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Wettbewerbsrecht

In gleich zwei aktuellen Entscheidungen haben sich die obersten Zivilrichter mit der Frage auseinandergesetzt, wann Zahnärztinnen und Zahnärzte sich als „Kinderzahnärzte“ bezeichnen dürfen.

Im ersten Fall ging es um eine Gemeinschaftspraxis in Nordrhein-Westfalen. Sie bezeichnete sich im Netz nicht nur als Kinderzahnarztpraxis, sondern versprach unter anderem „Abenteuer im Wartezimmer“ und betonte, dass das Personal besonders auf die individuellen Bedürfnisse des Kindes bei der Behandlung eingehe.

Die Zahnärztekammer mahnte die Praxis wegen Irreführung der Verbraucher ab. Die erste Instanz hielt das für richtig, die zweite befand die Werbung für zulässig. Der Fall landete in Karlsruhe. Und auch der BGH entschied zugunsten der Praxis.

Wer kindgerecht behandelt, darf sich Kinderzahnarzt nennen

Die Richter führten aus: Der Durchschnittsverbraucher verstehe unter einer Kinderzahnarztpraxis, dass die Zahnärzte die Praxis kindgerecht ausstatten und dass sie bereit sind, auf ihre kleinen Patienten in besonderer Weise einzugehen. Besondere Fachkenntnisse im Bereich der Kinderzahnheilkunde oder Kinderpsychologie erwarte der Werbeadressat hingegen nicht. Die Eltern kennen nach Ansicht des I. Zivilsenats den Begriff des Fachzahnarztes und die Voraussetzungen zum Erwerb dieses Titels nicht. Eine Irreführung im Sinne der §§ 35 Abs. 1 UWG liege daher nicht vor (Az.: I ZR 217/20)

Zwar sei es zutreffend, dass ein Zahnarzt nach der Berufsordnung der Zahnärzte einen Tätigkeitsschwerpunkt oder einen Fachzahnarzt nur erwerben könne, wenn er zuvor die spezifischen Weiterbildungen absolviere. Aus der Berufsordnung gehe aber zwangsläufig hervor, dass in einer Kinderarztpraxis nur Kollegen arbeiten, die einen Fachzahnarzttitel für Kinderheilzahnkunde erworben haben – zumal es diese Titel gar nicht gebe.

Keine Gleichsetzung der Kinderzahnheilkunde mit Fachzahnarzt-Titel

Strenger waren die Bundesrichter im Fall einer Zahnärztin, die sich auf ihrer Website als „Kinderzahnärztin“ und als „Kieferorthopädin“ bezeichnet. In einer solchen Konstellation sei der Begriff des Kinderzahnarztes irreführend und daher zu unterlassen (BGH I ZR 5/21). Der BGH begründet die Entscheidung damit, dass durch die unmittelbare Nähe mit dem Begriff der Kieferorthopädin der Eindruck entstehe, auch „Kinderzahnärztin“ sei eine anerkannte medizinische Qualifikation.

Unproblematisch wäre es hingegen gewesen, wenn die betreffende Kollegin auf ihrer Homepage darauf hingewiesen hätte, dass sie in besonderer Weise auf die Behandlung junger Patienten eingerichtet ist – etwa durch eine kindgerechte Praxisgestaltung oder den Einsatz besonders geschulten Personals. Ebenfalls zulässig wäre es gewesen, wenn sich die Frau im Netz nur als Kinderzahnärztin bezeichnet hätte.

Die Kritik des BGH entzündet sich insofern allein an der unmittelbaren Nähe des Begriffs zu der Bezeichnung als „Kieferorthopädin“, die den (irreführende) Eindruck entstehen lässt, dass die Kinderzahnheilkunde mit der bekannten Fachzahnarztbezeichnung gleichzusetzen sei.

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