Abgeltung von Überstunden – Welche Formulierungen in Arbeitsverträgen erlaubt sind
Judith MeisterDürfen Überstunden pauschal mit dem Gehalt abgegolten werden? Welche Formulierungen sind wirksam, welche unwirksam? Ein aktuelles Urteil bringt Klarheit.
Auch wenn die Zahl der Überstunden im Pandemiejahr 2020 deutlich gesunken ist: Mit 1,67 Milliarden (2019: 1,86 Milliarden) konnte sich die Einsatzbereitschaft der deutschen Arbeitnehmer durchaus sehen lassen. Mehrausgaben für die Arbeitgeber bedeutet die Mehrarbeit aber nicht immer: Laut Statistik ist die Hälfte der Überstunden unbezahlt, auch, weil viele Arbeitsverträge eine pauschale Abgeltung mit dem regulären Monatsgehalt vorsehen.
Überstunden: Dürfen sie mit dem Gehalt abgegolten werden?
Überstunden sind seit Jahren in vielen Branchen ein Dauerbrenner – und oft ein Streitpunkt zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Besonders relevant ist die Frage, ob und in welchem Umfang Mehrarbeit pauschal mit dem Grundgehalt abgegolten werden kann. Während Gerichte grundsätzlich solche Regelungen zulassen, gibt es klare Grenzen.
Wann ist die pauschale Abgeltung von Überstunden erlaubt?
Viele Arbeitsverträge enthalten Klauseln, die vorsehen, dass ein Teil der Überstunden bereits im Monatsgehalt enthalten ist. Doch damit eine solche Regelung wirksam ist, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:
Die Klausel darf nicht zu unbestimmt sein. Sätze wie „Mit dem Gehalt sind alle eventuell anfallenden Überstunden abgegolten“ sind unwirksam, weil sie dem Arbeitnehmer nicht verdeutlichen, wie viele Überstunden maximal geleistet werden müssen (BAG, Az. 5 AZR 765/10).
Die zulässige Anzahl an Überstunden muss konkret festgelegt sein. Die Rechtsprechung akzeptiert in der Regel eine Grenze von bis zu 20 Überstunden pro Monat ohne zusätzliche Vergütung.
Durch die Abgeltung von Überstunden darf der Mindestlohn nicht unterschritten werden.
Die Gesamtvergütung darf nicht unter zwei Drittel des branchenüblichen Gehalts sinken, da dies als auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gewertet werden kann.
Nicht jede Klausel zu Überstunden ist irreführend
Wenn ein Arbeitgeber also sauber formuliert, ist die Abgeltung von Überstunden mit dem Grundgehalt – in einem gewissen Rahmen – möglich. Das belegt ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern (Az. 2 Sa 26/21).
Im konkreten Fall ging es um einen Arbeitnehmer mit einer 40-Stunden-Woche und einem Bruttomonatsgehalt von 1.800 Euro. Er hatte seinen Chef verklagt und Extrageld für knapp 90 Überstunden verlangt. Sein Arbeitsvertrag enthielt zwar eine Regelung, nach der bis zu zehn zusätzliche Stunden pro Monat mit der Grundvergütung abgegolten seien. Der Mann hielt diese Formulierung allerdings für unwirksam. Auch habe sein Chef ihn bei Vertragsschluss in die Irre geführt, da seine regelmäßige Wochenarbeitszeit regelmäßig mehr als die vereinbarten 40 Stunden betrage.
Vor Gericht konnte er sich mit dieser Auffassung allerdings nicht durchsetzen. Stattdessen entschieden die Richter, dass die Klausel den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteilige. Auch sei kein anderer Grund ersichtlich, warum die Formulierung unwirksam sei. Insbesondere lasse sich eine Abrede zur Überstundenabgeltung auch bei einem eher geringen Gehalt treffen. Wichtig sei allerdings, dass es faktisch nicht zu einer Unterschreitung des Mindestlohnes komme oder ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung entstehe. Das aber sei vorliegend nicht der Fall. Eine Irreführung des Arbeitnehmers konnte das Gericht ebenfalls nicht erkennen, da der Arbeitsvertrag keine Aussage zur Häufigkeit von Überstunden enthalte.
Checkliste zum Thema Überstunden für Zahnärzte und Zahnärztinnen
Mit Blick auf die aktuelle Entscheidung und andere grundlegende Urteile zu diesem Thema sollten Praxischefs folgende Punkte beachten, wenn sie Abgeltungsklauseln formulieren.
Klare Formulierungen sind entscheidend: Arbeitsverträge müssen genau regeln, wie viele Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sind. Unklare Klauseln („alle anfallenden Überstunden sind mit dem Gehalt abgegolten“) sind unwirksam.
Maximale Anzahl an Überstunden definieren: Gerichte akzeptieren in der Regel eine Begrenzung von bis zu 20 Überstunden pro Monat ohne zusätzliche Vergütung.
Mindestlohn beachten: Die Abgeltung darf nicht dazu führen, dass der effektive Stundenlohn unter den gesetzlichen Mindestlohn fällt.
Branchenübliches Gehalt als Maßstab: Die Vergütung darf nicht unter zwei Drittel des in der Region oder Branche üblichen Gehalts sinken, um eine unangemessene Benachteiligung zu vermeiden.
Überstunden trotz Klausel dokumentieren: Selbst wenn Überstunden pauschal abgegolten sind, sollten Arbeitgeber eine saubere Dokumentation führen, um Streitigkeiten vorzubeugen.
Höchstarbeitszeiten einhalten: Auch wenn Überstunden vertraglich geregelt sind, gelten die gesetzlichen Arbeitszeitgrenzen (maximal 48 Stunden pro Woche, mit Ausnahmen für bestimmte Branchen).
➡ Praxis-Tipp für Zahnärzte:
Viele Zahnarztpraxen stehen vor der Herausforderung, ihre Mitarbeitenden flexibel einzusetzen. Teilzeitkräfte und angestellte Zahnärzte sollten besonders auf faire und transparente Überstundenregelungen achten, um Konflikte zu vermeiden.