Wirtschaftsnachrichten für Zahnärzte | DENTAL & WIRTSCHAFT
Steuerrecht

I. Die Umsatzsteuer als eine EU-harmonisierte Steuer

Die Umsatzsteuer gehört zu den ertragreichsten Steuern in Deutschland. Laut Berechnungen des Statistischen Bundesamtes wird sie lediglich von der Lohnsteuer als eine Erhebungsform der Einkommensteuer übertroffen.

Bei der Umsatzsteuer handelt es sich um eine auf der EU-Ebene angeglichene – ein Steuerfachmann sagt harmonisierte – Verkehrs- und Verbrauchsteuer, die europarechtlich als „Mehrwertsteuer“ bezeichnet wird. Die Umsatzsteuer als Mehrwertsteuer zu bezeichnen, hat sich umgangssprachlich auch in der Deutschland durchgesetzt.

Die Bedeutung der Umsatzsteuer spiegelt sich in der Verwaltungspraxis der deutschen Finanzämter wider: seit jeher stellt die Umsatzsteuer einen der Schwerpunkte in Außenprüfungen der Finanzverwaltung dar. Keineswegs sollte deshalb ein Mediziner, erst recht nicht ein Zahnarzt, sich in dem Irrglauben und in der vermeintlichen Sicherheit wiegen, die Umsatzsteuer betreffe ihn nicht.

II. Heilbehandlungen durch Zahnärzte

Nach § 4 Nr. 14 lit. a Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) sind Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, welche durch einen Zahnarzt vorgenommen werden, umsatzsteuerfrei. Die Reichweite dieser gesetzlichen Regelung, die auf den ersten Blick klar und verständlich erscheint, bedarf eingehender Erörterung.

Eine Behandlung durch einen Zahnarzt ist nach § 4 Nr. 14 lit. a Satz 1 UStG nur dann steuerfrei, wenn sie als eine Heilbehandlung zu qualifizieren ist. Was als eine Banalität erscheint, führt in der Praxis immer wieder zu Problemen und Diskussionen mit der Finanzverwaltung.

Behandlung muss Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen

Nach dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), dessen Auffassung der Bundesfinanzhof (BFH) und die deutsche Finanzverwaltung übernommen haben, muss eine Behandlung dem Diagnostizieren oder der Behandlung von Krankheiten oder anderer Gesundheitsstörungen dienen. Wobei der Gesundheitsschutz der behandelten Person sowie die Wiederherstellung und die Aufrechterhaltung ihrer Gesundheit im Vordergrund stehen muss.

Der BFH legt diese Auffassung des EuGH weit aus: danach liegt eine Heilbehandlung auch bei vorbeugenden Untersuchungen und bei ästhetischen Nachbehandlungen vor. Allerdings nur, wenn diese Nachbehandlungen als eine Folge einer Heilbehandlung erforderlich sind.

So hat der BFH entschieden, dass Zahnaufhellungen, die ein Zahnarzt zur Beseitigung behandlungsbedingter Zahnverdunklungen vornimmt (sog. Bleaching), zu steuerfreien Heilbehandlungen gehören.

Plastische Leistungen umsatzsteuerrechtlich umstritten

Besonders kontrovers und umstritten in Bezug auf die Umsatzsteuer sind plastische Leistungen ästhetischer Natur. Dem Grundsatz nach unterliegen diese der Umsatzsteuer, sofern sie nicht primär einem therapeutischen Zweck dienen. Dies gilt in erster Linie für Schönheitsoperationen, wenn sie medizinisch nicht erforderlich sind.

Als ein Indiz, wann eine medizinische Erforderlichkeit fehlt, nimmt die Finanzverwaltung auf der einen Seite die fehlende Kostentragung durch Sozialversicherungsträger. Jedoch wird die Umsatzsteuerbefreiung auch auf ästhetische Behandlungen erstreckt, wenn diese der Wiederherstellung oder der Aufrechterhaltung von Gesundheit dienen. Wann eine zahnmedizinische Behandlung in Grenzbereichen noch der Krankheitsbehandlung dient und wann schon ein umsatzsteuerpflichtiger, da medizinisch nicht indizierter Eingriff vorliegt, ist naturgemäß streitig und kann nur in einem konkreten Einzel- und Behandlungsfall entschieden werden.

