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Termin versäumt! Muss der Patient Schadensersatz zahlen?

von D&W Redaktion

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Foto: vectorfusionart - stock.adobe.com

Mit der Frage, ob der Patient, der einen Praxis-Termin versäumt, tatsächlich eine Entschädigung zahlen muss, hat sich das Oberlandesgericht Stuttgart beschäftigt. Ergebnis: Einen Anspruch auf das Ausfallhonorar hat der Arzt schon, allerdings müssen dafür bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.

Sagt ein Patient kurzfristig einen Termin in der Praxis ab, entsteht dem Zahnarzt ein wirtschaftlicher Schaden. Also muss der Patient Schadensersatz für die ausgefallene Einnahme bezahlen, oder? Klingt logisch, ist aber leider nicht so einfach, wie ein Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart zeigt.

Arzt verlangt Schadensersatz vom Patienten

In dem verhandelten Fall ging es um einen niedergelassenen Arzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Er verklagte seinen Patienten auf Schadensersatz für eine verpasste Behandlung. Der Patient hatte kurzfristig, nämlich vier Stunden vorher, einen vereinbarten Behandlungstermin abgesagt. Er gab an, verhindert zu sein. Mit der Sprechstundenhilfe vereinbarte er einen neuen Termin.

Schaden durch verpassten Termin für die Praxis

Der Arzt hatte kein Verständnis für die Absage. Er war der Ansicht, ihm stehe für den verpassten Termin das vertragliche Honorar zu. Zumindest aber schulde der Patient ihm Schadensersatz, weil wegen der Kurzfristigkeit der Absage der Termin nicht anderweitig habe vergeben werden können.

Gebühren vertraglich vereinbart

Der Mediziner sah den Mann auch deshalb in der Haftung, weil er ihn über mögliche Kosten, die bei einer Absage entstünden, informiert habe. So wurde im Rahmen der Erstvorstellung ein Formular zur Anamnese vorgelegt, das neben Fragen zu Vorerkrankungen folgenden Hinweis enthielt: „Wir bitten darum, Terminänderungen oder -absagen uns mindestens 24 Stunden, bei Vollnarkoseeingriffen drei Tage vorher mitzuteilen. Andernfalls sind wir berechtigt, Ihnen eine Ausfallzeitgebühr zu berechnen.“ Die Information hatte der Beklagte Monate vor dem Vorfall erhalten.

Gerichte beurteilen Verletzung der Pflichten unterschiedlich

Bei der Beurteilung, ob im Fall der Absage eines fest vereinbarten Behandlungstermins ein Anspruch auf das Behandlungshonorar oder Schadensersatz entsteht, entscheiden die Gerichte bislang extrem unterschiedlich. Gestritten wird dabei um die Anwendbarkeit der Vorschrift des Paragraf 615 BGB.
Das Gesetz besagt, dass der „Empfänger“ in Haftung genommen werden kann, wenn er bei der Annahme der Dienste in Verzug gerät. Ist das der Fall, ist der Vertragspartner nicht zur Nachleistung verpflichtet, kann aber trotzdem ein Ausfallhonorar bzw. Schadensersatz in Rechnung stellen. Dieser Paragraf zur vertraglichen Haftung könnte so ausgelegt werden, dass man zahlen muss, wenn die Behandlung bestellt und dann vergessen oder versäumt wurde. Schließlich sind auch Mediziner Dienstleister, die eine Vergütung der vereinbarten Leistung verlangen dürfen. Oder?

Das Gericht sprach ein Urteil für den Beklagten

Vor dem Oberlandesgericht Stuttgart wurde dieser Punkt allerdings nicht behandelt. Da der Betroffene einen weiteren Termin vereinbart hatte, ging das Gericht davon aus, dass er bezogen auf den abgesagten Termin nicht mehr in Annahmeverzug geraten konnte. Oder anders ausgedrückt: Der Wille, die bestellte Leistung abzurufen, war nachweislich da. Nur der Termin hatte sich verschoben. Die Forderung, das Honorar ohne weitere Leistung zu erhalten, lehnten die Richter deshalb ab. Das OLG führte außerdem aus, dass der Mann ein jederzeit bestehendes freies Kündigungsrecht habe die Terminvereinbarung zudem eine bloße Organisationsmaßnahme sei. Damit stärkt das OLG die einen Vergütungsanspruch des Arztes gegen den säumigen Patienten ablehnende Rechtsprechung.

