Haftung im Zahnarztrecht: Vertragliche und deliktische Grundlagen
Dr. jur. Alex JanzenZahnärztliche Haftung basiert auf vertraglichen und deliktischen Anspruchsgrundlagen. Erfahren Sie, welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten und welche Pflichten Zahnärztinnen und Zahnärzte unbedingt beachten müssen.
Seit der Zeit des römischen Rechts sind Rechtsgrundlagen für eine Haftung dualistisch geprägt: Auf der einen Seite stehen vertragliche Anspruchsgrundlagen, die auf dem oder den Verträgen des Arztes bzw. Zahnarztes mit seinen Patienten beruhen. Auf der anderen Seite liegen sog. deliktische Ansprüche, die keinen Vertrag voraussetzen, sondern auf einem Handeln beruhen, dass bei der anderen Person zu einem Schaden führen. Beide Arten von Anspruchsgrundlagen unterscheiden sich nicht nur rechtstheoretisch voneinander, sondern haben auch unterschiedliche Voraussetzungen, unter denen eine Haftung begründet werden kann.
Vertragliche Haftungsgrundlagen
Die zentralen vertraglichen Anspruchsgrundlagen für eine Haftung im Zahnarztrecht finden sich seit dem Patientenrechtegesetz, das im Jahr 2013 in Kraft getreten ist, unter den §§ 630a-630h Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), die den Behandlungsvertrag regeln. Hinzu kommen bestimmte Regelungen aus dem allgemeinen Schuldrecht, wie § 280 BGB, die weitere Bestimmungen für eine Haftung im Zahnarztrecht enthalten. Der Behandlungsvertrag stellt eine Unterart eines Dienstvertrages dar, da von einem Zahnarzt grundsätzlich „nur“ die Leistung von bestimmten Diensten de lege artis und kein Eintritt eines bestimmten Erfolges verlangt wird. Lediglich in einigen Bereichen, wie der Anfertigung von Zahnersatz, weicht die Rechtsprechung von diesem gesetzlichen Leitbild ab und unterstellt die Tätigkeit von Zahnärzten in diesen Bereichen nicht dem Dienst-, sondern dem Werkvertragsrecht. Etwas anderes gilt allerdings, wenn der Zahnersatz bei einem Patienten eingesetzt wird: in einem solchen Fall soll wieder das Dienstvertragsrecht Anwendung finden.
Behandlungsvertrag
Eine vertragliche Haftung im Zahnarztrecht knüpft an die gesetzlich geregelten Rechte und Pflichten des Behandelnden und des Patienten an. Nach § 630a Abs. 1 BGB wird derjenige, der durch den Behandlungsvertrag die medizinische Behandlung eines Patienten zusagt, zur Leistung der versprochenen Behandlung und der Patient zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet, soweit nicht ein Dritter (z. B. eine Krankenkasse) zur Zahlung verpflichtet ist. Nach § 630a Abs. 2 BGB hat die Behandlung nach den zum Behandlungszeitpunkt bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, soweit nicht etwas anderes zwischen den Parteien des Behandlungsvertrages vereinbart ist.
Die zentrale Aussage des § 630a BGB ist die Bindung eines Zahnarztes an die fachlichen Standards, nach denen eine zahnärztliche Behandlung zu erfolgen hat. Werden die fachlichen Standards während einer Behandlung unterschritten, nimmt die Rechtsprechung regelmäßig einen Behandlungsfehler an. Mit den fachlichen Standards meint die Rechtsprechung die Standards eines erfahrenen Facharztes, der in der Praxis bewährte und naturwissenschaftlich gesicherte Methoden anwendet. Gleichwohl löst ein Abweichen von fachlichen Standards nicht in jedem Fall einen Behandlungsfehler aus, sofern ein solches Abweichen auf die besonderen Umstände der konkreten Behandlung gestützt werden kann oder wenn neue Behandlungsmethoden eingesetzt werden. Gleichwohl trägt der Behandelnde die Darlegung- und Beweislast, dass das Abweichen von fachlichen Standards in einer konkreten Situation geboten war und bei dem Patienten keinen zurechenbaren Schaden verursachte, sofern ein Patient nach der Behandlung behaupten sollte, die Behandlung habe bei ihm zu einem Schaden geführt.
