder zu einem größten Teil in Anspruch nimmt, muss nach § 621 Nr. 5 Halbsatz 2 BGB eine Kündigungsfrist von 2 Wochen eingehalten werden. Nach überwiegender Auffassung ist dies bereits dann der Fall, wenn die betreffende Tätigkeit mehr als die Hälfte der Zeit einer Zahnärztin oder eines Zahnarztes beansprucht.
Zu berücksichtigen ist, dass die Kündigungsregelungen des § 621 BGB dispositives Recht darstellen und von Vertragsparteien deshalb abgeändert werden können. So können sowohl Kündigungsfristen verlängert oder verkürzt als auch eine Kündigung vom Vorliegen bestimmter Gründe abhängig gemacht werden.
Kündigung des Behandlungsvertrags aufgrund von versäumten Terminen
Eine in der Praxis häufig auftauchende Frage ist, ob ein zahnärztlicher Behandlungsvertrag gekündigt werden kann (hier: nach § 621 Nr. 5 BGB), wenn ein Patient einen vereinbarten Beratungstermin nicht wahrnimmt und ob darüber hinaus gegenüber dem Patienten Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können. Die Rechtsprechung sowie überwiegende Kommentierung gehen zwar davon aus, dass die Kündigung eines zahnärztlichen Behandlungsvertrages auch in solchen Fällen möglich ist, da nach expliziter Regelung des § 621 Nr. 5 BGB ein Dienstvertrag, bei dem die Vergütung nicht nach Zeitabschnitten bemessen ist, jederzeit gekündigt werden kann.
Darüber hinausgehende Schadensersatzansprüche werden allerdings regelmäßig nicht bestehen, da die Terminvergabe in zahnärztlichen Praxen nach überwiegender Auffassung in der Rechtsprechung nur dazu diene, einen geregelten Praxisablauf zu gewährleisten. Ob diese Auffassung der Realität entspricht, mag man bezweifeln. Bei größeren zahnärztlichen Behandlungen, die mehrere Stunden in Anspruch nehmen, können gegenüber dem säumigen Patienten sehr wohl Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden: die Rechtsprechung bemisst diese nach dem durchschnittlichen Kostenfaktor einer Behandlungsstunde in der zahnärztlichen Praxis.
Zu beachten ist, dass die Absage eines oder gegebenenfalls auch von mehreren vereinbarten Terminen durch einen Patienten nicht gleichbedeutend ist mit der Kündigung des gesamten Behandlungsvertrages nach § 627 BGB.
Bei gesetzlich krankenversicherten Patienten schreibt § 76 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch V (SGB V) darüber hinaus vor, dass diese Patienten den behandelnden Arzt oder Zahnarzt innerhalb eines Quartals nur dann wechseln können, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Verstoßen Patienten gegen diese Regelung, sind die Rechtsfolgen dieses Verstoßes streitig: nach einigen Auffassung bleibt der Verstoß jedenfalls in Bezug auf die Kostenübernahme durch die Krankenkasse folgenlos. Nach anderen Auffassungen führt der betreffende Verstoß dazu, dass der Kostenübernahmeanspruch der Krankenkasse entfällt.
Fristlose Kündigung eines zahnärztlichen Behandlungsvertrages
Eine andere Möglichkeit, einen zahnärztlichen Behandlungsvertrag zu beenden, ist die fristlose Kündigung des betreffenden Vertrages nach § 630b BGB in Verbindung mit §§ 626, 627 BGB.
Nach § 626 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 627 Abs. 1 BGB kann ein Dienstverhältnis, bei dem Dienste höherer Art geschuldet sind – dies ist bei zahnärztlichen Behandlungen nach allgemeiner Auffassung der Fall – von jeder Vertragspartei jederzeit gekündigt werden. Nach § 627 Abs. 2 Satz 1 BGB darf der Dienstverpflichtete (hier: eine Zahnärztin oder ein Zahnarzt) nur in der Art kündigen, dass sich der Dienstberechtigte (hier: ein Patient) die Dienste anderweitig beschaffen kann, sofern kein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt.
Bei einer Kündigung zur Unzeit muss der Dienstverpflichtete dem Dienstberechtigten nach § 627 Abs. 2 Satz 2 BGB den daraus entstehenden Schaden ersetzen.
Zu berücksichtigen ist, dass das freie Kündigungsrecht von Ärzten und Zahnärzten nach § 627 BGB durch Vorgaben der Rechtsprechung und durch Standesrecht der Ärzte und Zahnärzte eingeschränkt ist. Ist der Patient auf die Behandlung durch „seinen“ Zahnarzt oder „seine“ Zahnärztin angewiesen, darf der betreffende zahnärztliche Behandlungsvertrag durch den Zahnarzt oder die Zahnärztin nicht gekündigt werden, sofern keine wichtigen Gründe für die Vertragskündigung nach § 626 BGB bestehen. Das Gleiche gilt, wenn ein Patient in eine Notlage geraten ist und die Fortsetzung der Behandlung für ihn deshalb unbedingt notwendig ist.
