Verjährung von Haftungsansprüchen gegen Zahnärztinnen und Zahnärzte
Dr. jur. Alex JanzenDer Verjährung von Ansprüchen gegen Zahnärztinnen und Zahnärzte kommt in Haftungsprozessen der Patienten eine große Bedeutung zu. Unser Experte, Rechtsanwalt Dr. Alex Janzen, erläutert die Hintergründe.
Der Grund für diesen Umstand liegt auf der Hand: während in vielen anderen Rechtsgebieten regelmäßig Klarheit über eine schädigende Handlung, den Schädiger, den Schadenseintritt und die Verantwortlichkeit für den Schaden besteht, so dass Geschädigte bzw. ihre Prozessbevollmächtigten auf der Grundlage dieser Informationen rechtzeitig einen Schadenersatzanspruch einklagen können, liegen die Dinge im Zahnarzthaftungsrecht häufig anders.
Bedeutung der Verjährung bei Haftungsansprüchen gegen Zahnärztinnen und Zahnärzte
Da eine Schädigung eines Patienten aufgrund einer konkreten zahnärztlichen Behandlung nur selten offensichtlich und noch seltener klar nachweisbar ist, können mehrere Jahre vergehen, bis ein Patient bzw. seine Verfahrensbevollmächtigten genügend Informationen und Beweismittel gesammelt haben, um einen Schadenersatzanspruch gegen eine Zahnärztin oder einen Zahnarzt gerichtlich geltend zu machen. Wartet der Patient zu lange mit der Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs, kann es passieren, dass der betreffende Anspruch bei dieser Geltendmachung bereits verjährt ist und deshalb nicht mehr durchgesetzt werden kann.
Die maßgeblichen Rechtsgrundlagen für die Verjährung von Haftungsansprüchen gegen Zahnärztinnen und Zahnärzte regeln §§ 194 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Nach § 194 Abs. 1 BGB unterliegt ein Recht, von einem anderen ein Tun oder ein Unterlassen zu verlangen, der Verjährung. Einzelne Rechte nimmt das Gesetz explizit von der Verjährung aus, diese gesetzlichen Ausnahmen betreffen allerdings nicht Haftungsansprüche gegen Zahnärztinnen und Zahnärzte. Gemäß § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist 3 Jahre. Diese Verjährungsfrist gilt auch für Haftungsansprüche gegen Zahnärztinnen und Zahnärzte, sofern es nicht um eine vorsätzliche Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit eines Patienten geht: für diese gilt nach § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB eine Verjährungsfrist von 30 Jahren.
Verjährung als Einrede
Ist ein Schadensersatzanspruch bei der Geltendmachung bereits verjährt, kann sich der Schädiger nach § 214 Abs. 1 BGB auf diese Verjährung berufen und die Leistung verweigern. Wichtig ist, dass ein Gericht eine Verjährung nicht von Amts wegen berücksichtigt, d. h. der Anspruchsgegner muss sich explizit auf die Verjährung des geltend gemachten Schadenersatzanspruchs berufen. Unterlässt er dies, weil er oder seine Prozessbevollmächtigten etwa rechtsfehlerhaft davon ausgehen, der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei noch nicht verjährt, muss ein Gericht, auch wenn es die Verjährung des geltend gemachten Schadenersatzanspruchs selbst erkannt hat, der Klage stattgeben und die Beklagte bzw. den Beklagten zu Leistung an den Kläger verurteilen. Einem Gericht ist es auch verwehrt, in einem Rechtsstreit eine Partei auf den Eintritt einer Verjährung hinzuweisen. Wird auf einen bereits verjährten Schadensersatzanspruch in Unkenntnis der eingetretenen Verjährung geleistet, kann das Geleistete nach § 214 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht zurückgefordert werden. Es ist deshalb für eine Zahnärztin oder für einen Zahnarzt, die wegen einer angeblichen oder tatsächlichen Schädigung von einem Patienten in Anspruch genommen werden, zentral, die Verjährung eines Schadenersatzanspruchs zu erkennen und diesen geltend zu machen.
