Fehlerhafte zahnärztliche Behandlung: Rückforderung des Honorars und Kosten der Neuanfertigung
Dr. jur. Alex JanzenOb Rückerstattung des Honorars oder Ersatz der Kosten für eine Nachbehandlung: Patienten können bei einer unbrauchbaren zahnärztlichen Leistung Schadensersatz verlangen. Der Anspruch ist jedoch klar begrenzt: Doppelte Forderungen sind ausgeschlossen, und häufig greifen komplexe Regelungen zu Versicherungsleistungen, Zuständigkeiten und Beweislast. Rechtanwalt Dr. Alex Janzen gibt einen Überblick über die wichtigsten rechtlichen Fallstricke.
Rückerstattung des Honorars oder Kostenersatz?
Stellt sich eine zahnärztliche Behandlung tatsächlich als „unbrauchbar“ heraus, hat der Patient grundsätzlich zwei Optionen: Entweder fordert er das gezahlte Honorar zurück oder er verlangt Ersatz der Kosten, die für eine fachgerechte Mängelbeseitigung erforderlich sind. Eine Kumulation beider Ansprüche – Rückzahlung und Kostenersatz zugleich – ist hingegen ausgeschlossen.
Der Rückzahlungsanspruch des Patienten beruht auf Schadensersatzrecht: Ziel ist es, ihn so zu stellen, als wäre die Behandlung von Anfang an ordnungsgemäß erbracht worden. Anders verhält es sich, wenn der Patient neben der Rückerstattung des Honorars auch die Kosten einer Mängelbeseitigung durch einen anderen Zahnarzt geltend macht. Dies ist nur möglich, wenn die Nachbesserung durch den ursprünglichen Behandler gescheitert oder dem Patienten nicht zumutbar ist. In diesem Fall sind die zusätzlichen Kosten jedoch nur insoweit zu erstatten, als sie nicht bereits durch das zurückgezahlte Honorar gedeckt werden.
Richtiges Verhalten bei Geltendmachung von Schadenersatz
Macht ein Patient Schadensersatz- oder Kostenersatzansprüche geltend, ist von einer vorschnellen Zurückweisung ohne eingehende Prüfung dringend abzuraten. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass der Patient den Behandlungsvertrag kündigen kann, wenn der Zahnarzt einen Anspruch unbegründet – und möglicherweise sogar arglistig – bestreitet. Sinnvoller ist es daher, dem Patienten eine umfassende Prüfung des Vorbringens anzukündigen. Im Zentrum einer solchen Prüfung steht wie in allen haftungsrechtlichen Fällen die sorgfältige Dokumentation der Behandlung.
Es ist mittlerweile keine Seltenheit, dass Patienten bei tatsächlichen oder vermeintlichen Behandlungsfehlern ihres Zahnarztes oder ihrer Zahnärztin die Schlichtungsstelle der zuständigen Zahnärztekammer um eine Vermittlung bitten. Zu berücksichtigen ist hier, dass die Schlichtungsstelle einer Zahnärztekammer nur vermittelnd tätig werden kann, wenn beide Vertragsparteien hierzu ihre Einwilligung erteilen. Wird von einer Partei keine Einwilligung erteilt, bedeutet das allerdings nicht, dass eine Zahnärztekammer nicht von sich aus aktiv tätig werden kann bzw. muss, wenn sie durch eine tatsächliche oder vermeintliche mangelhafte Erfüllung des zahnärztlichen Behandlungsvertrages ein berufsrechtliches Vorgehen gegen das betreffende Mitglied für geboten hält.
Patient oder Versicherung: Wer hat Anspruch auf die Rückforderung des Honorars?
Verlangt ein Patient die Rückerstattung des gezahlten Honorars, ist zunächst sorgfältig zu prüfen, ob ihm ein solcher Anspruch überhaupt zusteht – und falls ja, in welchem Umfang. Dabei spielt die Krankenversicherung eine entscheidende Rolle: Gesetzlich wie auch privat Versicherte haben in aller Regel Anspruch auf Kostenübernahme durch ihre Kasse. Erbringt die Versicherung im konkreten Fall eine Leistung, geht der Rückforderungsanspruch des Patienten in dieser Höhe regelmäßig auf die Versicherung über.
Der Anspruchsübergang bedeutet, dass der Patient sein Rückforderungsrecht insoweit verliert, wie der Anspruch auf seine Krankenversicherung übergegangen ist. Zugleich gilt: Auch die Versicherung ist nur in dem Umfang zur Rückforderung berechtigt, in dem sie selbst Leistungen erbracht hat. Eigenanteile, die der Patient wie üblich selbst trägt, bleiben hiervon unberührt – insoweit steht das Rückforderungsrecht weiterhin ausschließlich dem Patienten zu.