Kein Honorar, aber Schadensersatzansprüche

Die eingeklagten Schadensersatzansprüche wegen der kurzfristigen Terminabsage hielt das OLG Stuttgart hingegen für möglich. Durch die Information über die Verhinderung lediglich vier Stunden vor der geplanten Behandlung trotz bereits seit geraumer Zeit bestehender Kenntnis hat der Patient seine vertraglichen Nebenpflichten verletzt. Es lag auf der Hand, dass der Arzt, der immerhin zwei Stunden für die umfangreiche Behandlung reserviert hatte, aus Gründen der zeitlichen Planung ein erhebliches und berechtigtes Interesse daran hatte, möglichst frühzeitig über Verhinderungen informiert zu werden.
Entscheidend für die Annahme von Schadensersatzansprüchen bleibt damit die Qualität des Entschuldigungsgrundes oder die rechtzeitige Information des Arztes.

Arzt muss entstandenen Schaden nachweisen

Parallel hierzu muss der Arzt jedoch auch den Eintritt eines Schadens darlegen und beweisen. Die kurzfristige Absage eines Arzttermins reicht für den Anspruch nämlich nicht aus. Ein ersatzfähiger Schaden kann nur dann vorliegen, wenn der Arzt bei rechtzeitiger Terminabsage einen anderen Patienten hätte behandeln können, den er tatsächlich nicht behandeln konnte.
Kann der Arzt belegen, dass er aufgrund der kurzfristigen Absage unnötigen Leerlauf hatte, muss der Patient tatsächlich für den Schaden haften. Dann kommt es nach dem OLG Stuttgart auf die durchschnittlichen Stundenumsätze der Praxis des Arztes an, die noch das in erster Instanz entscheidende Landgericht ohne Weiteres zugrunde gelegt hatte. Die allgemeine Behauptung des Arztes, durch die Absage sei die Behandlung anderer Patienten verhindert worden, reicht dafür aber nicht aus.

Für Schadensersatz muss konkreter Alternativ-Patient benann werden

Vielmehr muss der Arzt zur Geltendmachung des Schadens vortragen und beweisen, dass er bei einer rechtzeitigen Absage die Möglichkeit gehabt hätte, einen bestimmten anderen Patienten in der frei gewordenen Zeit zu behandeln. Und dass er ihn dann tatsächlich nicht, auch nicht später, behandeln konnte. Das ist in der Regel nicht so einfach, da Patienten dann Alternativtermine angeboten werden. Dann kann sich der Arzt noch darauf berufen, dass eine kurzfristige Vergabe von Terminen bei Wegfall einer Behandlung nicht dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge entspricht.
In einer Bestellpraxis werden diese Voraussetzungen regelmäßig nicht vorliegen. Damit stellt das OLG deutlich strengere Anforderungen an die Darlegung eines Schadens, als dies bislang in der einen Schadensersatzanspruch zubilligenden und pauschal auf den Durchschnittsverdienst abstellenden Rechtsprechung zumeist der Fall war. Hierauf wird in Zukunft bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen zu achten sein.

Praxis -TIPP

Ob im Falle der schuldhaften kurzfristigen Versäumung oder Absage eines Termins ein Honoraranspruch nach Maßgabe des Gebührenrechts begründet sein kann, ist zweifelhaft. Jedenfalls sind Schadensersatzansprüche zumindest möglich. Insoweit muss jedoch die tatsächliche Möglichkeit der Behandlung anderer Patienten nachweisbar sein, die gerade wegen der verspäteten Absage nicht behandelt werden konnten. Hier ist eine detaillierte Dokumentation notwendig, niedergelassene Zahnärzte sollten sich zu diesem Thema unbedingt auch mit ihrem Anwalt beraten.
Autor: Autor Richter Dr. Alexander Walter

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