Wirtschaftsnachrichten für Zahnärzte | DENTAL & WIRTSCHAFT
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Kennzahlen schaffen betriebswirtschaftliche Transparenz, ermöglichen den Vergleich mit „Best Practices“ der Mitbewerber und helfen bei der Entscheidungsfindung.

Der Zahnarzt sollte nicht vergessen, dass seine Praxis auch ein Unternehmen in einem wirtschaftlichen Umfeld ist. „Die Marktbedingungen verändern sich permanent und Kosten können – wie in der aktuellen Zeit – enorm steigen“, gibt Michael Otto zu bedenken. „Das zu ignorieren, kann zu Liquiditätsschwierigkeiten führen. Eine Auseinandersetzung mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist aus meiner Sicht unabdingbar.“

Genau dazu eignen sich Praxiskennzahlen. Sie helfen Inhabern, betriebswirtschaftliche Transparenz zu schaffen und risikobehaftete Entwicklungen frühzeitig zu erkennen. Regelmäßig erhobene und ausgewertete Kennzahlen geben einen Kompass für die Praxisentwicklung an die Hand. Mit ihrer Hilfe kann der Zahnarzt Maßnahmen zur Existenzsicherung oder zum Heben von Praxispotenzialen ableiten.

Diese Kennzahlen sind für die Zahnarztpraxis am wichtigsten

Bei der Erhebung betriebswirtschaftlicher Kennzahlen können verschiedene Perspektiven auf das Unternehmen „Zahnarztpraxis“ eingenommen werden:  Jede Perspektive zeigt Stärken und Schwächen sowie verschiedene Kennzahlen und Potenziale auf.

Die Helikopterperspektive

Für einen schnellen Blick zur Gewinnung von Transparenz und Sicherheit ist man mit diesen Kennzahlen auf dem richtigen Weg:

  • Umsatz
  • Kosten
  • Gewinn

Die Praxisperspektive

Möchte man sogenanntes Benchmarking betreiben, also Stärken und Schwächen einer Praxis analysieren und Vergleiche zu anderen Praxen anstellen, ist eine genauere Betrachtung nötig. Folgende Kennzahlen sollten dazu regelmäßig dokumentiert werden:

  • Fallzahlen im Quartal
  • Kassenhonorar je Patient
  • Privathonorar je Patient
  • Zuzahlungsquote
  • Laborquote
  • bei angestellten Zahnärzten: Umsatz je Behandlerin/Behandler

Die Detailperspektive

Um Umsatzpotenziale zu heben, müssen Stellschrauben zur Leistungssteigerung identifiziert werden. Das gelingt über eine Detailperspektive der Kennzahlen und einem anschließenden Vergleich mit „Best-Practice-Zahnarztpraxen“. Wo Skalierungspotenziale schlummern, können beispielsweise folgende Kennzahlen zeigen:

  • Umsatz je Stunde
  • Umsatz je Behandlungseinheit
  • Verhältnis Patienten/ZFA
  • PZR-Auslastung
  • HKP-Abschlussquoten
  • bei angestellten Zahnärzten: Umsatzzusammensetzung der Behandlerin/des Behandlers
  • Neupatientenquote

Das können Zahnärzte aus den Kennzahlen ableiten

Nehmen wir zum Beispiel das Verhältnis Patient zu ZFA: Wird der Ruf nach mehr Personal laut, lässt sich an Vergleichswerten ablesen, ob in der Praxis ausreichend Kapazitäten für eine gute Behandlung vorliegen. Werden tatsächlich weitere Assistenzen benötigt oder liegt es eher an der Organisation? Diese Kennzahl kann bei der Entscheidungsfindung hilfreich sein.

Die Kosten einer Zahnarztpraxis werden durch Kasseneinnahmen allein nicht mehr gedeckt. Selbst- und Zuzahlerleistungen sind elementare Faktoren, die eine Praxis erst rentabel werden lassen. In unseren Analysen sehen wir immer häufiger, dass sich Praxen im Umsatz positiv entwickeln, in Konstellationen mit mehreren angestellten Zahnärzten jedoch zum Teil Fallwertschwankungen bis zu 100 Euro je Patient zwischen den Behandlern bestehen.

Um Skalierbarkeit zu schaffen, ist es aus unserer Sicht hilfreich, an einer Leistungshomogenität zu arbeiten: Alle Zahnärzte mit demselben Behandlungsspektrum sollten sich auf ein möglichst einheitlich hohes Niveau in der Zuzahlungsquote entwickeln. Wirkungsvoll zeigen sich Coachings zum Thema „Patientenkommunikation.“

Umsatz mit der Kennzahl HKP-Abschlussquoten

Interessant sind auch die HKP-Quoten bzw. HKP-Abschlussquoten: Nicht selten erleben wir in der Beratung, dass für Patienten zwei bis vier Kostenvoranschläge oder sogar HKPs erstellt werden. Begründet wird dies oft damit, dass man dem Patienten verschiedene Optionen aufzeigen und gut aufklären möchte. Dies erreicht man aus unserer Sicht auch, ohne die Kapazitäten der ZMV derart zu beanspruchen. Denn umgesetzt kann nur ein HKP werden. Je nach Vorgang bindet ein HKP bei der Mitarbeiterin bis zu einer Stunde Arbeitszeit. Das ist eine Auslastung ohne entsprechenden Umsatz.

Wie Sie aus Ihren HKPs mehr rausholen, lesen Sie in diesem Artikel:
Umsatz steigern über Heil- und Kostenplan und Mehrkostenvereinbarung
Hier erfahren Sie, wie die EBZ die Einreichung von HKPs vereinfacht:
EBZ-Einführung: Wie waren die ersten Monate in den Praxen?