Bei gesetzlich krankenversicherten Patienten regelt § 116 Abs. 1 SGB X, dass ein Schadensersatzanspruch auf den Versicherungsträger übergeht, soweit dieser Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Beseitigung desselben Schadens dienen und denselben Zeitraum betreffen. Die Rechtsprechung legt die Vorschrift weit aus: Erfasst werden nicht nur öffentlich-rechtliche, sondern auch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche. Der Anspruchsübergang umfasst zudem auch künftige, noch nicht erfüllte Ansprüche.
Anspruchsberechtigter Sozialversicherungsträger
Die Rechtsprechung stellt klar: Ein Anspruchsübergang nach § 116 SGB X erfolgt ausschließlich zugunsten des Sozialversicherungsträgers, der gesetzlich zur Kostenübernahme verpflichtet ist. Kommt es jedoch vor, dass nicht der zuständige, sondern ein anderer Träger die Leistungen erbringt, entstehen oft komplexe Folgeprobleme – sowohl für den Zahnarzt als auch für die beteiligten Versicherungen und den Patienten. In solchen Fällen kann es sogar passieren, dass ein unzuständiger Träger den Zahnarzt auf Rückzahlung des Honorars in Anspruch nimmt, obwohl ihm ein solcher Anspruch gar nicht zusteht.
Leistet der betreffende Zahnarzt auf eine solche Aufforderung, wird der Anspruch des tatsächlich zuständigen Sozialversicherungsträgers hierdurch nicht erfüllt. Das bedeutet allerdings nicht, dass der zuständige Sozialversicherungsträger trotz der Leistung den verpflichteten Zahnarzt in Anspruch nehmen kann. In solchen Fällen schreibt das Gesetz nämlich vor, dass ein Ausgleich zwischen dem zuständigen und unzuständigen Sozialversicherungsträger nach § 105 SGB X zu erfolgen hat. Typische Fälle sind Erstattungsansprüche von Krankenkassen gegen Unfallversicherungsträger oder gegen Rentenversicherungsträger sowie Ansprüche von Krankenkassen untereinander.
Kosten der Folgebehandlung
Besteht ein Anspruch auf Kostenübernahme für eine Folgebehandlung, ist dieser bei Kassenpatienten im Regelfall auf die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung begrenzt. Der schadensersatzrechtliche Charakter des Anspruchs schließt es in aller Regel aus, über diesen Rahmen hinausgehende Kosten geltend zu machen. Eine Ausnahme kann jedoch dort bestehen, wo der Leistungskatalog der GKV die konkrete Schadensbeseitigung nicht vorsieht. In solchen Fällen kann auch die Kostenübernahme einer privatzahnärztlichen Behandlung in Betracht kommen.
Zu beachten ist, dass die Übernahme von Kosten einer Folgebehandlung nur dann in Frage kommt, wenn diese Behandlung bereits tatsächlich erbracht wurde. Hat noch keine Folgebehandlung stattgefunden, kann der Patient weder hypothetische Kosten geltend machen noch Vorschüsse für eine erst künftig geplante Behandlung verlangen. Gleichwohl haben einige Oberlandesgerichte Ausnahmen zugelassen: Befand sich der Patient bereits in einer laufenden, aber noch nicht abgeschlossenen Folgebehandlung, hielten sie entsprechende Leistungsklagen für zulässig.
Keine Eintrittspflicht der Haftpflichtversicherung
In zahlreichen Haftpflichtbedingungen finden sich Ausschlüsse für Ansprüche, die auf einer mangelhaften Vertragserfüllung beruhen – dazu zählen auch Folgerechte wie Nacherfüllung oder Rücktritt. Versicherer argumentieren, dass es sich hierbei nicht um eine klassische Haftpflichtfrage handelt, sondern um eine Vertragsstörung, die allein im Verhältnis der Vertragsparteien zu klären ist. Für Zahnärzte hat dies eine erhebliche Konsequenz: Werden sie wegen einer fehlerhaften Behandlung auf Schadensersatz in Anspruch genommen, können sie im Regelfall nicht auf den Schutz ihrer Haftpflichtversicherung bauen.
Ersatz von immateriellen Schäden
Neben dem Ersatz von materiellen Schäden, wie die Rückzahlung des zahnärztlichen Honorars bzw. die Übernahme der Kosten der Folgebehandlung, können einem geschädigten Patienten auch Ansprüche auf Ersatz von immateriellen Schäden, häufig auch Schmerzensgeld genannt, zustehen. Anders als ein Schadenersatzanspruch auf Ersatz von materiellen Schäden soll ein Anspruch auf Schmerzensgeld erlittene Schmerzen eines geschädigten Patienten abgelten.
