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Seltene genetisch bedingte Zahnerkrankungen wie die Ektodermale Dysplasie (ED), Amelogenesis imperfecta oder Hypophosphatasie stehen künftig stärker im Fokus: Mit der neuen S3-Leitlinie „Versorgung seltener, genetisch bedingter Erkrankungen der Zähne“ liegt erstmals ein strukturierter, interdisziplinärer Behandlungsrahmen vor. Die Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie e.V. (DGMKG) begrüßt diesen Schritt ausdrücklich – insbesondere wegen der enormen Belastung, unter der betroffene Patientinnen und Patienten häufig leiden.

„Diese Menschen kämpfen nicht nur mit funktionellen Einschränkungen wie erschwertem Kauen oder Sprechen, sondern auch mit psychosozialen und ästhetischen Herausforderungen“, erklärt Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Sven Otto, Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie am LMU Klinikum München und AWMF-Delegierter der DGMKG. „Die neue Leitlinie hilft uns, diesen Patienten individuelle, evidenzbasierte Behandlungskonzepte auf höchstem fachlichen Niveau anzubieten.“

MKG-Chirurgen als Koordinatoren in der Patientenversorgung

Ein zentrales Anliegen der Leitlinie ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Zahnärztinnen und Zahnärzte, Kieferorthopädinnen und -orthopäden sowie Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurginnen und -chirurgen sollen eng kooperieren, um dem vielschichtigen Behandlungsbedarf gerecht zu werden.

Gerade bei Kindern und Jugendlichen ist eine strukturierte, frühzeitige Therapie entscheidend – etwa zur Begleitung des Kieferwachstums oder zum Ersatz fehlender Zähne. MKG-Chirurginnen und -Chirurgen nehmen hier eine koordinierende Rolle ein: Sie schlagen eine Brücke zwischen Medizin und Zahnmedizin, gestalten patientenzentrierte Behandlungspläne und begleiten Betroffene oft über Jahre hinweg.

„Ein gutes Timing ist bei der Rehabilitation von ED-Patientinnen und -Patienten essenziell“, so Otto. Kieferorthopädische Maßnahmen sollten idealerweise vor dem 18. Lebensjahr erfolgen, Implantate und Knochenaufbauten nach dem pubertären Wachstumsschub. Auch Alternativen wie Zahntransplantate, Klebebrücken oder das Belassen von Milchzähnen sollten in die Therapieplanung einbezogen und mit den Familien ausführlich besprochen werden.

Fokus auf häufige genetisch bedingte Zahnkrankheiten

Neben der Ektodermalen Dysplasie adressiert die neue Leitlinie weitere seltene, aber klinisch relevante Erkrankungen:

  • Amelogenesis imperfecta (Fehlbildung des Zahnschmelzes)

  • Dentinogenesis imperfecta (Fehlbildung des Dentins)

  • Hereditäre hypophosphatämische Rachitis

  • Hypophosphatasie

Trotz ihrer Seltenheit sind allein in Deutschland rund 4.000 bis 5.000 Menschen von ED betroffen. Die DGMKG sieht daher auch eine ethische Verpflichtung, diesen Patienten eine hochwertige Versorgung zu ermöglichen. „Die neue S3-Leitlinie ist ein Meilenstein“, resümiert Otto. „Sie schafft mehr Versorgungsqualität, stärkt die Zusammenarbeit zwischen den Fachdisziplinen und gibt den besonderen Bedürfnissen betroffener Menschen endlich die nötige Sichtbarkeit.“

Weitere Informationen zur neuen S3-Leitlinie:

S3-Leitlinie „Versorgung seltener, genetisch bedingter Erkrankungen der Zähne“: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/083-048

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