Erbschaftsteuerregeln nutzen – solange es noch geht!
Florian JunkerVermögen zu übertragen könnte in naher Zukunft kostspieliger werden, deswegen kann es sich lohnen, spätere Erben schon heute zu beschenken. Je mehr zu geben ist, desto früher sollte man sich darüber Gedanken machen, denn Abwarten kann angesichts der politischen Stimmung teuer werden.
Noch sind es nur Gedankenspiele, aber immer lauter wird über Änderungen bei der Besteuerung von Erbschaften nachgedacht. Angesichts wachsender Herausforderungen bei der Finanzierung von staatlichen Megaprojekten, sind die aber nicht mehr nur aus dem erwartbaren Spektrum zu hören. Reformbedarf sehen etwa auch Monika Schnitzer, Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, oder der Unionsfraktionsvorsitzende Jens Spahn. Zwar sind die Einnahmen aus dieser Steuer, trotz der Steigerungen der letzten Jahre (s. Grafik unten), im Vergleich zu anderen Steuerarten gering. Doch die politische Debatte um die Reform der Erbschaftssteuer ist in vollem Gange.
Mehr Steuereinnahmen durch Erbschaften und Schenkungen
2024 lag die festgesetzte Erbschafts- und Schenkungssteuer bei 13,3 Milliarden Euro. Sie hat sich damit in den letzten fünf Jahren fast verdoppelt. Insbesondere die Steuerquelle aus Schenkungen sprudelte kräftig, hier haben sich die Staatseinnahmen seit 2019 von 1,2 Milliarden auf 4,8 Milliarden sogar vervierfacht. Steuerlich erfasst wurden insgesamt 113,2 Milliarden Euro, was nicht gleichzusetzen ist mit dem tatsächlich übertragenen Vermögen in Deutschland. Denn liegt eine Erbschaft oder Schenkung unter der Freibetragsgrenze von zum Beispiel pro Kind 400.000 Euro wird sie bisher nicht erfasst. Schätzungen gehen von über 400 Milliarden Euro übertragenem Vermögen in Deutschland pro Jahr aus, der Großteil wird also bisher steuerlich gar nicht für die Staatseinnahmen berücksichtigt.
„Das ist Thema in fast jedem Kundengespräch und beschäftigt uns massiver denn je“, sagt Wolfgang Köbler von der KSW Vermögensverwaltung AG in Nürnberg. „Die Frage, ob sich das Erbschaftssteuergesetz in nächster Zeit ändern wird oder gar muss, wird nicht zuletzt in Karlsruhe entschieden“, ergänzt Dr. Rafael Hörmann, er ist Fachanwalt für Steuerrecht sowie Gründungspartner der Kanzlei CHP Rechtsanwalt & Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB aus München. Entscheidet das Bundesverfassungsgericht, das reformiert werden muss, könnte so ein Urteil den Handlungsdruck erhöhen, die Anpassung der Erbschaftsteuer insgesamt anzupacken. „Wo wir in zehn Jahren stehen, kann man aber überhaupt nicht sagen“, sagt Rechtsanwalt Dr. Hörmann, „daher empfehle ich eher die aktuelle Rechtslage für lebzeitige Übertragungen zu nutzen.“ Denn es werde wohl kaum günstiger, Vermögen in die nächste Generation zu übergeben.
Das Motto: Freibeträge jetzt nutzen!
Denn noch gelten gerade für enge Familienmitglieder relativ hohe Freibeträge für Schenkungen. So können zum Beispiel pro Kind bis zu 400.000 Euro von jedem Elternteil übertragen werden, ohne dass eine Meldung an das Finanzamt zu Steuerzahlungen führt. Selbst wenn bereits solche Summen durch ein Haus oder ähnliches auf die Kinder übertragen wurden, kann dieser Freibetrag eventuell erneut genutzt werden. Denn nach aktuellem Recht lebt der nach zehn Jahren neu auf. „Die effektive Ausnutzung der Freibeträge ist noch wichtiger geworden“, erklärt Wolfgang Köbler von der KSW Vermögensverwaltung AG in Nürnberg (s. Interview). Was dagegen praktisch nicht genutzt werde, sei die Möglichkeit, die heute geltenden Steuern in Kauf zu nehmen und über die Freibetragsgrenzen hinaus zu handeln. Gerade bei größeren Vermögen werden dann andere Optionen genutzt, zum Beispiel Familiengesellschaften gegründet oder Stiftungen ins Leben gerufen.
Verschenkt, aber doch nicht völlig weg!