In welcher Rechtsform zahnärztliche Heilbehandlungen durchgeführt werden, ist für die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 lit. a Satz 1 UStG unerheblich, sofern die konkrete Heilbehandlung durch einen approbierten Zahnarzt vorgenommen wird.

III. Andere Leistungen von Zahnärzten

Sofern Leistungen von Zahnärzten keinen Bezug zur Heilbehandlung aufweisen, besteht keinen Zweifel daran, dass diese Leistungen umsatzsteuerpflichtig sind. Insbesondere in folgenden Fällen ist von einer Umsatzsteuerpflicht auszugehen:

  • Überlassung von Zahnarztpraxen an andere Zahnärzte,
  • Erstellung von Gutachten durch Zahnärzte, sofern das Gutachten nicht in erster Linie einem therapeutischen Zweck dient;
  • Vortrags- oder Lehrtätigkeit von Zahnärzten, selbst wenn der Vortrag oder die Lehrtätigkeit der Ausbildung bzw. Fortbildung von Ärzten / Zahnärzten dient;
  • Publizistische Tätigkeit von Zahnärzten, unabhängig davon, ob es sich um die Schriftstellerei oder um ein wissenschaftliches Publizieren in Fachzeitschriften handelt;
  • Nutzungsüberlassung von medizinischen Großgeräten durch Zahnärzte an Berufsangehörige gegen Entgelt.

Gibt ein Zahnarzt aus seiner Praxis an Patienten Medikamente ab, ist die Abgabe nur dann umsatzsteuerfrei, wenn sie bei einer Heilbehandlung erfolgt. Zu denken ist hier z. B. an Medikamentenspritzen während einer Zahnbehandlung. Veräußerung von Medikamenten aus der Zahnarztpraxis an Patienten ist hingegen umsatzsteuerpflichtig.

Von dieser umsatzsteuerpflichtigen Abgabe von Medikamenten sind infektionshygienische Leistungen von Zahnärzten streng zu unterscheiden. Sofern solche Leistungen dazu dienen, Heilbehandlungen konform mit dem Infektionsschutzgesetz und dazu ergangener Verordnungen zu erbringen sind diese Leistungen nach § 4 Nr. 14 lit. e UStG umsatzsteuerfrei. Diese Regelung ist insbesondere in der heutigen durch COVID-19-Pandemie geprägten Zeit relevant.

IV. Prothetische Leistungen von Zahnärzten

Nach § 4 Nr. 14 lit. a Satz 2 UStG gilt die Umsatzsteuerbefreiung von Heilbehandlungen durch Zahnärzte nicht für die Lieferung oder Wiederherstellung von Zahnprothesen und kieferorthopädischen Apparaten, soweit diese vom betreffenden Zahnarzt in seinem Praxislabor hergestellt oder wiederhergestellt werden. Unter diese Regelung fallen nach der Auffassung der Finanzverwaltung auch durch Zahnärzte selbst hergestellte provisorische Kronen und Unterfütterungen von Zahnprothesen.

Problembehaftet sind primär Fälle, in denen Zahnärzte Teile der Herstellung von Zahnprothesen und kieferorthopädischen Apparaten auslagern oder einem Dritthersteller von solchen Zahnprothesen und Apparaten Material liefern.

Beschäftigen Zahnärzte Zahntechniker, welche Teile von Zahnprothesen und Apparaten nicht in dem Praxislabor des betreffenden Zahnarztes, sondern in dem eigenen Labor als selbstständige Unternehmer anfertigen, ist nur die auf die Herstellung in der Praxislabor des betreffenden Zahnarztes entfallene Leistung umsatzsteuerpflichtig. Es muss deshalb in der Praxis streng geachtet werden, dass eine solche „gesplittete“ Herstellung von Zahnprothesen und kieferorthopädischen Apparaten in Aufzeichnungen und in Buchführung des betreffenden Zahnarztes korrekt erfasst und nur die tatsächlich entstandene Umsatzsteuer abgerechnet wird.

