Begünstigt Rauchen eine parodontitisfördernde bakterielle Zusammensetzung?
Prof. Dr. med. dent. Clemens WalterProf. Dr. Clemens Walter stellt eine aktuelle Studie vor, die untersucht, wie sich das orale Mikrobiom bei Rauchern verändert und inwiefern dieses parodontitisfördernd ist.
Wie verändert sich das orale Mikrobiom bei Rauchern?
In der aktuellen Klassifikation parodontaler und periimplantärer Erkrankungen und Zustände wird das Rauchen von Zigaretten als wesentlicher Risikofaktor in der Pathogenese einer Parodontitis bewertet. Erste wissenschaftlich fundierte Hinweise des Einflusses des Rauchens gehen auf Jan Bergström aus den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts zurück. Mittlerweile sind zahlreiche Publikationen, zunächst zur epidemiologischen Verknüpfung und in der Folge zu den möglichen pathogenetischen Mechanismen einer tabakassoziierten Parodontitis erschienen. Neben der Evidenz für zahlreiche veränderte Stoffwechselwege und immunologische Vorgänge blieb allerdings die Frage nach einer spezifischen mikrobiellen Zusammensetzung bei Rauchern umstritten. Eine ganz aktuelle einer deutschen Arbeitsgruppe zeigt diesbezüglich neue kausale Hintergründe auf.
Große randomisierte Multicenter-Studie zu Parodontitistherapie
Es handelt sich hierbei um die ABPARO-Studie, die zahlreiche deutsche Universitätskliniken gemeinsam durchgeführt haben. Das ursprüngliche Ziel war die Analyse der Effizienz der adjuvanten Gabe systemischer Antibiotika, namentlich Metronidazol und Amoxicillin, im Rahmen der nicht-chirurgischen Parodontitistherapie. Es wurde eine große randomisierte Multicenter-Studie mit einer aussagefähigen Gruppe parodontal erkrankter Patienten, die über einen Beobachtungszeitraum von zwei Jahren nachverfolgt wurden, konzipiert. Die Ergebnisse konnten schrittweise und hochrangig in den letzten zehn Jahren publiziert werden. Die hier nun vorgestellten Daten stellen eine sekundäre Auswertung in einer zufällig ausgewählten Untergruppe von Patienten dar. Für die Analyse standen 163 Patienten, darunter 69 sich selbst als Raucher und 94 sich als Nicht-Raucher klassifizierende Teilnehmerinnen und Teilnehmer, zur Verfügung. Mikrobielle Proben wurden an vier Stellen mit Papierspitzen zu unterschiedlichen Zeitpunkten entnommen. Die Zusammensetzung wurde mit aktuellen molekulargenetischen (16S rRNA Gen-Sequenzierung) und statistischen Methoden analysiert. Da der Kohlenmonoxid (CO)-Gehalt in der ausgeatmeten Luft bei Rauchern erhöht ist, kann dieser Wert diagnostisch herangezogen werden, um den Rauchstatus eines Patienten zu verifizieren. In diesem Projekt wurde hierzu der Smokerlyzer (Bedfort, UK) verwendet. Diese Art der Bestimmung ist sehr ähnlich der eines polizeilich durchgeführten Alkoholtests.
Korrelation zwischen dem CO-Gehalt und der vorliegenden Dysbiose
Der CO-Gehalt in der ausgeatmeten Luft war bei den eingeschlossenen Rauchern verglichen mit Nicht-Rauchern deutlich höher. Hinsichtlich der Zusammensetzung des subgingivalen Mikrobioms konnte eine Korrelation zwischen dem CO-Gehalt und der vorliegenden Dysbiose gezeigt werden. Darüber hinaus legen die Daten einen spezifischen polymikrobiellen Komplex aus vornehmlich anaeroben Bakterien, mit unter anderem den Spezies Fusubakterium nucleatum und Prevotella intermedia, in Abhängigkeit vom CO-Gehalt nahe.
Parodontitis Plaque und Tabak-bedingt
Der Tabakkonsum und die supragingivale Plaquekontrolle sind die zwei wesentlichen Risikofaktoren, die zu einer Parodontitis führen können. Beides ist mit geeigneten – in aller Regel kommunikativen Maßnahmen – durchaus modifizierbar. Eine Voraussetzung für den Erfolg der systematischen Therapie. Die hier dargestellten Daten führen nun beide Faktoren pathogenetisch sehr gut nachvollziehbar zusammen. Sie zeigen, dass das Rauchen über die Reduktion des Sauerstoffpartialdruckes bzw. eine Erhöhung des CO-Gehaltes in der Mundhöhle zu einem parodontitisbegünstigenden Mikrobiom, hervorgerufen durch geänderte Umweltbedingungen zum Vorteil anaerober Bakterien, führen kann. Die Anfang der 80er Jahre mitunter kontrovers geführte Diskussion, ob eine Parodontitis Plaque- oder Tabak-bedingt ist, führt somit aktuell zu einem (vorläufigen) Schlusspunkt – beides „arbeitet“ synergistisch pathogenetisch zusammen. Während in dieser Studie (noch) keine Maßnahmen zur Reduktion oder – besser – zum Aufgeben des Tabakkonsums durchgeführt wurden, ist oder sollte dies heute integraler Bestandteil einer wissenschaftlich fundierten parodontalen Therapie sein. Das hier genutzte und somit auch für wissenschaftliche Arbeiten verwendete CO-Messgerät kann, in Analogie zu Plaque- und Blutungs-Indices, zum Monitoring des aktuellen Tabakkonsums genutzt werden.
Quelle:Koehlen S, Harks I, Matern J, Prior K, Eickholz P, LorenzK, Kim TS, Kocher T, Meyle J, Kaner D, Jockel-Schneider Y, Harmsen D, Ehmke B, Kleine Bardenhorst S , Hagenfeld D. Exhaled Carbon Monoxide Indicates Persis tent Subgingival Dysbiosis After Periodontal Therapy. J Clin Periodontol. 2025 Oct 16. doi: 10.1111/jcpe.70053. Epub ahead of print. PMID: 41101348.