Wirtschaftsnachrichten für Zahnärzte | DENTAL & WIRTSCHAFT
Abrechnung

Bestandteile oder besondere Ausführungen einer anderen Leistung

Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.03.2021 – 5 C 11/19

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit seinem Urteil vom 05.03.2021 (Az. 5 C 11/19) eine wichtige letztinstanzliche Entscheidung zur Abrechenbarkeit von Leistungen getroffen, die Bestandteile oder besondere Ausführungen einer anderen Leistung sind. Das Gericht hatte über einen Beihilfefall auf dem Gebiet des Beamtenrechts zu entscheiden, mit der die Klägerin eine kieferorthopädische Behandlung begehrte, die aus der Eingliederung eines Klebebrackets (Nr. 6100 GOZ) nebst adhäsiver Befestigung (Nr. 2197 GOZ) bestand. Die Beihilfestelle erkannte die Eingliederung eines Klebebrackets, versagte jedoch die Übernahme der Kosten für die adhäsive Befestigung, da die Nr. 6100 GOZ eine Klebebefestigung umfasse.

Das Bundesverwaltungsgericht stellte sich auf den Standpunkt, dass die Auslegung der beiden anzuwendenden GOZ-Positionen umstritten sei, diese seien auch objektiv zweifelhaft. Wendet die Beihilfestelle solche umstrittenen Gebührenpositionen an und führt dabei auch eine vollumfängliche Prüfung der betreffenden Positionen durch, bleibt den Gerichten eine volle Überprüfung dieser Entscheidung der Beihilfestelle gleichwohl vorbehalten. Die Überprüfung der Entscheidung der Vorinstanz zeigt, so das Bundesverwaltungsgericht, dass die beiden Gebührenpositionen nicht zusammen in Ansatz gebracht werden können. Der selbstständigen Abrechenbarkeit der Nr. 2197 GOZ neben der Nr. 6100 GOZ stehe § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ entgegen. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ kann der Zahnarzt für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung ist, eine Gebühr dann nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. Die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ auf die Nr. 2197 GOZ und Nr. 6100 GOZ ergebe sich nach dem Bundesverwaltungsgericht daraus, dass die adhäsive Befestigung eine besondere Ausführung der Leistung im Sinne Nr. 6100 Anlage 1 GOZ sei und deshalb nicht gesondert berechnet werden darf.

Etwas anderes könne nach dem Bundesverwaltungsgericht nur gelten, wenn der Verordnungsgeber die selbstständige Abrechenbarkeit einer Teilleistung explizit zulässt. Mangels einer solchen Entscheidung des Verordnungsgebers in Bezug auf die Nr. 2197 GOZ und Nr. 6100 GOZ bleibt es nach dem Bundesverwaltungsgericht dabei, dass die adhäsive Befestigung neben der Eingliederung eines Klebebrackets nicht selbstständig abrechenbar sei.

Kalkulatorischer Gewinnanteil durch Einsatz eines CAD/CAM- Systems

Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main vom 17.03.2022 – 6 U 51/21

Das OLG Frankfurt am Main hat in seinem Urteil vom 17.03.2022 (Az. 6 U 51/21) entschieden, dass § 9 GOZ einen kalkulatorischen Gewinnanteil für zahntechnische Leistungen beim Betrieb eines Praxislabors durch den Zahnarzt nicht ausschließt. Die Klägerin begehrte den Erlass eines Urteils, einem Vermarkter eines CAD/CAM-gestützten Systems, das bei Restauration von Zahndefekten eingesetzt wird, bestimmte Werbung in Bezug auf dieses System zu untersagen.

Nach dem OLG Frankfurt am Main stellt es keine unzutreffende Werbung dar, wenn bei dem Vertrieb des betreffenden CAD/CAM-gestützten Systems behauptet wird, der Zahnarzt, der ein solches System anwendet, könne mit der Abrechnung von CAD/CAM-gestützten Leistungen einen Gewinn erzielen. Unabhängig von den Wertungen des § 9 GOZ kann der Zahnarzt, so das OLG Frankfurt am Main, durch den Einsatz eines CAD/CAM-gestützten Systems neue Patienten gewinnen und seine Effizienz steigern. Auch ist es für viele Patienten vorteilhaft, wenn der Zahnersatz direkt vor Ort hergestellt und die zahnärztliche Versorgung von Patienten so optimiert werden kann. Eine solche Optimierung führe nach dem OLG Frankfurt am Main auch dazu, dass Abrechnungsvorgänge gesteigert und der Gesamtgewinn der betreffenden Zahnarztpraxis generiert wird.