So etwas macht in aller Regel für den Normalbürger mit Eigenheim und lebenslang aufgebautem überschaubarem Sparvermögen keinen Sinn. Hier kommen eher Nießbrauchmodelle zum Einsatz. Das kann das klassische Überschreiben des Eigenheims an die Kinder sein, bei dem sich die Schenkenden das Wohn- und Nutzungsrecht vorbehalten. Aber auch andere Vermögenswerte können so übertragen werden und der Nießbrauchsvorbehalt kann helfen, die Freibeträge deutlich effektiver nutzen zu können (s. Infokasten). Angesichts der Inflationserfahrung der letzten Jahre, hat das noch einen zusätzlichen Vorteil: Die Erträge des übertragenen Vermögens können weiter für einen angenehmen Lebensabend eingesetzt werden. Denn wer will schon komplett alles hergeben und ohne Reserven im Alter sein, nur um den Erben nach dem eigenen Tod Steuern zu sparen? Diese Art der Weitergabe hat dazu noch einen Vorteil, gerade bei eher jungen Begünstigten: Das Vermögen kann ohne Zustimmung nicht einfach so ausgegeben oder in riskante Spekulationen gesteckt werden. Das kann zum Beispiel auch über Erbverträge oder eine Übertragung in Rahmen von Versicherungslösungen erreicht werden. Allen Optionen ist aber eins gemeinsam: Je früher über so etwas nachgedacht wird, desto mehr Möglichkeiten bleiben, die heute wahrscheinlich noch relativ günstigen Regelungen für Schenkungen und Erbschaften zu nutzen.
Kurz erklärt: Das Nießbrauchprinzip
Die Idee ist genial: Heute schon etwas übertragen, Steuerfreibeträge nutzen, aber die Früchte weiter nutzen und dadurch auch noch den Wert der Schenkung reduzieren. Also im Prinzip ist das so, als würde dem Schenkenden ein Apfelbaum gehören. Der wird schon zu Lebzeiten zum Beispiel an ein Kind übertragen, aber es wird sich das Recht vorbehalten, die Äpfel zu ernten, um sie selbst zu essen oder zu verkaufen. Was nach einem schlechten Geschäft für den Beschenkten klingt, kann sich unter dem Strich aus der Steuerperspektive bei Vermögenswerten besonders vorteilhaft auswirken. Denn wenn zum Beispiel das Elternhaus mit einem Nießbrauchvorbehalt übertragen wird, reduziert ein lebenslanges im Grundbuch eingetragenes Nutzungsrecht der Eltern den Wert der Immobilie. Wie stark, das hängt von vielen Faktoren und nicht zuletzt von der statistischen Restlebenserwartung der Schenkenden ab.
Aber dass sich mit Nießbrauchmodellen die Freibetragsgrenzen sehr effektiv erweitern lassen, zeigt ein Blick auf den kostenlosen online Rechner für die Übertragung von Depots auf der Internetseite www.v-check.de/vererben/niessbrauch-mit-wertpapieren. Denn auch andere Vermögenswerte wie etwa Aktien, Anleihen und Co. können mit Nießbrauchvorbehalt an die nächste Generation oder andere Personen übertragen werden, während der Schenkende weiter Erträge wie Dividenden oder Zinsen für einen angenehmen Lebensabend nutzen kann. Ein 63-jähriger Mann könnte so bei einem angenommen jährlich Ertrag von 5 Prozent an seine Tochter fast eine Million Euro übertragen, ohne dass viele deutschen Finanzämter dafür Schenkungssteuer verlangen würden, obwohl der eigentliche Freibetrag nur bei 400.000 Euro liegt. Zusätzlich kann die schenkende Generation so ein Stück weit die Kontrolle über die Verwaltung des Wertpapierdepots behalten und ein Verjuxen des Vermögens durch einen unerfahrenen Beschenkten verhindern. Bei der wasserdichten Ausgestaltung solcher Modelle ist jedoch die Hilfe von Steuer-, Rechts- und Vermögensexperten dringend angeraten.
„Jetzt Vermögensübergange noch günstig zu gestalten, das macht Sinn!“
Rechtzeitig über Erbangelegenheiten nachzudenken, hat gleich mehrere Vorteile: Es kann nicht nur helfen, zu den noch geltenden Konditionen Steuern zu sparen, sondern langfristig auch zum Familienfrieden beitragen, erklärt Wolfgang Köbler, Vorstand bei der KSW Vermögensverwaltung AG aus Nürnberg.
Glauben Sie, dass wir in Zukunft noch die gleichen Freibeträge und Steuerregeln bei Schenkungen und Erbschaften haben wie heute?
Köbler: Es ist aus meiner Sicht quasi ausgeschlossen, dass wir in zehn Jahren noch die gleichen Freibeträge und Steuerregeln für Schenkungen und Erbschaften haben werden. Schon heute wird auf diesen Bereich, insbesondere aus dem linken Parteienspektrum, gespechtet. Angesichts der angespannten Haushaltslage werden Änderungen immer wahrscheinlicher, obwohl das tatsächliche Steueraufkommen aus Erbschaften und Schenkungen unter zwei Prozent der gesamten Steuereinnahmen in Deutschland liegt. Aber auch unabhängig davon gibt es Reformbedarf, so ist zum Beispiel die Verschonungsbedarfsregelung eigentlich der breiten Bevölkerung nicht vermittelbar. Dadurch konnten in der Vergangenheit große Vermögen, wie etwa die Schenkung von Anteilen von Friede Springer an Mathias Döpfner, anscheinend nahezu steuerfrei übertragen werden - da stellt sich dann schon, unabhängig vom Parteihintergrund, die Gerechtigkeitsfrage.