Materiallieferung kann Umsatzsteuerpflicht auslösen

Werden Zahnprothesen und kieferorthopädische Apparate zwar von Dritten hergestellt, liefert der Zahnarzt oder die Zahnärztin jedoch Material für deren Herstellung, z. B. Zahngold, ist die Lieferung von fertiggestellten Zahnprothesen und kieferorthopädischen Apparaten umsatzsteuerpflichtig, soweit sie auf das vom Zahnarzt oder von Zahnärztin gelieferten Material entfällt.

Nicht minder wichtig ist der Umstand, dass Zahnärzte die Umsatzsteuer in der an sie gerichteten Rechnungen des Zahntechnikers nicht als Vorsteuer abziehen dürfen, da Zahnärzte Zahnprothesen und kieferorthopädische Apparate umsatzsteuerfrei liefern, soweit diese von Dritten (hier: von einem Zahntechniker) hergestellt worden sind.

Prothetische Leistungen von Zahnärzten im Sinne vom § 4 Nr. 14 lit. a Satz 2 UStG sind streng von Heilbehandlungsleistungen von Zahnärzten nach § 4 Nr. 14 lit. a Satz 1 UStG zu unterscheiden. Erfolgt z. B. die Überlassung von kieferorthopädischen Apparaten an einen Patienten bei dessen Heilbehandlung werden diese Apparate nicht nach § 4 Nr. 14 lit. a Satz 2 UStG geliefert, sondern sind ein Teil der umsatzsteuerfreien Heilbehandlung von Zahnärzten im Sinne § 4 Nr. 14 lit. a Satz 1 UStG.

V. Sog. Hilfsgeschäfte von Zahnärzten

Als sog. Hilfsgeschäfte werden Umsätze bezeichnet, welche nicht der eigentlichen zahnärztlichen Tätigkeit zugeordnet werden können, sondern lediglich typischerweise eine solche Tätigkeit begleiten. Dazu zählen z. B. die Veräußerung von betrieblich genutzten Gegenständen einer Zahnarztpraxis oder die Veräußerung einer ganzen Zahnarztpraxis. Da solche Hilfsgeschäfte keine Heilbehandlung darstellen, greift für sie keine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 lit. a Satz 1 UStG ein.

Allerdings sind Hilfsgeschäfte nach § 4 Nr. 28 UStG umsatzsteuerfrei, sofern sich diese Hilfsgeschäfte auf Gegenstände beziehen, die vom betreffenden Zahnarzt oder von der betreffenden Zahnärztin ursprünglich ohne Berechtigung zum Vorsteuerabzug erworben wurden. Oder wenn diese Gegenstände ausschließlich für eine umsatzsteuerfreie Tätigkeit verwendet worden sind.

Sofern die veräußerten Gegenstände zur Ausführung von Heilbehandlungen im Sinne § 4 Nr. 14 lit. a Satz 1 UStG verwendet wurden, greift die Umsatzsteuerbefreiungsregelung des § 4 Nr. 28 UStG regelmäßig ein. Hat ein Zahnarzt oder eine Zahnärztin den betreffenden Gegenstand zur Ausführung von umsatzsteuerpflichtigen Umsätzen verwendet, z. B. als ein Einrichtungsgegenstand eines praxiseigenen Labors zur Herstellung von Zahnprothesen und kieferorthopädischen Apparaten, scheidet die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 28 UStG allerdings aus.

Besondere Probleme in Bezug auf die Umsatzsteuer ergeben sich bei der Veräußerung einer ganzen Zahnarztpraxis, die nach § 1 Abs. 1a UStG nicht der Umsatzsteuer unterliegt, sofern die Voraussetzungen einer solchen Veräußerung vorliegen. Die Veräußerung einer ganzen Zahnarztpraxis behandeln wir im kommenden Beitrag.

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Dr. jur. Alex Janzen

Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Bank- und KapitalmarktrechtRechtsanwaltskanzlei Dr. jur. Alex Janzen

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