Zwar kann und darf eine Zahnärztin oder ein Zahnarzt sich darauf vertrauen, dass ihre Verfahrens- oder Prozessbevollmächtigte die Verjährung eines geltend gemachten Schadenersatzanspruchs erkennen und diese auch geltend machen werden. Allerdings muss betont werden, dass auch die besten Verfahrens- oder Prozessbevollmächtigten auf Informationen und Mithilfe ihrer Mandanten angewiesen sind und ohne diese Informationen häufig weder die Verjährung erkennen noch diese geltend machen können, da die Verjährung regelmäßig konkrete Handlungen oder Behauptungen eines angeblich oder tatsächlich geschädigten Patienten voraussetzt. Werden solche Handlungen oder Behauptungen gegenüber einer Zahnärztin oder gegenüber einem Zahnarzt vorgebracht, häufig noch vor Beauftragung eines Rechtsanwalts, können später beauftragte Verfahrens- oder Prozessbevollmächtigte die Rechte ihres Mandanten nur effektiv geltend machen, wenn sie von ihren Mandanten umfassend informiert werden.
Beginn der Verjährung von Haftungsansprüchen
Eine Verjährung von Haftungsansprüchen kann nur eintreten, wenn die maßgebliche Verjährungsfrist in einem konkreten Fall auch tatsächlich zu laufen begonnen hat. Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren, soweit das Gesetz nichts Abweichendes bestimmt, mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger die anspruchsbegründenden Umstände und die Person des Schuldners kennt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erkennen können. Unabhängig von einer Kenntnis des Geschädigten verjähren Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens des Körpers oder der Gesundheit beruhen, nach § 199 Abs. 2 BGB in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder des sonstigen schadensbegründenden Ereignisses. Kennt ein Patient die anspruchsbegründenden Umstände oder die Person des Schädigers nicht bzw. nicht hinreichend und ist diese Unkenntnis nicht grob fahrlässig, beginnt die Verjährungsfrist nicht.
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) stellt hohe Anforderungen an die Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände durch einen geschädigten Patienten. Nach dem BGH beginnt die Verjährung erst zu laufen, wenn der Patient Kenntnis von einem Behandlungsfehler hat. Es liegt auf der Hand, dass ein Patient oder seine Verfahrens- bzw. Prozessbevollmächtigten nicht wie Zahnärzte einen Behandlungsfehler zahnmedizinisch genau erfasst haben müssen. Es reicht aus, wenn ein Patient aus der Laiensicht einen Behandlungsfehler annimmt und dieser Fehler zu dem von ihm behaupteten Schaden geführt hat.
Nachweis der Verjährung bei Haftungsansprüchen
Beruft sich eine in Anspruch genommene Zahnärztin oder ein in Anspruch genommener Zahnarzt auf die Verjährung eines geltend gemachten Schadenersatzanspruchs, hat die betreffende Zahnärztin bzw. der betreffende Zahnarzt nachzuweisen, wann der Patient von einem behaupteten Behandlungsfehler hinreichende Kenntnis erlangt hat, die den Beginn der Verjährung im konkreten Fall auslöste. Die Kenntnis eines Patienten von einem Behandlungsfehler in einem konkreten Fall lässt sich regelmäßig nur anhand von Handlungen oder Behauptungen dieses Patienten oder seiner Verfahrens- bzw. Prozessbevollmächtigten nachweisen.
In vielen Fällen kann dies z. B. aus der Geltendmachung des maßgeblichen Schadenersatzanspruchs durch den Patienten gegenüber der behandelnden Zahnärztin oder gegenüber dem behandelnden Zahnarzt oder auch aus konkreten Vorhaltungen oder Anschuldigungen des Patienten ergeben. Die Schwierigkeit liegt hier in der Abgrenzung von mehr oder weniger abstrakten Unmutsäußerungen eines Patienten von den hinreichend konkreten Behauptungen eines Behandlungsfehlers, die zur Kenntnis des betreffenden Patienten und zum Beginn der Verjährung führt.