Orientierungswerte für die Einordnung der Praxiskennzahlen

Als Orientierungswerte für die Praxiskennzahlen gibt es die klassischen Fachgruppenvergleiche, die man von der Steuerberatung oder der Kassenzahnärztlichen Vereinigung bekommt. Sie bieten schon mal eine gute Orientierung. Fragen Sie sich jedoch immer: Entspricht meine Praxisstruktur auch diesen Fachgruppenbeispielen?

Für eine präzise Vergleichbarkeit haben wir bei Kock + Voeste über viele Jahre hinweg einen eigenen Datenpool aufgebaut. Von der Einzelpraxis bis zum Z-MVZ mit mehreren Standorten sind darin verschiedene Vergleichszahlen unterschiedlicher Praxisgrößen und Praxisstrukturen dokumentiert. Diese Zahlen findet man sonst leider nirgendwo. Erst auf Grundlage einer solch detaillierten Datenbasis ist es möglich, konkrete Aussagen über die Leistungsstärke und Entwicklungspotenziale zu treffen. Abhängig von Behandlungseinheiten, Räumlichkeiten, Personalstruktur etc. vergleichen wir die Kennzahlen unserer Mandanten mit den Benchmarks der umsatz- bzw. gewinnstärksten Praxen ähnlicher Größe und Struktur.

Wie oft sollten Praxiskennzahlen überprüft werden?

Die Kennzahlen der „Helikopterperspektive“ – siehe oben – monatlich. Mit einem Blick auf die BWA, Umsatz, Kosten und Gewinn behält man einen guten Überblick.

In der „Praxisperspektive“ kann der Abruf des Wochenhonorars hilfreich sein, um den Status quo im Bereich der Leistungserbringung im Blick zu behalten. Die detaillierteren Kennzahlen empfehlen wir quartalsweise zu prüfen, um ausreichend Transparenz zu erhalten und auch Gegenmaßnahmen ergreifen zu können.
In diesem Zusammenhang auch interessant:
Wieso jede Zahnarztpraxis eine Assistenz des Praxisinhabers braucht
Risikomanagement: Strategien gegen die Insolvenz der Zahnarztpraxis

So kommen Sie an die Kennzahlen

Einige Informationen erhalten Praxisinhaberinnen und -inhaber von ihrem Steuerberater in der BWA – Umsatz, Kosten und Gewinn. Die Leistungsstatistiken der Behandler, z. B. die Honorarzusammensetzung, stellen die verschiedenen Praxissoftwareanbieter zur Verfügung. Detaillierte und individualisierte Kennzahlen erstellen Praxisberatungen wie Kock + Voeste für Mandanten – das ist Manufakturarbeit.

Wichtig: die richtigen Maßnahmen aus den Praxiskennzahlen ableiten

Passende Maßnahmen aus den Kennzahlen lassen sich an folgendem Beispiel erklären: Häufig hören Praxisinhaber von ihrem Steuerbarter, dass ihre Personalkosten zu hoch seien. Diese liegen dann meist über 28 % vom Umsatz.

Daraus ergeben sich verschiedene Fragestellungen. Die erste Frage ist oft: Wen soll ich kündigen? Auf wen kann ich eigentlich verzichten? Dabei sollte die erste Frage lauten: Auf welcher Basis sind die Personalkosten zu hoch? Sind sie real zu hoch? Oder sind die Umsätze vielleicht zu niedrig? Wie ist eigentlich die Auslastung des Personals? Wie ist die Vergütungsstruktur in der Praxis geregelt? – Häufig stellen wir fest, dass die Aussage „die Personalkosten sinc zu hoch“ faktisch zwar richtig ist, die Maßnahme – hier: die Reduzierung der Personalkosten – jedoch nicht immer der logischste Schritt ist.

Nicht selten führt das Ausdünnen der Personaldecke nämlich zu verringerten Kapazitäten, sodass sich auch der Umsatz rückläufig entwickeln kann. Dann haben wir im Folgejahr die gleiche Problematik …

Bei der Analyse einzelner Kennzahlen ist es also notwendig, immer mehrere Praxisaspekte einfließen zu lassen. Wichtig ist, das Unternehmen als Ganzes zu betrachten, und nicht auf Grundlage einer abweichenden Kennzahl in Aktionismus zu verfallen. Denn gegebenenfalls stimmen die Preise einfach nicht, oder es wird nicht gut und richtig abgerechnet. Vielleicht fehlen aber auch Patienten. Dann schließt sich die Frage an: Welche Marketingmaßnahmen werden eigentlich für Neupatienten bemüht? Und da werden erfahrungsgemäß in vielen Praxen längst nicht alle Potenziale ausgeschöpft.

Tipp für den Umgang mit Kennzahlen

Kennzahlen bieten eine gute Orientierung, müssen aber immer im Kontext betrachtet werden. Wichtig ist auch, die Kennzahlen regelmäßig zu überprüfen. So kann der Zahnarzt Fehlentwicklungen vorbeugen und zeitnah Gegenmaßnahmen einleiten. Mit einem kontinuierlichen Controlling behalten Zahnärzte ihre Praxisentwicklung im Blick, können Liquiditätsengpässe vermeiden und Potenziale zur Umsatzsteigerung identifizieren.

Auch interessant: Erfolgsfaktoren für die Gründung und Führung eines ZMVZ

(c) Michael Otto

Unser Autor:
* Michael Otto ist Berater und Partner der Praxisberatung Kock + Voeste GmbH. Als Bankbetriebswirt und zertifizierter Finanzberater Gesundheitswesen verfügt er über die nötige Qualifikation für die Beratung von Zahnärzten und Z-MVZs. www.kockundvoeste.de, info@kockundvoeste.de