Zahnbehandlung unter Vollnarkose: Wer haftet wofür?
Judith MeisterAuch wenn die Lokalanästhesie der Goldstandard in der Zahnarztpraxis ist: Bei einigen Patienten bietet nur eine Vollnarkose die Möglichkeit für eine erfolgreiche Behandlung. Insbesondere aus haftungsrechtlicher Sicht wirft dies aber Sonderprobleme auf, die jeder Zahnarzt kennen sollte.
Eine Vollnarkose ohne triftigen Grund durchzuführen, wäre für sich betrachtet schon ein Behandlungsfehler. Wann immer eine Zahnärztin oder ein Zahnarzt eine Behandlung unter örtlicher Betäubung durchführen kann, ist diese folglich das Mittel der Wahl.
Dennoch gibt es Konstellationen, in denen eine Behandlung unter Vollnarkose angezeigt ist – etwa bei extremen Angstpatienten oder bei Menschen mit Behinderungen. Hier stellt sich die Frage, wie sich die Haftungsrisiken zwischen dem Zahnarzt und dem Anästhesisten verteilen.
Die Verantwortungsbereiche von Zahnarzt und Anästhesist
Grundsätzlich ist der Zahnarzt für die korrekte Indikationsstellung verantwortlich (Hinweise zum Ablauf finden Sie hier). Dabei ist zu beachten, dass der Vertragszahnarzt vorrangig mildere Mittel in Form einer Lokalanästhesie anzuwenden hat und zur Narkose erst dann schreiten darf, wenn die Lokalanästhesie aus medizinisch indizierten Gründen versagt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Az.: L 11 KA 58/02).
Auch die Pflicht, über die Risiken der Behandlung unter Narkose (und etwaige Alternativen) aufzuklären, trifft den Zahnarzt. Ebenso ist er für die fachgerechte Durchführung der zahnmedizinischen Behandlung verantwortlich.
Wer in der eigenen Zahnarztarztpraxis die Behandlung unter Narkose anbieten will, muss zudem sicherstellen, dass dort die erforderliche Infrastruktur zur Verfügung steht.
Eine umfassende Dokumentation ist bei arbeitsteiligem Vorgehen besonders wichtig
Die eigentliche Aufklärung über die Narkose-Risiken muss hingegen der Anästhesist übernehmen. Gleiches gilt für die Aufklärung über das prä- und postoperative Verhalten. Darüber hinaus ist er für die ordnungsgemäße Durchführung der Vollnarkose verantwortlich.
Wichtig: Der Zahnarzt muss sich stets vergewissern, dass die Aufklärung durch den Anästhesisten den gesetzlichen Vorgaben entsprochen hat. Aus Beweisgründen empfehlen sich vertragliche Absprachen zwischen Zahnärzten und Anästhesisten sowie detaillierte Protokolle über die einzelnen, arbeitsteilig ausgeführten Schritte.
Arbeitsteilung wirkt sich auch auf die Haftung aus
Die genaue Aufteilung der Haftung hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Gerichte sehen dabei sehr genau hin, in wessen Verantwortungsbereich ein folgenreicher Fehler passiert ist.
So entschied beispielsweise das OLG Köln: Bei einer unter Assistenz eines Anästhesisten in Vollnarkose durchgeführten Zahnbehandlung ist es dessen Aufgabe, die Narkose zu führen und die Vitalparameter des Patienten zu überwachen. Der Zahnarzt muss daher erst auf Hinweis des Anästhesisten einen Notarzt verständigen, wenn sich der Zustand der Patientin oder des Patienten verschlechtert. Mit diesem Argument lehnte das Gericht die Haftung des Zahnarztes dafür ab, dass seine Patientin unter der Narkose einen Sauerstoffmangel und in dessen Folge einen Hirnschaden erlitten hatte (Az. Az.: 5 U 67/96).