Lappenlose Applikation von Schmelzmatrix-Derivaten bei der Paro-Behandlung
Prof. Dr. med. dent. Clemens WalterKann eine geschlossene Therapie mit zusätzlicher Applikation von Schmelzmatrixproteinen einen parodontal-chirurgischen Eingriff vermeiden? Prof. Dr. Clemens Walter fasst die Ergebnisse einer Multicenterstudie zusammen.
Zusätzliche, die Regeneration des Zahnhalteapparates fördernde Maßnahmen sind in der Therapie parodontaler Erkrankungen spätestens seit der Einführung von Membranen für die gesteuerte Geweberegeneration fest etabliert. Mitte der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts wurde eine neue Technik in das parodontal-chirurgische Behandlungsspektrum eingeführt.
So funktioniert die Applikation von Schmelzmatrix-Derivaten
Dieses Verfahren bedient sich eines anderen Wirkmechanismus und nutzt das Potential von Schmelzmatrixproteinen, die komplexen Vorgänge, die während der Entwicklung des Zahnhalteapparates ablaufen, zu imitieren. Die durch Parodontitis verloren gegangenen Bestandteile des Zahnhalteapparates können sich durch diesen biologischen Stimulus wieder aufbauen und im Rahmen klinisch relevanter Effektgrössen regenerieren. Dies ist insbesondere bei Vorliegen eines – idealerweise dreiwandigen – vertikalen Defektes vorhersagbar gut zu beobachten. Schmelzmatrixproteine wurden als Adjuvans für die parodontale Chirurgie in Skandinavien entwickelt und daher vornehmlich im Rahmen der neu konzipierten Stufe 3 der systematischen Parodontitistherapie eingesetzt.
Seit einigen Jahren wird nun auch der Einsatz im Rahmen der nicht-chirurgischen parodontalen Therapie (neu: Stufe 1 und 2) diskutiert und wissenschaftlich durch klinische Studien untersucht. Demgegenüber wurde die adjuvante Anwendung bereits subgingival instrumentierter parodontaler Taschen nach der Reevaluation noch nicht untersucht.
Methodik
Hierzu wurde eine Multicenterstudie von einer internationalen Forschergruppe geplant. Die Ergebnisse wurden im Jahre 2022 publiziert. Zunächst wurden erhöhte residuale Sondierungstiefen, im Bereich zwischen ≥ 5 und ≤ 8 mm und mit Bluten auf Sondieren, 3 – 6 Monate nach subgingivaler Instrumentierung während der 1. Reevaluation der klinischen parodontalen Befunde identifiziert. Im Anschluss erfolgte in einem Split-Mouth-Design die Randomisierung der Defekte. Bei den Kontrollzähnen erfolgte eine geschlossene Reinstrumentierung der verbliebenen Taschen, während bei den Teststellen darüber hinaus kommerziell verfügbare Schmelzmatrixproteine in Form von Emdogain® (Institut Straumann AG, Basel, Schweiz) appliziert wurden. Insgesamt konnten 44 Patienten aus 4 unterschiedlichen Zentren eingeschlossen werden. Die Ergebnisse wurden über 12 Monate nachverfolgt.
Ergebnisse der Multicenterstudie
43 Patienten konnten nach 6 und 40 Patienten nach 12 Monaten noch nachuntersucht werden. Die Veränderung der durchschnittlichen Sondierungstiefe sechs Monate nach Reinstrumentierung war der primäre Endpunkt. Der Unterschied zwischen den Gruppen war statistisch signifikant und zeigte eine zusätzliche Verringerung um 0,79 ± 1,3 mm in der Testgruppe.
Interessanter ist jedoch der jeweilige Anteil „geschlossener Taschen“ nach Therapie, das sind Stellen mit Sondierungstiefen ≤ 4 mm und ohne eine Sondierungsblutung. Der Prozentsatz dieser klinisch relevanten Kenngrösse war in der Testgruppe gegenüber der Kontrolle (42 %) nach 12 Monaten mit 80 % nahezu doppelt so hoch.
Klinische Schlussfolgerungen zum EInsatz von Schmelzmatrixproteinen
Die hier vorliegenden Ergebnisse sind konsistent und könnten somit ein weiteres mögliches Einsatzgebiet von Schmelzmatrixproteinen darstellen. Konzeptionell folgt nach der Reevaluation der initialen subgingivalen Instrumentierung üblicherweise eine parodontal-chirurgische Therapie, idealerweise – sofern klinisch indiziert und wissenschaftlich geprüft – mit zusätzlichen, die parodontale Regeneration fördernden Maßnahmen. Der Ansatz zunächst noch einmal eine geschlossene Therapie mit zusätzlicher Applikation von Schmelzmatrixproteinen zu versuchen, klingt daher vielversprechend und ist im Sinne der Patientinnen und Patienten. Können so doch anderweitig sonst vorzunehmende parodontal-chirurgische Eingriffe vermieden werden.
Um optimale Ergebnisse erzielen zu können, scheint allerdings das genaue Protokoll der Applikation von Bedeutung zu sein. Die Autoren beschreiben in der hier vorliegenden Studie sehr ausführlich, welche vielfältigen Maßnahmen zur Vermeidung einer Traumatisierung der Gewebe (Mini-Küretten, schmale Ultraschallansätze), der Konditionierung der Wurzeloberfläche (EDTA-Gel) und zur Blutungskontrolle (Spülung, Trocknung, absorbierende Papierspitzen) in den instrumentierten Taschen vorgenommen worden sind.
Quelle:Prof. Dr. med. dent. Clemens Walter
14197 Berlin