Haftungsregelungen nach § 280 Abs. 1 BGB
Der Gesetzgeber hat im Patientenrechtegesetz davon abgesehen, im Behandlungsrecht von Ärzten und Zahnärzten nach §§ 630a ff. BGB – mit Ausnahme einzelner Bestimmungen zur Beweislastverteilung (siehe hierzu unten) – spezielle Regelungen zur Haftung aufzustellen. Stattdessen gilt auch im ärztlichen und im zahnärztlichen Behandlungsrecht die Haftungsnorm des allgemeinen Schuldrechts nach § 280 Abs. 1 BGB. Danach haftet der Behandelnde, wenn zwischen ihm und einem Patienten im Zeitpunkt der Behandlung ein wirksamer Behandlungsvertrag besteht, eine Pflichtverletzung aus den Behandlungsvertrag vorliegt, die betreffende Pflichtverletzung vom Behandelnden oder von seinem Personal (den sog. Erfüllungsgehilfen im Sinne des § 278 BGB) schuldhaft verursacht worden ist und zu einem Schaden des Patienten geführt hat.
Nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB wird es gesetzlich vermutet, dass der Schuldner (hier: der Behandelnde) die Pflichtverletzung zu vertreten hat, d. h. der Behandelnde muss beweisen, dass ihm keine Pflichtverletzung anzulasten ist oder dass er eine Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Es liegt auf der Hand, dass diese gesetzliche Vermutung die Position des behandelnden Zahnarztes erheblich verschlechtert, da diesem das Gesetz einen Entlastungsbeweis aufbürdet.
Haftungsregelungen des Deliktsrechts
Einen anderen Weg geht das Deliktsrecht. Die zentrale Haftungsnorm stellt hier § 823 Abs. 1 BGB dar. Nach dieser Regelung hat derjenige, welcher vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, dem anderen den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Der zentrale Unterschied der deliktischen Haftung zu der vertraglichen Haftung nach §§ 630, 280 Abs. 1 BGB besteht in der Verteilung der Beweislast für die Pflichtverletzung: einerseits schützt das gesetzliche Deliktsrecht nämlich nur die bestimmten Rechtsgüter einer Person (Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum oder ein sonstiges Recht) und andererseits kennt das Deliktsrecht im Gegensatz zum Vertragsrecht keine Vermutung im Sinne des § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB, dass derjenige, der eines von diesen Rechtsgütern verletzt hat, die Verletzung auch zu vertreten hat.
Unterschiede zwischen Vertragsrecht und Deliktsrecht
Auf den ersten Blick erscheinen die Unterschiede zwischen dem Vertragsrecht und dem Deliktsrecht wie juristische Spitzfindigkeiten, die lediglich theoretische Bedeutung hätten. Kommt es jedoch zu einem Haftungsfall, oder wird ein solcher Haftungsfall von einem Patienten behauptet, können die betreffenden Unterschiede in einem gerichtlichen Verfahren durchaus den Ausschlag für oder wider die Haftung geben.
Der erste relevante Unterschied ist der Umfang der geschützten Rechtsgüter des Patienten. Während im Vertragsrecht keine Beschränkung auf bestimmte Schutzbereiche existiert, schützt das Deliktsrecht nur einige wenige Rechtsgüter. Zwar wird bei einer Schädigung eines Patienten während oder aufgrund einer zahnärztlichen Behandlung regelmäßig das Leben, der Körper oder die Gesundheit des Patienten verletzt. Gleichwohl sind bestimmte Konstellationen denkbar, in welchen eine Behandlung bei einem Patienten zu einem Schaden führt, dieser Schaden jedoch die geschützten Rechtsgüter des Deliktsrechts im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB nicht beeinträchtigt hat. Als Beispiel kann eine fehlerhafte Herstellung eines Zahnersatzes angeführt werden, dass nicht bei dem Patienten eingesetzt werden kann, für den der Zahnersatz angefertigt wurde. Muss der Patient eine erneute Anfertigung des Zahnersatzes bezahlen, könnte er die Haftung des behandelnden Zahnarztes nach dem Vertragsrecht im Vergleich zum Deliktsrecht besser durchsetzen, da der betreffende Zahnarzt im Vertragsrecht nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB beweisen müsste, dass er die fehlerhafte Anfertigung des Zahnersatzes nicht zu vertreten hat. Im Deliktsrecht würde dieser Beweis dem Patienten obliegen.