Der kalkulatorische Gewinnanteil durch den Einsatz eines CAD/CAM-gestützten Systems wird nach dem OLG Frankfurt am Main auch nicht durch die Wertungen des § 9 GOZ ausgeschlossen. Nach § 9 Abs. 1 GOZ können neben den Gebühren für einzelne zahnärztliche Leistungen auch Auslagen berechnet werden – insbesondere tatsächlich entstandene angemessene Kosten für zahntechnische Leistungen – soweit diese Kosten nicht mit den GOZ-Gebühren abgegolten sind. Diese Regelung könne zwar, so das OLG Frankfurt am Main, auf den ersten Blick so verstanden werden, dass die Auslagen bei der Abrechnung keinen Gewinnanteil enthalten dürften. Ein solches Verständnis des § 9 Abs. 1 GOZ sei nach dem OLG Frankfurt am Main jedoch unzutreffend, da der Begriff „angemessene Kosten“ bereits seinem Wortlaut nach einen Gewinnanteil impliziert, denn bloße weitergegebene Selbstkosten seien weder unangemessen noch angemessen.

Dafür spreche nach dem OLG Frankfurt am Main auch die historische Auslegung des § 9 Abs. 1 GOZ: Die betreffende Regelung ist geschaffen worden, um Kosten von Leistungen externer Dentallaboren zu begrenzen und Gewinnmargen von Zahnärzten auf solche fremden Leistungen zulasten der Patienten zu verhindern. Das Gleiche verlange nach dem OLG Frankfurt am Main auch der Sinn und Zweck des § 9 Abs. 1 GOZ: Unter „Auslagen“ seien nicht nur Selbstkosten des Zahnarztes zu verstehen, sondern der Aufwand zusammen mit dem nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ermittelten Gewinnanteil. Insbesondere müsse nach dem OLG Frankfurt am Main berücksichtigt werden, dass ein Zahnarzt mit praxiseigenem Labor deutlich höhere wirtschaftliche Risiken eingeht und für das Labor erhebliche Investitionen tätigt, die amortisiert werden müssen. Auch das erlaube eine Gewinnmarge bei dem Betrieb eines Eigenlabors.

Aussagen zum Zielleistungsprinzip des § 4 GOZ

Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) vom 10.01.2023 – 24 B 22.1769

In dem Urteil vom 10.01.2023 (Az.: 24 B 22.1.1769) hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, gestützt auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wichtige Aussagen zum Zielleistungsprinzip des § 4 GOZ aufgestellt. Lassen sich verschiedenen Gebührenpositionen keine Hinweise über ihr Verhältnis zueinander entnehmen, muss nach dem VGH geprüft werden, ob es selbstständige Leistungen sind oder ob eine Leistung als eine Zielleistung zu qualifizieren und die anderen als deren Bestandteile anzusehen sind. Eine solche Prüfung kann nach dem VGH nur gelingen, wenn der Empfang der zu prüfenden Leistungen vom Gericht anhand abstrakt-genereller Maßstäbe ermittelt worden ist. Im Rahmen einer solchen Prüfung offenbart eine differenzierte, punktmäßige GOZ-Bewertung einer Leistung nach dem VGH, dass sich die betreffende Leistung aus bestimmten Einzelverrichtungen zusammensetzt, die als solche nicht selbstständig abrechnungsfähig sind.