Die Umstände bzw. die Form der Kündigung eines zahnärztlichen Behandlungsvertrages können eine fristlose Kündigung nach § 627 BGB ausschließen oder zumindest einschränken. Zwar bedarf die fristlose Kündigung nach § 627 BGB keiner bestimmten Form, sofern nicht abweichende vertragliche Abreden bestehen. Insbesondere muss die entsprechende Kündigung nicht schriftlich erfolgen. Allerdings kann eine von einem Zahnarzt bzw. von einer Zahnärztin per E-Mail erklärte Kündigung rechtswidrig sein, wenn sich die andere Vertragspartei in einer für den Behandelnden ohne Weiteres erkennbaren Notlage befindet.
In einem solchen Fall sind Zahnärztinnen und Zahnärzte gehalten, vor Erklärung der Kündigung ein persönliches Gespräch mit dem betreffenden Patienten zu suchen.
Dr. jur. Alex Janzen
FAQ – Kündigung des Behandlungsvertrags
Was ist die rechtliche Grundlage des Behandlungsvertrags?
Der Behandlungsvertrag ist rechtlich ein Dienstvertrag (§ 630b BGB i. V. m. §§ 611 ff. BGB).
Seit 2013 regelt das Patientenrechtegesetz die Besonderheiten (Dokumentation, Aufklärung etc.).
Können Patienten oder Zahnärzte den Behandlungsvertrag jederzeit kündigen?
Grundsätzlich ja, da es sich um einen Dienstvertrag handelt.
Kündigungsfristen hängen davon ab, ob die Vergütung nach Zeitabschnitten (Tag, Woche, Monat, Quartal) bemessen ist (§ 621 BGB).
Wenn keine zeitliche Vergütung vereinbart ist, ist eine Kündigung jederzeit möglich (§ 621 Nr. 5 BGB).
Welche Rolle spielen individuelle Vereinbarungen?
Sehr große Rolle: Kündigungsfristen und Modalitäten können vertraglich abweichend geregelt werden.
Beispiel: In Behandlungsverträgen für umfangreiche Eingriffe können längere Kündigungsfristen oder Sonderregelungen vereinbart sein.
Dürfen Zahnärzte Patienten kündigen, die wiederholt Termine versäumen?
Ja, eine Kündigung ist möglich, wenn keine zeitabschnittsbezogene Vergütung besteht.
Aber: Schadensersatzansprüche wegen Terminversäumnis sind oft schwer durchsetzbar, da Termine meist organisatorischer Natur sind.
Ausnahme: Bei umfangreichen Behandlungen (z. B. Implantat-OPs) kann der Patient kostenpflichtig werden.
Gibt es Unterschiede zwischen Privat- und Kassenpatienten?
Ja
Für gesetzlich Versicherte gilt: Nach § 76 Abs. 3 SGB V darf während eines Quartals nur mit wichtigem Grund der Zahnarzt gewechselt werden.
Ob die Krankenkasse dann die Kosten übernimmt, ist nicht eindeutig geklärt und wird unterschiedlich beurteilt.
Wann ist eine fristlose Kündigung möglich?
Wenn ein wichtiger Grund vorliegt (§ 626 BGB i. V. m. § 630b BGB).
Auch nach § 627 BGB ist möglich, weil zahnärztliche Leistungen auf besonderem Vertrauen basieren. Beispiele: Vertrauensverlust, z. B. grobe Pflichtverletzung; Unzumutbares Verhalten des Patienten oder Arztes; Akute Konflikte, die eine Weiterbehandlung ausschließen
Welche Einschränkungen gibt es bei fristloser Kündigung durch den Zahnarzt?
Keine Kündigung „zur Unzeit“, d. h. wenn der Patient dringend auf Behandlung angewiesen ist.
In Notfällen oder bei laufenden Behandlungen mit akuter medizinischer Notwendigkeit muss die Behandlung bis zur Übernahme durch einen anderen Zahnarzt fortgeführt werden.
In welcher Form muss gekündigt werden?
Gesetzlich ist keine bestimmte Form vorgeschrieben.
Schriftlich oder zumindest dokumentiert wird dringend empfohlen, um Nachweise zu haben.
Eine einfache E-Mail kann problematisch sein, wenn der Patient sich darauf berufen will, nicht ausreichend informiert worden zu sein.
Müssen Patienten bei Kündigung Schadensersatz leisten?
Grundsätzlich nein, wenn es sich um normale Terminabsagen handelt.
Ja, wenn durch die Absage ein erheblicher finanzieller oder zeitlicher Schaden für die Praxis entsteht und dies rechtlich einforderbar ist (z. B. bei fest vereinbarten OPs).
Was sollten Praxen organisatorisch beachten?
Klare Behandlungsverträge mit Regelungen zu Kündigung, Terminausfällen, Fristen.
Dokumentation jeder Kündigung und ihrer Gründe.
Prüfung der sozialrechtlichen Vorgaben (SGB V) bei Kassenpatienten.
Immer die Patientensicherheit und Notfallversorgung im Blick behalten.