Können die jetzt noch geltenden Regelungen genutzt werden, um Vermögen steueroptimiert zu übertragen?
Köbler: Da es eher unwahrscheinlich sein dürfte, dass die Freibeträge großzügig nach oben korrigiert werden, macht es Sinn, die jetzt noch zu nutzen. Genau das machen auch bereits viele unserer vermögenden Kunden und übertragen Werte in diesem Rahmen insbesondere innerhalb der Familie. Ist ein Unternehmenshintergrund vorhanden, werden möglichst noch die geltenden Regelungen zur Begünstigung von übertragenem Betriebsvermögen genutzt, die etwa eine Steuerverschonung beim Erhalt des Lohniveaus über einige Jahre versprechen. Aber unabhängig davon, ob es sich um privates Vermögen oder Beteiligungen an Unternehmen handelt, ist es immer wichtig, frühzeitig miteinander zu sprechen. Um im Erbfall Streitigkeiten in der Familie zu vermeiden, sollte das Thema nicht auf die lange Bank geschoben, sondern möglichst bald mit offenen Karten gespielt werden. Das ist die wichtigste Maßnahme, um langfristig tragfähige und von allen akzeptierten Lösungen umzusetzen.
Kann es auch Sinn machen, heute bewusst Steuerzahlungen für Schenkung in Kauf zu nehmen, nach dem Motto „Wer weiß was kommt“?
Köbler: Unserer Erfahrung nach macht das kaum jemand, jetzt bewusst über die Freibeträge hinaus Vermögen zu übertragen und die momentan geltenden Steuern dafür in Kauf zu nehmen. Soll mehr als zum Beispiel 400.000 Euro pro Kind übertragen werden, werden eher die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten genutzt, diesen Rahmen legal auszuweiten.
Was sind hier typische Modelle?
Köbler: Gerne genutzt werden zum Beispiel Schenkungen mit Nießbrauchvorbehalt. Das kennen die meisten aus dem Immobilienbereich, wenn zum Beispiel Häuser oder Wohnungen der Eltern an die Kinder übertragen werden, sich die Schenkenden aber ein lebenslanges Recht sichern, dort selbst zu wohnen oder Mieterträge für den Ruhestand zu nutzen. Das hat noch einen entscheidenden Vorteil, denn hierbei können nicht nur die Freibeträge genutzt werden, sondern dieser Nießbrauchvorbehalt reduziert den Wert der Schenkung. Was eher wenige wissen, dieses Modell gibt es auch für Wertpapierdepots und je nach Alter des Schenkenden kann so zum Beispiel an Kinder ein Vermögen von fast einer Million Euro ohne Steuerbelastung übertragen werden. Daneben gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die im Einzelfall günstige Lösungen sein können, das reicht von einer Familienpoolkommanditgesellschaft über Stiftungsmodelle bis zu Versicherungsmänteln.
Ist es denn sinnvoll, alles an die Jungen zu verschenken nur um Steuern zu sparen?
Köbler: Das macht eigentlich niemand, selbst die 80- oder 90-jährigen nutzen zwar nach Möglichkeit die Freibeträge aus, schauen aber schon, dass sie bis zum Schluss gut und sicher versorgt sind. Vielen ist es daneben wichtig, dass das geschenkte Vermögen nicht im jugendlichen Leichtsinn schnell ausgegeben wird. Auch hier gibt es eine Reihe von Möglichkeiten und Konstruktionen, den Beschenkten erst ab einer gewissen Reife den vollen Zugang zum Vermögen zu erlauben. Allerdings sollte sich niemand einbilden, für immer und ewig die Kontrolle behalten zu können - irgendwann gilt es einfach loszulassen. In der Regel lässt sich nur die direkte Phase nach dem ersten Erbgang sinnvoll bestimmen, was danach passiert, hat die gebende Generation realistisch betrachtet nicht mehr zu bestimmen, außer das Vermögen führt in einer Stiftung in Zukunft quasi ein Eigenleben.
Was wäre Ihr Wunsch an die Politik rund um das Thema Erbschaft?
Köbler: Optimal wäre es, wenn die Freibeträge im Münchner Umland nicht die gleichen wären wie in Sachsen-Anhalt. Das hätte den Vorteil, dass auch an gefragten Lagen Immobilien in der Familie gehalten werden können. Dafür könnten Gewinne aus Immobilienverkäufen generell versteuert werden, unabhängig von Haltefristen, wie es in den meisten Nachbarländern bereits üblich ist. Zusätzlich wäre eine einheitliche Besteuerung von übertragenem Vermögen meiner Ansicht nach fairer als der Anstieg des Steuersatzes nach Vermögenshöhe wie wir sie jetzt haben. Aber es würde mich sehr überraschen, wenn die Politik so etwas umsetzen würde, denn es wird wohl kaum in Richtung faire Behandlung von Erbschaften in Millionenhöhe, sondern eher um mehr Einnahmen von den Reichen gehen.