Diese Grundsätze überträgt der VGH auf die Prüfung selbstständiger Abrechenbarkeit der Gebührenpositionen zu Nr. 3290 GOZ und Nr. 3300 GOZ. Mit der Nr. 3290 GOZ wird nach dem VGH eine Kontrolle einer Wunde, regelmäßig in Form einer Sichtkontrolle ohne weitere Maßnahmen, abgerechnet. Einen anderen Leistungsinhalt hat nach dem VGH die Nr. 3300 GOZ als eine Nachbehandlung nach einem chirurgischen Eingriff, die mit weiteren Teilleistungen, wie das Entfernen einer Naht, die Spülung oder das Abtupfen einer Wunde etc., verbunden sein kann. Stellt der behandelnde Zahnarzt bei einer Sichtkontrolle einer Wunde keinen weiteren Behandlungsbedarf fest, wird eine solche Kontrolle nach Nr. 3290 GOZ abgerechnet. Ergibt die Sichtkontrolle eine weitere Behandlungsnotwendigkeit, wird diese umgesetzt, sodass die Leistung nach Nr. 3290 GOZ von der umfangreicheren Leistung nach Nr. 3300 GOZ verdrängt wird, eine gesonderte Abrechnung der Nr. 3290 GOZ unterbleibt in einem solchen Fall.

Grundsätze für die Rückzahlung zahnärztlicher Leistungen

Urteil des Landgerichts (LG) Düsseldorf vom 25.11.2021 – 3 S 2/21

 Mit seinem Urteil vom 25.11.2021 (Az.: 3 S 2/21) stellte das LG Düsseldorf einige Grundsätze für die Rückzahlung von zahnärztlichen Leistungen nach Nr. 2197 GOZ auf, die als unselbstständige Leistungen nicht gesondert abrechenbar waren. Im Gegensatz zum besprochenen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ging es hier jedoch nicht um eine gesonderte Abrechnung der adhäsiven Befestigung neben der Leistung nach Nr. 6100 GOZ, sondern um eine Abrechnung zusammen mit den Gebührenpositionen zu Nr. 2060, 2080, 2100 und 2120 GOZ.

Ähnlich dem Bundesverwaltungsgericht stellt auch das LG Düsseldorf bei der selbstständigen Abrechenbarkeit der Nr. 2197 GOZ darauf ab, ob die betreffende Leistung eine unselbstständige Teilleistung ist, die in den Nr. 2060, 2080, 2100 und 2120 mitenthalten ist. Nach dem LG Düsseldorf bereitet das „Konditionieren“ der Adhäsivtechnik nicht nur Adhäsionsmaßnahme vor, sondern auch das „Primen“ als Vorbereitung der Dentinoberfläche mit einem Primer, und das „Bonden“, als die Aplikation des Adhäsivs. Nur wenn alle diese drei Schritte ausgeführt sind, führt dies nach dem LG Düsseldorf zu einer fachgerechten Füllung in Adhäsivtechnik. Auch eine Unterscheidung zwischen multiadhäsiv, volladhäsiv, selbstadhäsiv und semiadhäsiv impliziert lediglich verschiedene Unterarten der Adhäsivtechnik.

Auch der Sinn und Zweck der adhäsiven Befestigung nach Nr. 2197 GOZ führt nicht dazu, die betreffende Gebührenposition gesondert neben den Nr. 2060, 2080, 2100 und 2120 GOZ abzurechnen. Zwar sollte nach dem Willen des Verordnungsgebers mit der Nr. 2197 GOZ der Mehraufwand für eine adhäsive Befestigung abgegolten werden. Dieser Mehraufwand ergibt sich jedoch bei der Erbringung von Leistungen in Bezug auf die Befestigung mit Adhäsivtechnik im Vergleich zu einer alternativen Leistung, nämlich einer Erbringung ohne Befestigung in Adhäsivtechnik. Dies zeige sich auch, so das LG Düsseldorf, in einer hohen Punktzahl bei der Abrechnung von Leistungen nach den Nr. 2060, 2080, 2100 und 2120 GOZ.

Einen Artikel von Dr. Alex Janzen zu Voraussetzungen und Grenzen bei der Delegation zahnärztlicher Leistungen lesen Sie hier.

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Dr. jur. Alex Janzen

Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Bank- und KapitalmarktrechtRechtsanwaltskanzlei Dr. jur. Alex Janzen

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