Die Höhe eines Schmerzensgeldes kann durchaus sehr unterschiedlich ausfallen. Zu berücksichtigen ist, dass in Deutschland, im Vergleich zu vielen anderen Rechtsordnungen, Schmerzensgeldansprüche von Gerichten in aller Regel nicht sehr hoch festgesetzt werden. Viele Schmerzensgelder belaufen sich auf einen 4-stelligen Betrag, darüberhinausgehende Schmerzensgelder sind selten. Als Beispiele können ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.500 € für Schmerzen nach Einsetzen einer mangelhaften Zahnprothese, von 2.000 € für eine Zahnverletzung bei einer Wurzelbehandlung und von 5.000 € bei Verletzung von Nerven bei der Entfernung eines Weisheitszahns angeführt werden. Die Rechtspraxis richtet sich bei der Höhe von Schmerzensgeldern an diversen Schmerzensgeld-Tabellen.
Zu berücksichtigen ist allerdings, dass Gerichte weder an Schmerzensgeld-Tabellen noch an Rechtsprechung der anderen Gerichte, auch nicht an die Rechtsprechung der Bundesgerichte, gebunden sind. Entscheidend sind allein die Gesamtumstände des konkreten Einzelfalles: es ist keine Seltenheit, dass vermeintlich gleiche Behandlungsfehler unterschiedliche Schmerzensgelder nach sich ziehen. Auch hier gilt, dass jeder Patient bzw. jeder Patientin auf gleiche Behandlungsfehler unterschiedlich reagieren können, was durchaus einen erheblichen Einfluss auf die Höhe eines Schmerzensgeldes haben kann. Es obliegt dem konkreten Patienten bzw. seinem Prozessbevollmächtigten diese unterschiedliche Reaktion auf den geltend gemachten Behandlungsfehler darzulegen und zu beweisen.
FAQ: Rückforderung des Honorars & Kosten der Neuanfertigung
1. Welche Ansprüche hat ein Patient bei mangelhafter zahnärztlicher Leistung?
Er kann entweder das gezahlte Honorar zurückfordern oder Ersatz der Kosten verlangen, die für eine ordnungsgemäße Nachbehandlung / Neuanfertigung nötig sind.
2. Kann der Patient beides gleichzeitig verlangen?
Nein – eine Kumulation von Rückerstattung und Kostenersatz gleichzeitig ist in der Regel ausgeschlossen.
3. Unter welchen Bedingungen darf der Patient Kosten eines anderen Zahnarztes geltend machen?
Nur, wenn der ursprüngliche Zahnarzt eine Mängelbeseitigung nicht durchführen konnte oder diese unzumutbar wäre. Die Kosten sind nur zu ersetzen, soweit sie nicht bereits durch das zurückgegebene Honorar abgedeckt sind.
4. Welche Rolle spielt die Dokumentation der ursprünglichen Behandlung?
Eine sehr große Rolle – sie ist zentral im Nachweis des Mangels und seiner Ursachen. Unzureichende Dokumentation kann die Verteidigung stark schwächen.
5. Wie ist das bei gesetzlich Versicherten mit Rückforderungen der Krankenkasse?
Wenn die Krankenkasse Leistungen erbracht hat, geht der Rückerstattungsanspruch des Patienten gemäß § 116 SGB X in dieser Höhe auf die Kasse über.
6. Können Kostenerstattungsansprüche über den GKV-Katalog hinausgehen?
In Ausnahmefällen ja, insbesondere wenn der GKV-Leistungskatalog eine sachgerechte Mängelbeseitigung nicht abdeckt.
7. Darf der Anspruch hypothetische Kosten für zukünftige Behandlungen umfassen?
Grundsätzlich nein – nur bereits erbrachte Leistungen sind geltend machbar; Vorschüsse oder zukünftige Kosten sind in der Regel ausgeschlossen.
8. Deckt die Haftpflichtversicherung solche Ansprüche?
Nicht zwangsläufig – viele Haftpflichtbedingungen schließen Ansprüche aus mangelhafter Vertragserfüllung aus. Darauf unbedingt achten.
9. Kann der Patient zusätzlich Schmerzensgeld verlangen?
Ja – neben materiellen Schadensersatzansprüchen kann ein Anspruch auf immateriellen Schaden (Schmerzensgeld) bestehen, abhängig vom Einzelfall.