Ein weiterer gewichtiger Unterschied zwischen dem Vertragsrecht und dem Deliktsrecht ist die Haftung von für das Fehlverhalten von Praxispersonal. Im Vertragsrecht hat ein Zahnarzt, der einen Patienten in seiner eigenen Praxis behandelt, nach § 278 BGB für das Fehlverhalten seines Praxispersonals einzustehen, ohne dass es sich entlasten, Juristen sprechen von exkulpieren, kann. Im Deliktsrecht eröffnet in solchen Fällen § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB dem behandelnden Zahnarzt eine Möglichkeit, sich zu exkulpieren. Danach wäre der behandelnde Zahnarzt nicht schadenersatzpflichtig, wenn er bei der Auswahl und der Leitung seines Praxispersonals die erforderliche Sorgfalt hat walten lassen, oder wenn der Schaden des Patienten auch bei der Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
Beschränkungen der Haftung für Behandlungsfehler
Weitere Unterschiede zwischen dem Deliktsrecht und dem Vertragsrecht können bei Beschränkungen der Haftung für Behandlungsfehler in Frage kommen. Die Rechtsprechung vertritt die Ansicht, dass bei medizinisch indizierten zahnärztlichen Behandlungen Haftungsbeschränkungen für Behandlungsfehler weder im Vertragsrecht noch im Deliktsrecht möglich sind, sofern jedenfalls eine Behandlung nicht unentgeltlich erfolgt.
Bei medizinisch nicht indizierten zahnärztlichen Behandlungen können andere Grundsätze gelten. Zu denken ist etwa an kosmetische zahnmedizinische Behandlungen, bei denen eine Beschränkung der Haftung durch eine explizite Vereinbarung mit dem Patienten in Frage kommen kann. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Rechtsprechung an das wirksame Zustandekommen solcher Vereinbarungen strenge Anforderungen stellt. So wäre der Haftungsausschluss für den Vorsatz in keinem Fall möglich. Das Gleiche soll nach überwiegender Ansicht auch für grob fahrlässige Behandlungsfehler gelten. Eine grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Behandelnde die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in einem ungewöhnlich großen Ausmaß außer Acht lässt. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn ein Zahnarzt selbst die elementaren erforderlichen Vorkehrungen während einer zahnärztlichen Behandlung nicht einhalten würde.
Ein Haftungsausschluss für einfache Fahrlässigkeit bei einer medizinisch nicht indizierten Zahnarztbehandlung wäre zwar grundsätzlich möglich. Aber auch an diesen stellt die Rechtsprechung strenge Anforderungen. Insbesondere wäre auch ein Haftungsausschluss für einfache Fahrlässigkeit mittels Formularklausel im Behandlungsvertrag bzw. in den allgemeinen Geschäftsbedingungen, die in den Behandlungsvertrag einbezogen wurden, nach § 309 Nr. 7a BGB unwirksam, wenn dieser Haftungsausschluss eine Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit eines Patienten betreffen würde. Ein individueller Haftungsausschluss für einfache Fahrlässigkeit bei medizinisch nicht indizierten Zahnarztbehandlungen müsste mit dem betreffenden Patienten einzeln ausgehandelt werden. Ein Aushandeln in diesem Sinne könnte nur dann angenommen werden, wenn die entsprechende Haftungsklausel vom behandelnden Zahnarzt gegenüber dem konkreten Patienten ernsthaft zur Disposition gestellt würde. Das wäre nicht der Fall, wenn der behandelnde Zahnarzt dem Patienten einen vorformulierten Haftungsausschluss vorgelegt hätte.
Beweislastverteilung bei Behandlungsvertrag
Mit dem Patientenrechtegesetz regelte der Gesetzgeber im BGB einzelne Fragen der Beweislastverteilung in einem Behandlungsvertrag. Nach § 630h Abs. 1 BGB wird ein Fehler des Behandelnden gesetzlich vermutet, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht hat, dass für den Behandelnden voll beherrschbar war und zur Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Patienten geführt hat. Bei groben Behandlungsfehlern wird nach § 630h Abs. 5 BGB vermutet, dass der Behandlungsfehler für die Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit ursächlich war, wenn dieser Behandlungsfehler grundsätzlich geeignet ist, eine solche Verletzung herbeizuführen.