Zur betreffenden Abgrenzung entschied der BGH, dass zum Verjährungsbeginn keine klare Kenntnis des Patienten vom behaupteten Behandlungsfehler erforderlich ist. Ein Patient muss auch nicht über sichere Beweismittel verfügen, um einen risikolosen Rechtsstreit anzustrengen. Es reicht nach dem BGH aus, wenn ein Patient hinreichende Kenntnis vom tatsächlichen Geschehensablauf hat, die ihm erlaubt, Klage zu erheben, auch wenn dabei ein restliches Prozessrisiko verbleibt. Wann die Kenntnis eines Patienten in einem konkreten Fall hinreichend ist und eine aussichtsreiche Klageerhebung ermöglicht, ist in konkreten Fällen naturgemäß streitig. Zu berücksichtigen ist hier, dass ein Patient nicht verpflichtet ist, eine Klage zu erheben, wenn er nur Vermutungen hat und diese weder durch einen bestimmten Geschehensablauf hinreichend belegen noch mit Beweismitteln untermauern kann.
Information von Patienten über Behandlungsfehler
Mit dem Patientenrechtegesetz aus dem Jahr 2013 fügte der Gesetzgeber in das BGB § 630c Abs. 2 Satz 2 ein, nach dem der Behandelnde den Patienten auf eine Nachfrage oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren von sich aus zu informieren hat, wenn für den Behandelnden Umstände erkennbar sind, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen. Damit ordnet das Gesetz explizit an, dass der Behandelnde seinen Patienten mindestens auf Nachfrage oder bei gesundheitlicher Gefährdung von sich aus über einen Behandlungsfehler zu informieren hat. Inwiefern sich diese gesetzliche Grundentscheidung in Haftungsprozessen gegen Zahnärztinnen und Zahnärzte auswirkt, ist aktuell nicht absehbar. Einzelne Oberlandesgerichte haben bereits entschieden, dass dem Patienten ein Anspruch auf eine Erklärung des Behandelnden zusteht, dass für diesen keine Umstände zu erkennen sind, die für einen Behandlungsfehler sprechen.
Nimmt man den Gesetzgeber bei dem § 630c Abs. 2 Satz 2 BGB beim Wort, hat diese Regelung das Potenzial, bedeutenden Einfluss auf Haftungsprozesse gegen Zahnärztinnen oder Zahnärzte zu entfalten. Verweigern diese nämlich auf Nachfrage eines Patienten die gesetzlich vorgeschriebene Information über einen Behandlungsfehler, obwohl sie positive Kenntnis von einem konkreten Behandlungsfehler haben oder jedenfalls haben müssen, könnte dies dem Beginn der Verjährung in Bezug auf den betreffenden Schadensersatzanspruch des Patienten entgegenstehen, da ein Patient redlicherweise darauf vertrauen könnte, dass kein Behandlungsfehler aufgrund der verweigerten Auskunft vorliege. Die Entwicklung der Rechtsprechung in Bezug auf den neuen § 630c Abs. 2 Satz 2 BGB bleibt deshalb abzuwarten.
Hemmung der Verjährung von Haftungsansprüchen
Das Gesetz etabliert zahlreiche Bestimmungen, wann eine Verjährung gehemmt ist. Nach § 209 BGB bewirkt die Hemmung der Verjährung, dass der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, nicht in die maßgebliche Verjährungsfrist eingerechnet wird und sich die Verjährung deshalb um den betreffenden Zeitraum verlängert. Nach § 203 BGB ist die Verjährung zum Beispiel gehemmt, wenn zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände schweben. Das gleiche gilt nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, wenn eine Klage erhoben wird. Zahlreiche weitere Hemmungstatbestände enthalten neben dem § 204 BGB insbesondere die §§ 204a bis 211 BGB.
Neubeginn der Verjährung
Andere Rechtsfolgen hat der Neubeginn der Verjährung, den der § 212 BGB regelt. Nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB beginnt die Verjährung erneut, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch anerkennt. Räumt z. B. eine in Anspruch genommene Zahnärztin oder ein in Anspruch genommener Zahnarzt gegenüber dem geschädigten Patienten ein, sie würden den behaupteten Schadensersatzanspruch des Patienten nur in Raten erfüllen können, erkennen sie den betreffenden Schadensersatzanspruch an, sodass die Verjährung in Bezug auf diesen Anspruch neu beginnt. Das Gleiche gilt, wenn zwar keine Zahlungen auf den behaupteten Schadensersatzanspruch erfolgen, jedoch eine Sicherheitsleistung angeboten wird.