Interview: „Eine hohe Dividendenrendite kann auch ein Warnsignal sein“
Gerd HübnerFür Anleger kann es attraktiv sein, sich selbst ein Portfolio aus Dividendenaktien zusammenzustellen. Worauf es bei der Auswahl von Dividendentiteln ankommt, erläutert Dyrk Vieten von der Ficon Vermögensmanagement GmbH.
Herr Vieten, einige Dax-Titel wie die Automobilkonzerne bieten hohe Dividendenrenditen. Sollten Anleger investieren?
Dyrk Vieten: Das sieht in der Tat auf den ersten Blick sehr attraktiv aus. Allerdings sind diese Renditen mit hohen Risiken verbunden. Denn zum einen steht die Automobilindustrie heute aufgrund der Elektromobilität und der Digitalisierung vor einem massiven Strukturwandel, wobei Investitionen in neue Technologien die Gewinnmargen belasten. Zum anderen ist die Autobranche stark konjunkturabhängig. Geht es wirtschaftlichen bergab, dann bricht oft der Umsatz ein und das kann zu Dividendenkürzungen führen.
Woher kommen die hohen Dividendenrenditen der Autobauer dann?
Vieten: Einerseits haben sich deren Aktienkurse zuletzt nicht gut entwickelt. Andererseits sind die Jahre 2021 bis 2023 für die Automobilbranche sehr gut gelaufen und die Unternehmen haben in dieser Zeit hohe Gewinne erwirtschaftet. Die Frage ist aber, ob diese hohen Ausschüttungen nachhaltig sind oder ob sie in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten dann gekürzt werden.
Eine hohe Dividendenrendite allein recht also nicht als Kriterium bei der Aktienauswahl…
Vieten: Nein, auf keinen Fall. Eine hohe Dividendenrendite kann sogar ein Warnsignal sein, wenn sie zum Beispiel aus einem fallenden Aktienkurs resultiert. Tatsächlich sind Unternehmen mit ungewöhnlich hohen Ausschüttungen oft zugleich finanziell angeschlagen oder operieren in stagnierenden Branchen. Das wird auch als Dividendenfalle bezeichnet.
Woran sollten sich Anleger besser orientieren?
Vieten: Sehr viel wichtiger ist die Ausschüttungsquote, die sogenannte Payout Ratio. Grob kann man sagen, dass eine sehr hohe Payout Ratio, die bei über 80 Prozent des Gewinns liegt, bedeutet, dass das Unternehmen Schwierigkeiten hat, seine Dividende langfristig zu halten. Sie sollte eher niedriger sein, am besten bei unter 50 Prozent. Weitere wichtige Kriterien, die Investoren berücksichtigen sollten, sind das Dividendenwachstum, der Cashflow oder die Verschuldung.
Als besonders gute Beispiele für Dividendentitel werden Dividendenaristokraten genannt. Was verbirgt sich dahinter?
Vieten: Dividendenaristokraten sind Unternehmen, die ihre Dividende über mindestens 25 Jahre hinweg kontinuierlich erhöht haben. Sie zeichnen sich durch stabile Geschäftsmodelle, eine starke Marktstellung und eine langfristig orientierte Unternehmensführung aus. Anleger schätzen sie wegen ihrer Berechenbarkeit und Widerstandsfähigkeit in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Studien zeigen, dass Dividendenaristokraten historisch eine überdurchschnittliche Wertentwicklung bei gleichzeitig geringerer Volatilität aufweisen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Wie sich eine Dividendenstrategie mit ETFs sehr einfach umsetzen lässt und worauf Anleger bei der Produktauswahl unbedingt achten müssen
Auch 2024 setzte sich der Boom bei Exchange Traded Funds (ETFs) unvermindert fort. Etwa 1,6 Billionen Euro flossen den passiven Fonds laut dem Analysehaus Lipper weltweit zu. Damit erreichte das dort investierte Volumen Ende 2024 mit rund 14,2 Billionen Dollar einen neuen Höchststand. Und es gibt kaum eine Anlagestrategie, die sich mit ETFs nicht verfolgen lässt. So auch Dividendenstrategien.
Allerdings gibt es hier Unterschiede. So gibt es ETFs auf den DivDax, der die 15 Unternehmen mit der höchsten Dividendenrendite aus dem Leitindex Dax enthält. Ähnlich geht der FTSE All-World High Dividend Yield Index vor. „Jedoch sollte ein Dividenden-ETF nicht nur mit dem Fokus auf hohe Dividendenrenditen ausgewählt werden“, warnt Dyrk Vieten von der Ficon Vermögensmanagement GmbH. „Vielmehr sind auch Faktoren wie das Dividendenwachstum, die Nachhaltigkeit der Ausschüttungen oder die wirtschaftliche Stärke der enthaltenen Unternehmen entscheidend.“
Insofern sollten Anleger stärker darauf achten, welche Kriterien der Titelauswahl bei einem Dividendenindex zugrunde liegen. Beim LibertyQ Global Dividend Index zum Beispiel sind kontinuierliche Dividenden und Renditen sowie weitere Qualitätskriterien erforderliche Eigenschaften, um sich für den Index zu qualifizieren. Anleger setzen hier also nicht nur auf die Titel mit der aktuell höchsten Dividendenrendite, sondern auf Unternehmen, die sich vor allem durch langfristige kontinuierliche Ausschüttungen auszeichnen. Ähnlich strukturiert sind ETFs auf jene Indizes, die Dividendenaristokraten enthalten. Dazu zählen der S&P Global Dividend Aristocrats Index oder die entsprechenden Varianten für den US- oder den europäischen Markt.
Zudem können Investoren zwischen der ausschüttenden und der thesaurierenden Variante wählen. Wer auf regemäßig Einnahmenströme angewiesen ist, sollte einen ausschüttenden ETF wählen. Bei wem das nicht der Fall ist und wer einen langen Anlagezeitraum hat, sollte die thesaurierende Tranche bevorzugen, bei der die Dividenden automatisch wieder angelegt werden, wodurch sich langfristig ein Zinseszinseffekt ergibt.
Quelle:V-Bank